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Armut und Skandale um Kinderarbeit durch desaströse Kakaopreise

  • Donnerstag, 12. Juni 2014 @ 09:33
International Von 9.-13. Juni 2014 findet in Amsterdam die 2. World Cocoa Conference statt. Industrie und Handel beschäftigt vor allem die weltweite steigende Nachfrage nach Schokolade und die nicht mehr gesicherte Versorgung mit Kakaobohnen. Über 20 NGOs und Gewerkschaften aus Europa und den Anbauländern beteiligen sich ebenfalls an den Gesprächen und setzen sich für faire Handelsbeziehungen ein. In der Einhaltung internationaler ArbeiterInnenschutzbestimmungen und der gerechten Entlohnung für die Arbeit auf Kakaofeldern sehen diese den effektiven Schutz vor Verarmung der Kakaobäuerinnen - und bauern und ausbeuterischer Kinderarbeit. Anlässlich des 12. Juni, dem Tag gegen ausbeuterische Kinderarbeit betont die europaweite Kampagne "Make Chocolate Fair!" wiederholt den Wert fairer Handelsbeziehungen für das menschenwürdige Überleben von über 20 Mio. Menschen, welche auf die Einnahmen aus dem Kakaoanbau weltweit angewiesen sind. Für Österreich nehmen die entwicklungspolitische NGO Südwind und die Produktionsgewerkschaft PRO-GE an den Gesprächen für eine nachhaltige Schokoladeproduktion teil.

Seit den 1980er Jahren sind die Kakaopreise real um die Hälfte gefallen. Das hat dazu geführt, dass die Kakaobäuerinnen - und bauern die Produktion einschränken mussten und veraltete Bestände von Bäumen nicht ersetzen konnten. Nun steigt die weltweite Nachfrage nach Schokolade. Um Engpässe zu verhindern, müsste der weltweite Ertrag um ca. 100.000 Tonnen pro Jahr angehoben werden, wie eine Erhebung des weltweit größten Kakaoverarbeiters Barry Callebaut aus der Schweiz ergab. Derzeit werden jährlich 3,5 Mio. Tonnen weltweit produziert, mit kaum Potential zur Steigerung, im Gegenteil, im Moment werden die Lager leergeräumt um die aktuelle Nachfrage zu bedienen.

Durch die hohe Nachfrage kam es bereits letztes Jahr zu einer fast 20-prozentigen Preissteigerung. Diese kommen jedoch bis dato nicht bei den ProduzentInnen an. Bekamen sie 1980 noch 16%, erhalten die Kakaobäuerinnen und -bauern aktuell nur mehr 6% am Anteil des Verkaufspreises einer Tafel Schokolade. Während Mondelez – produziert unter anderem den österr. Marktleader Milka (über 50% Marktanteil in Österreich) – sich über fast EUR 1 Milliarde Gewinn freut, hat der seit Jahren tobende Preiskampf dazu geführt, dass Millionen von Kakaobäuerinnen - und bauern und ihre Familien unter der absoluten Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar pro Tag leben müssen.

Gerhard Riess von der PRO-GE und Mitglied des europäischen Gewerkschaftsnetzwerkes cocoanet.eu, derzeit bei der Konferenz in Amsterdam, verortet Versäumnissen von Seiten der Industrie: „Viele Jahrzehnte war es für Industriestaaten und multinationale Konzerne ganz einfach, Menschen aus dem Süden auszubeuten. Wir stehen nun vor einer völlig neuen Situation. Die Kakaofelder sind von der intensiven Bewirtschaftung der letzten Jahrzehnte ausgepowert – Sinkende Erträge, Perspektivlosigkeit und Landflucht führen dazu, dass der steigende Bedarf der Industrie an Kakaobohnen bald nicht mehr gedeckt werden kann. Die Bauern werden immer älter und es finden sich kaum noch junge Bäuerinnen und Bauer, die den Kakaoanbau weiterführen“.

Bernhard Zeilinger, Leiter der Südwind-Kampagne „Make Chocolate Fair!“ und ebenfalls Teilnehmer an der Konferenz in Amsterdam stellt fest: „Von den Preissteigerungen profitieren im Moment nur die Kakaohändler. Die 5.5 Millionen Kakaobäuerinnen - und bauern werden weiterhin ausgebeutet, verarmen und setzen Kinder zur Arbeit auf den Kakaofeldern ein, um die Kosten soweit als möglich zu reduzieren. Der Einsatz von KinderarbeiterInnen ist eine nachweisbare Folge der Niedrigpreispolitik der multinationalen Schokoladenindustrie und diese sind daher auch direkt zur Verantwortung zu ziehen. Ein erster Schritt wäre die ausschließliche Verwendung von zertifizierten Kakaobohnen von Anbietern wie FAIRTRADE, UTZ certified oder Rainforest Alliance“.

Wie eine Erhebung durch die US-amerikanische Tulane Universität 2011 ergab, arbeiten 820.000 Kinder in der Elfenbeinküste und ca. 1 Million Kinder in Ghana auf Kakaofarmen - jeweils 260.000 in der Elfenbeinküste und 270.000 in Ghana unter Bedingungen, die laut Internationalen Bestimmungen von ILO und UN (ILO Richtlinien 182 und 138, UN Kinderrechtskonvention Artikel 32/1) strengstens verboten sind. Zwar haben sich viele Schokoladekonzerne durch die Unterzeichnung des Harkin-Engels Protokolls 2001 aufgrund des wachsenden Drucks der Zivilgesellschaft selbst verpflichtet sich aktiv gegen Kinderarbeit einzusetzen, doch aktuelle Zahlen zeigen kaum Verbesserungen.

Auf die zu erwartenden Lieferengpässe reagiert die Industrie nun, indem sie millionenschwere Förderprogramme zur Steigerung der Produktivität der Kakaoplantagen ins Leben ruft. „Kurzfristige Produktionssteigerungen durch einen verstärkten Einsatz von Düngemitteln und andere Chemikalien gefährden die Gesundheit der ProduzentInnen und sind eine Mogelpackung, weil sie im Gegensatz zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und ökologischen Kakaoanbau nicht nachhaltig sind – im Gegenteil“, so Bernhard Zeilinger und fährt fort: „All die heutigen Missstände im Kakaoanbau und die Aussicht, dass Schokolade bald so teuer werden könnte wie Champagner sind Folgen der jahrzehntelangen Niedrigpreispolitik. Wir fordern daher die Schokoladenunternehmen auf in nachhaltige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Millionen von Bäuerinnen und Bauern zu investieren und eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung entlang der Produktionskette durchzusetzen. Zudem wäre dadurch auch der Kinderarbeit nachhaltig die Grundlage entzogen.“

In Österreich sorgen Südwind, PRO-GE, Weltumspannend Arbeiten, Dreikönigsaktion und Greenpeace dafür, dass die Missstände in der Kakaoproduktion öffentlich werden. Gemeinsam engagieren sie sich in der europaweiten Kampagne "Make Chocolate Fair!" und rufen zur Unterzeichnung der gemeinsamen Petition für den Arbeitsschutz und faire Handelsbeziehungen unter at.makechocolatefair.org auf, Bereits 36.000 UnterstützerInnen sind diesem Aufrug gefolgt und geben den Forderungen Gewicht.

Quelle und Infos: www.suedwind-agentur.at