Armut und Mindestsicherung
- Donnerstag, 9. April 2015 @ 11:52
Traude Lehner über die 10. Salzburger Armutskonferenz
Vom 23. bis 25. Februar 2015 fand in Salzburg die 10. Armutskonferenz statt. Ich war bereits zum vierten Mal dabei, doch so angespannt wie heuer war die Atmosphäre noch nie. Selbst Sozialarbeiter_innen und AMS-Personal waren richtig zornig über die Regierung und kritisierten, dass für die Hypo Geld genug da ist, für Soziales aber immer weniger. Klaus Dörre von der Uni Jena referierte über Hartz IV und Mindestsicherung und stellte fest, dass sowohl in Deutschland wie in Österreich die Arbeitslosigkeit und „Working Poor“ steigen.
Ursula Till-Tenschert von der EU-Grundrechteagentur kritisierte, dass sich die EU zuwenig um die Armut kümmert und ein Grundeinkommen, von dem man leben kann, eingeführt werden müsste. Die Diskussionen wurden sehr emotional geführt und die Konferenzteilnehmer_innen kamen zu dem Schluss, dass sich Europa ändern muss.
Mein Spezialgebiet ist die Mindestsicherung: Begonnen hat alles 2006, als ich zu dem neuen Projekt der Armutskonferenz „sichtbar werden“ eingeladen wurde. Damals gab es noch die Sozialhilfe, die auch ich bezog. Bei Sichtbarwerden gab es viele verschiedene Gruppen, die alle von Armut betroffen waren. Da ich mir kein Blatt vor den Mund nehme, wurde ich zuerst nach Brüssel zur europäischen Armutskonferenz delegiert und anschließend 2009 ins Sozialministerium zu den Vorbereitungen für das „Jahr der Armut und Ausgrenzung“ 2010. Bis 2012 war ich in diesem Gremium.
2010 wurde die Mindestsicherung – eine totale Verschlechterung – eingeführt. Da ich dank der Armutskonferenz Kontakte zu vielen Arbeitslosenvereinen hatte, der Rest der Armen aber nicht erfasst wurde, gründete ich 2011 den Verein „MindestVerUnsicherung“. Da ich seit 2012 als einzige Betroffene im Arbeitskreis Mindestsicherung im Sozialministerium vertreten bin, bin ich darüber bestens informiert. Ich berate und begleite alle die unter der Armutsgrenze leben, die übrigens zurzeit bei 1.090 Euro liegt. Egal ob obdachlos, Mindestsicherungsbezieher_in, Migrant_in oder Pensionist_in – alle können sich bei mir melden.
Das wichtigste zur Mindestsicherung: Eine Einzelperson bekommt 814 Euro zwölfmal im Jahr, zwei Personen egal ob verheiratet, Lebensgemeinschaft, Freund_in, bei Eltern wohnend darf das Haushaltseinkommen nicht mehr als 1.220 Euro betragen. De facto bekommen zwei Personen also nur 1.220 Euro zwölfmal im Jahr. Seit 2006 kämpfe ich dafür, dass dieses „Partnereinkommen“ abgeschafft wird, das sich nur ein krankes Hirn ausgedacht haben kann. Noch dazu muss man regelmäßig zum AMS um den Arbeitswillen zu zeigen.
Die meisten sind Notstandshilfebezieher_innen, welche nur die Differenz bezahlt bekommen. Es gibt aber auch viele „Working poor“, die meisten scheuen sich vor dem Sozialamt und versuchen so ihr Leben zu bestreiten. Aber viele wissen gar nicht, dass ihnen Geld vom Sozialamt zusteht, etwa Pensionist_innen die noch viel weniger bekommen als Mindestsicherungsempfänger_innen.
Noch eine spezielle Gruppe gibt es, nämlich solche die arbeitsunfähig sind, zu denen auch ich gehöre. Sie bekommen zwar 14mal im Jahr das Geld, müssen aber jedes Jahr neu ansuchen und zum Amtsarzt, ins BBRZ oder in die Diagnosestraße wie es seit 2014 so schön heißt. Das ist jedes Mal eine Tortur. Denn egal wo man hingehen muss, die Ärzte sind unfreundlich, inkompetent und behandeln einen wie Dreck, Befunde werden ignoriert und man ist froh, wenn die Untersuchung zu Ende ist.
Ich habe jetzt nur von Wien gesprochen. In anderen Bundesländern ist es wieder ganz anders. In Tirol und Vorarlberg bekommt man die ganze Miete bezahlt, in Oberösterreich ist die Mindestsicherung um 100 Euro höher. Mit einem Wort, es gibt keine einheitliche Vereinbarung. Am schlimmsten ist es aber in Niederösterreich: Dort wird jedes Jahr kontrolliert, ob man alleine lebt und wenn eine zweite Zahnbürste gefunden wird, wird die Mindestsicherung gestrichen und muss zurückgezahlt werden. Noch ein Kuriosum: Wenn jemand ein Haus oder eine Eigentumswohnung besitzt, kann zwar Mindestsicherung bezogen werden, aber die Immobilie gehört ab sofort der MA40, sprich dem Sozialamt. Sollte man später zu Geld kommen, muss alles zurückgezahlt werden. Wenn man stirbt und es sind Erben da, müssen die alles erstatten, wenn sie das Haus oder die Wohnung wollen.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Verschlechterung der Mindestsicherung gegenüber der Sozialhilfe kommen. Bei der Sozialhilfe gab es Mietbeihilfe, Heizkostenzuschuss und zweimal im Jahr Bekleidungsgeld. Dies alles wurde bei der Mindestsicherung gestrichen, die Ausrede des Sozialministeriums ist, dass wir schließlich die e-Card bekommen haben. Sicher war uns das sehr wichtig, denn dieser diskriminierende Krankenschein war wirklich furchtbar. Gemeinsam mit der Armutskonferenz haben wir sowohl um die e-Card als auch um die Verbesserung der Sozialhilfe gekämpft, doch so haben wir es nicht gemeint.
Traude Lehner ist Aktivistin bei MindestVerUnsicherung, Beratung und Begleitung für Armutsbetroffene
Vom 23. bis 25. Februar 2015 fand in Salzburg die 10. Armutskonferenz statt. Ich war bereits zum vierten Mal dabei, doch so angespannt wie heuer war die Atmosphäre noch nie. Selbst Sozialarbeiter_innen und AMS-Personal waren richtig zornig über die Regierung und kritisierten, dass für die Hypo Geld genug da ist, für Soziales aber immer weniger. Klaus Dörre von der Uni Jena referierte über Hartz IV und Mindestsicherung und stellte fest, dass sowohl in Deutschland wie in Österreich die Arbeitslosigkeit und „Working Poor“ steigen.
Ursula Till-Tenschert von der EU-Grundrechteagentur kritisierte, dass sich die EU zuwenig um die Armut kümmert und ein Grundeinkommen, von dem man leben kann, eingeführt werden müsste. Die Diskussionen wurden sehr emotional geführt und die Konferenzteilnehmer_innen kamen zu dem Schluss, dass sich Europa ändern muss.
Mein Spezialgebiet ist die Mindestsicherung: Begonnen hat alles 2006, als ich zu dem neuen Projekt der Armutskonferenz „sichtbar werden“ eingeladen wurde. Damals gab es noch die Sozialhilfe, die auch ich bezog. Bei Sichtbarwerden gab es viele verschiedene Gruppen, die alle von Armut betroffen waren. Da ich mir kein Blatt vor den Mund nehme, wurde ich zuerst nach Brüssel zur europäischen Armutskonferenz delegiert und anschließend 2009 ins Sozialministerium zu den Vorbereitungen für das „Jahr der Armut und Ausgrenzung“ 2010. Bis 2012 war ich in diesem Gremium.
2010 wurde die Mindestsicherung – eine totale Verschlechterung – eingeführt. Da ich dank der Armutskonferenz Kontakte zu vielen Arbeitslosenvereinen hatte, der Rest der Armen aber nicht erfasst wurde, gründete ich 2011 den Verein „MindestVerUnsicherung“. Da ich seit 2012 als einzige Betroffene im Arbeitskreis Mindestsicherung im Sozialministerium vertreten bin, bin ich darüber bestens informiert. Ich berate und begleite alle die unter der Armutsgrenze leben, die übrigens zurzeit bei 1.090 Euro liegt. Egal ob obdachlos, Mindestsicherungsbezieher_in, Migrant_in oder Pensionist_in – alle können sich bei mir melden.
Das wichtigste zur Mindestsicherung: Eine Einzelperson bekommt 814 Euro zwölfmal im Jahr, zwei Personen egal ob verheiratet, Lebensgemeinschaft, Freund_in, bei Eltern wohnend darf das Haushaltseinkommen nicht mehr als 1.220 Euro betragen. De facto bekommen zwei Personen also nur 1.220 Euro zwölfmal im Jahr. Seit 2006 kämpfe ich dafür, dass dieses „Partnereinkommen“ abgeschafft wird, das sich nur ein krankes Hirn ausgedacht haben kann. Noch dazu muss man regelmäßig zum AMS um den Arbeitswillen zu zeigen.
Die meisten sind Notstandshilfebezieher_innen, welche nur die Differenz bezahlt bekommen. Es gibt aber auch viele „Working poor“, die meisten scheuen sich vor dem Sozialamt und versuchen so ihr Leben zu bestreiten. Aber viele wissen gar nicht, dass ihnen Geld vom Sozialamt zusteht, etwa Pensionist_innen die noch viel weniger bekommen als Mindestsicherungsempfänger_innen.
Noch eine spezielle Gruppe gibt es, nämlich solche die arbeitsunfähig sind, zu denen auch ich gehöre. Sie bekommen zwar 14mal im Jahr das Geld, müssen aber jedes Jahr neu ansuchen und zum Amtsarzt, ins BBRZ oder in die Diagnosestraße wie es seit 2014 so schön heißt. Das ist jedes Mal eine Tortur. Denn egal wo man hingehen muss, die Ärzte sind unfreundlich, inkompetent und behandeln einen wie Dreck, Befunde werden ignoriert und man ist froh, wenn die Untersuchung zu Ende ist.
Ich habe jetzt nur von Wien gesprochen. In anderen Bundesländern ist es wieder ganz anders. In Tirol und Vorarlberg bekommt man die ganze Miete bezahlt, in Oberösterreich ist die Mindestsicherung um 100 Euro höher. Mit einem Wort, es gibt keine einheitliche Vereinbarung. Am schlimmsten ist es aber in Niederösterreich: Dort wird jedes Jahr kontrolliert, ob man alleine lebt und wenn eine zweite Zahnbürste gefunden wird, wird die Mindestsicherung gestrichen und muss zurückgezahlt werden. Noch ein Kuriosum: Wenn jemand ein Haus oder eine Eigentumswohnung besitzt, kann zwar Mindestsicherung bezogen werden, aber die Immobilie gehört ab sofort der MA40, sprich dem Sozialamt. Sollte man später zu Geld kommen, muss alles zurückgezahlt werden. Wenn man stirbt und es sind Erben da, müssen die alles erstatten, wenn sie das Haus oder die Wohnung wollen.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Verschlechterung der Mindestsicherung gegenüber der Sozialhilfe kommen. Bei der Sozialhilfe gab es Mietbeihilfe, Heizkostenzuschuss und zweimal im Jahr Bekleidungsgeld. Dies alles wurde bei der Mindestsicherung gestrichen, die Ausrede des Sozialministeriums ist, dass wir schließlich die e-Card bekommen haben. Sicher war uns das sehr wichtig, denn dieser diskriminierende Krankenschein war wirklich furchtbar. Gemeinsam mit der Armutskonferenz haben wir sowohl um die e-Card als auch um die Verbesserung der Sozialhilfe gekämpft, doch so haben wir es nicht gemeint.
Traude Lehner ist Aktivistin bei MindestVerUnsicherung, Beratung und Begleitung für Armutsbetroffene