AK-Vollversammlung 11.5.2016: Bericht der AK-Kommunikation
- Mittwoch, 11. Mai 2016 @ 16:56
Festakt „70 Jahre AK Oberösterreich in der II. Republik“ ganz im Zeichen künftiger Herausforderungen an die Arbeitnehmer
Der 11. Mai 1946 war ein denkwürdiger Tag für die oberösterreichischen Arbeitnehmer/-innen: Heute vor genau 70 Jahren konstituierte sich die erste Vollversammlung der Arbeiterkammer Oberösterreich in der II. Republik. In einem Festakt gedachte die AK der Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sozialminister Alois Stöger, Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Thomas Stelzer, der Linzer Bürgermeister MMag. Klaus Luger und AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer widmeten sich in ihren Statements den künftigen Herausforderungen an die Beschäftigten und die Arbeitnehmervertretungen. Auch der emeritierte Bischof Dr. Maximilian Aichern nahm am Festakt teil.
Die erste Sitzung fand im Alten Rathaus in Linz statt, weil das AK-Gebäude nach dem Krieg in Schutt und Asche lag und erst später wiederaufgebaut wurde. Die folgenden 70 Jahre waren nach Ansicht aller vier Redner eine Erfolgsgeschichte für die oberösterreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Schutz der Beschäftigten, das Arbeitsrecht und der Konsumentenschutz wurden auf Basis der Expertise der AK ausgebaut. Die Mitglieder erhalten bei der AK kostenloses Know-How und bei Bedarf auch kostenlose Rechtsvertretung durch anerkannte Top-Juristinnen/-en. Und die österreichische Form der Sozialpartnerschaft hat wesentlichen Anteil daran, dass Österreich zu den zehn wirtschaftlich reichsten Ländern der Erde gehört.
Erinnert wurde auch an heute selbstverständliche Leistungen wie Sozialversicherung, Lehrlingsausbildung, Mitbestimmung in den Betrieben, Karenzgeld, 40-Stunden-Woche, Gleichbehandlungsgesetz und den Schutz von Leiharbeitskräften.
Kern der Referate war aber die Zukunft der Arbeitnehmer/-innen und der AK: „Die guten Imagewerte der AK sind für uns keine Ruhekissen, sondern ganz im Gegenteil ein Auftrag noch besser zu werden“, so AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer. „Denn in ganz Europa werden Arbeitnehmervertretungen in Frage gestellt und große Institutionen in Zweifel gezogen.“ Künftig werde es einen Kampf zwischen Verteilungsgerechtigkeit und Kapitalkonzentration geben, einen Kampf um Steuergerechtigkeit und einen massiven Strukturwandel in der Wirtschaft – Stichwort Industrie 4.0. „Das ist sicher die zentrale Herausforderung. Wir wollen diesen Prozess positiv begleiten und auch die Chancen und Möglichkeiten dieser Entwicklung sehen“, betonte Kalliauer.
Bürgermeister MMag. Klaus Luger sieht in der Geschichte der Arbeiterkammer eine Erfolgsgeschichte der Emanzipation der Arbeitnehmer/-innen, des Wohlfahrtsstaates und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Er halte das Bekenntnis der AK zum Industriestandort für sehr wichtig und dankte für die Kooperationen zwischen Stadt und AK. Als zentrale Themen für die Zukunft sieht er zum einen die Verteilungsgerechtigkeit und zum anderen den Zusammenhalt in der Gesellschaft, „der ja unübersehbar gefährdet ist“, so Luger.
Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Thomas Stelzer zollte der AK viel Lob: „Danke für die Errungenschaften. Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der AK.“ Kritisch merkte er – so wie AK-Präsident Dr. Kalliauer – an, dass Institutionen mit Vertrauensproblemen zu kämpfen hätten, es aber gleichzeitig hohe Erwartungshaltungen an diese gebe. Die zentrale Frage für die Zukunft wird sein: „Wovon sollen wir leben? Gibt es ausreichend Arbeit, die Lebensgrundlage ist und Sinn stiftet?“ Und er hob ein gemeinsames Interesse von Arbeiterkammer und Land Oberösterreich hervor: „Oberösterreich soll weiter ein chancen- und perspektivenreiches Land mit möglichst breitem Wohlstand sein.“
Sozialminister Alois Stöger, der ja mit der AK Oberösterreich und ihrer Entwicklung eng verbunden ist, schilderte viele persönliche Erinnerungen – etwa als er als Gewerkschaftssekretär bei den Betriebsschließungen von Philips in Gmunden oder Redtenbacher in Scharnstein von der AK große Unterstützung für die Beschäftigten bekam. Sein Blick in die Zukunft sei von derzeit 425.000 Menschen ohne Arbeit geprägt: „Die Wirtschaft ist derzeit dadurch gekennzeichnet, dass nicht investiert wird. In ganz Europa ist die Investitionsbremse angezogen.“ Außerdem wollten neoliberale Gruppierungen mit ihrer Politik die Arbeitnehmer/-innen schwächen. Für die Zukunft gäbe es viel zu tun – Herausforderungen seien die Arbeitszeit, die Arbeitsmarktpolitik, die Pensionen, die Bildung, die Mobilität und die Rolle neuer unselbständiger Arbeitsformen. „Nur was sich ändert, hat Bestand“, so sein Motto. Und sein Wunsch an die Zukunft: „Mehr Gerechtigkeit in einer solidarischen Gesellschaft.“
AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer: Die Angstmache der Wirtschaftsvertreter verunsichert die Beschäftigten
Bei seiner heutigen Rede zur Vollversammlung der AK Oberösterreich konterte AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer all jenen Vertretern/-innen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sowie selbsternannten Experten/-innen, die vom „abgesandelten Standort“ sprechen und sowohl Unternehmen, als auch die Arbeitnehmer/-innen verunsichern – und damit das Ziel verfolgen, das Sozialsystem zu zerstören. „Angst ist keine Triebfeder für Innovation, Investition oder Konsumation. Darum wird es Zeit, den Menschen die Angst und die Sorge um den Job zu nehmen“, fordert der AK-Präsident.
Bundesweit fehlen 400.000 Jobs, in Oberösterreich 50.000. „Wer immer noch behauptet, dass jeder, der arbeiten will, auch Arbeit bekommt, ist nicht nur zynisch, sondern unmenschlich und unsozial“, sagt Kalliauer. Die AK habe bereits vielfältige Vorschläge gemacht, wie etwa das Bonus-Malus-System, verschiedene Konjunkturpakete oder die Aufstockung der Geldmittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Bis jetzt ist aber auf Bundes- und Landesebene zu wenig geschehen. Die Folge ist fast logisch: Obwohl die Beschäftigung wächst, steigt die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhen und das gesamte Arbeitsvolumen sinkt. Um die Arbeitslosigkeit nachhaltig und spürbar zu senken, wäre ein höheres Wirtschaftswachstum nötig. „Die Prognosen sagen etwas Anderes voraus. Darum ist es umso wichtiger, die vorhandene Arbeit gerechter zu verteilen“, erklärt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer.
Im Sinkflug befindet sich auch die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten. Das zeigt der Arbeitsklima Index der AK Oberösterreich. Ausgelöst und verstärkt wird die schlechte Stimmung durch unnötige Propaganda und Angstmache der Wirtschaft. Der Standort sei abgesandelt, verkündete WK-Präsident Leitl und viele Funktionäre/-innen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung wiederholen permanent die alte Leier von der überbordenden Bürokratie oder den hohen Lohnnebenkosten. „Damit verunsichern die Interessenvertretungen nicht nur die Arbeitnehmer/-innen, sondern auch viele kleine und mittlere Betriebe. Die Beschäftigten haben Angst um den Job, sind unzufrieden mit ihrer sozial- und arbeitsrechtlichen Stellung im Betrieb und sie spüren die Diskrepanz zwischen ihren eigentlichen Rechten und dem, was im Betrieb gelebt wird“, erklärt der AK-Präsident.
Zur Sprache brachte der AK-Präsident auch die Verteilungsfrage: Immer mehr Beschäftigte kommen mit ihrem Einkommen nicht aus. Obwohl der Mindestlohn von 1.500 Euro fast flächendeckend umgesetzt wurde, verdienen immer noch zehn Prozent der Vollzeitbeschäftigten weniger als 1.500 Euro. Mehr als ein Viertel verdient weniger als 1.700 Euro – das sind 1.310 Euro netto. „Von einem würdigen Leben kann keine Rede sein, wenn jemand um die 1.000 Euro zur Verfügung hat und damit alles bezahlen muss. Und wenn manchen dann nichts Besseres einfällt, als die Mindestsicherung zu kürzen, dann dürfen wir uns das nicht gefallen lassen“, sagt Kalliauer.
Dabei kann sich die Wirtschaft sehr wohl höhere Löhne und Gehälter leisten: Laut AK-Wertschöpfungsbarometer werden in den analysierten Betrieben jedes Jahr pro Mitarbeiter rund 14.500 Euro an die Aktionäre/-innen ausgeschüttet. Die Höhe der Ausschüttungen steigt dreimal zu schnell wie jene der Löhne und Gehälter. „Die Unternehmen haben also Spielraum genug, insbesondere niedrige Löhne spürbar zu erhöhen“, sagt AK-Präsident Kalliauer. Im Grunde gehe es den Wirtschaftsvertretern/-innen und selbsternannten Experten/-innen aber ohnehin nur um eines: den Abbau von Sozialleistungen auf Kosten der Ärmsten. „Das müssen wir verhindern! Wenn wir uns auch künftig ein gutes Gesundheitssystem, Bildung für unsere Kinder, ein existenzsicherndes Sozialsystem und unsere Sicherheit leisten wollen, müssen alle etwas dazu beitragen, auch die Unternehmer“, sagt der AK-Präsident.
Die Debattenbeiträge bei der AK-Vollversammlung
Zum vierten Mal in dieser Funktionsperiode tagte heute die Vollversammlung der Arbeiterkammer Oberösterreich. Zum Referat des Präsidenten, Johann Kalliauer, sowie zu den eingebrachten Anträgen und Resolutionen gab es eine intensive Debatte. Insgesamt meldeten sich sieben Vertreter/-innen der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), drei der Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA), zwei des Österreichischen Arbeiternehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (ÖAAB), sowie jeweils einer der Alternativen und Grünen Gewerkschafter/-innen/Unabhängigen Gewerkschafter/-innen (AUGE/UG) sowie des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) zu Wort.
FSG-Fraktionsvorsitzender Andreas Stangl eröffnete die Debatte mit Kritik am freiheitlichen Landtagsabgeordneten und FA-Fraktionsführer in der AK, Rudolf Kroiß. Wenn Kroiß in einer Presseaussendung die AK-Umlage als „Zwangsbeitrag“ bezeichne, stehe das im Widerspruch zu seinem Bekenntnis zur Arbeiterkammer. Wer die AK erhalten wolle, müsse ihre finanzielle Basis sicherstellen.
Gerhard Knoll (FA) betonte, die AK habe in den vergangenen 70 Jahren viele Verbesserungen für die Arbeitnehmer gebracht. Man habe auch nicht Johann Kalliauers Rücktritt als AK-Präsident gefordert, als dieser als Übergangs-Parteivorsitzender der Landes-SPÖ eingesprungen sei. Man müsse aber aufpassen, dass die chaotischen Zustände in der SPÖ nicht auf die AK abfärben.
Rudolf Kroiß (FA) erklärte, er bekenne sich als Fraktionsvorsitzender ganz klar zur Institution Arbeiterkammer. Seine Fraktion hätte die gemeinsame Resolution aller anderen Fraktionen „Ein klares Bekenntnis zur AK“ auch mitgetragen, wenn daraus die Beibehaltung der Umlage in ihrer derzeitigen Form gestrichen worden wäre. Kroiß warb unter anderem für die Resolution „Schutzklausel für den heimischen Arbeitsmarkt“. Es gehe darum, die Arbeitnehmer und den Sozialstaat zu schützen.
Thomas Erlach (GLB) sprach von einer Jammerei der Wirtschaftskammer und kritisierte diese. Er appellierte an die Arbeitnehmer/-innen, sich davon nicht beeindrucken zu lassen, dann würde sie auch ins Leere führen. Außerdem sprach er sich unter anderem gegen Kürzungen bei der Mindestsicherung aus. Diese sei das letzte wichtige soziale Netz und das Minimum, um an der Gesellschaft teilnehmen zu können. Sie solle von der Erwerbstätigkeit abgekoppelt werden.
AUGE/UG-Fraktionsvorsitzender Martin Gstöttner betonte die Wichtigkeit eines klaren Bekenntnisses zur Arbeiterkammer und auch zur AK-Umlage. Massive Kritik äußerte er in diesem Zusammenhang in Richtung der Freiheitlichen Arbeitnehmer, die in ihrer heutigen Presseaussendung auch Einsparungen bei der AK-Umlage forderte. Er appellierte an alle Fraktionen, im Sinne der Arbeitnehmer/-innen in Österreich zusammenzuhalten.
Walter Schopf (FSG) kritisierte die parlamentarischen Anträge der NEOS zu einer Halbierung der Kammerumlage und zur Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft sowie die Zustimmung der Freiheitlichen zu diesen Anträgen. Er sprach von einer Doppelzüngigkeit der Freiheitlichen. Alle Fraktionen der AK Oberösterreich sollten sich nicht nur in der Vollversammlung zur AK bekennen, sondern auch dafür sorgen, dass ihre Fraktion im Parlament ein klares Bekenntnis zur Organisation ausspricht.
Martha Fleschurz (FSG) fragte die Freiheitlichen Arbeitnehmer, die immer wieder „eine sozialdemokratische Übermacht“ in der Arbeiterkammer kritisieren, ob sie sich schon einmal überlegt hätten, dass es in der AK demokratische Wahlen gibt. Für Menschen in Pflegeberufen forderte sie dringend mehr Ressourcen für die Ausbildung und Verbesserungen beim Pflegepersonalschlüssel, der in der aktuellen Form eine optimale Pflege nicht gewährleiste.
Branko Novakovic (FSG) erläuterte den Begriff der „optimalen Pflege“. Das sei eine Pflege, die das beste erreichbare Ergebnis hervorbringe. Der Mindestpersonalschlüssel gewährleiste manchmal nicht einmal eine angemessene Pflege und gehöre daher geändert. Er sprach sich auch für eine Arbeitszeitverkürzung aus und argumentierte, die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit müsse auch gleiche Beiträge und gleiche Sozialleistungen für alle Arbeitnehmer beinhalten, unabhängig von ihrer Herkunft.
AK-Vizepräsidentin Elfriede Schober (FSG) unterstützte die Forderung des ÖAAB für arbeitsrechtliche Verbesserungen für Eltern, die ihr Baby verloren haben, merkte aber an, dass diese – anders als im ÖAAB-Antrag – auch für Väter gelten müssen. Die Freiheitlichen Arbeitnehmer die nun mit Blick auf Zuwanderer gegen Gewalt an Frauen auftreten, erinnerte sie daran, dass die FPÖ mit dem Argument, diese würden Ehen zerstören, gegen Frauenhäuser auftritt. Wer so rede, habe kein Recht, beim Thema Gewalt gegen Frauen die Sozialdemokratischen Frauen zu kritisieren.
Stefan Bauer (FSG) schilderte den schwierigen Berufsalltag in Pflegeheimen. Viele Menschen, die ins Pflegeheim kommen, könnten selbst kleine Handgriffe nicht mehr eigenständig erledigen, das Personal benötige daher pro Bewohner/-in mehr Zeit als früher für die Pflege und Betreuung. Auch der Dokumentationsaufwand sei gestiegen. Das alles widerspiegle sich aber nicht im Mindestpflegepersonalschlüssel. Er forderte einen Pflegepersonalschlüssel, der den Anforderungen entspricht.
Auch Hermann Linkeseder (ÖAAB) verlangte, dass der Mindestpflegepersonalschlüssel der beruflichen Realität angepasst wird. Er bedauere daher, dass die Freiheitlichen Arbeitnehmer der Resolution „Professionelle, optimale Pflege für Beschäftigte und Gepflegte erreichen“ nicht zustimmen wollen.
Franz Bernroitner, Fraktionsvorsitzender des ÖAAB, meinte, dass die derzeitige politische Situation demokratiepolitisch nicht ungefährlich sei und wir uns vor Verführern schützen müssten. Die AK-Vollversammlung müsse ihr Handeln danach richten, was den Arbeitnehmern/-innen guttue, nicht danach, was ausschließlich den Unternehmen zugutekomme. Vor allem bräuchten wir Einkommen, mit denen die Arbeitnehmer/-innen ihr Auskommen finden. Zur Mindestsicherung sagte er, dass ihn störe, dass die Diskussion darüber zunehmend polemisch geführt werde, und dass sie bundesweit einheitlich geregelt gehöre. Außerdem wies er darauf hin, dass prozentuelle Lohnerhöhungen die Niedriglohnbezieher/-innen benachteilige.
Thomas Erlach (GLB) erklärte zur Forderung des Gewerkschaftlichen Linksblocks nach einem Stopp der Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr, es gelte, die Wettbewerbsnachteile des letzteren auszugleichen. Denn die Kosten für den Individualverkehr würden seit einiger Zeit sinken. Der GLB trete gemeinsam mit der AUGE für eine Aufhebung des Bettelverbots ein. Denn niemand bettle aus Jux und Tollerei. Zur Bekämpfung möglicher krimineller Aktivitäten sei das Strafgesetzbuch völlig ausreichend.
Vizepräsident Harald Dietinger (FSG) wandte sich gegen die geplante Kürzung der Mindestsicherung: Diese richte sich gegen die Schwächsten in der Gesellschaft. Es gebe dafür keine sachliche Rechtfertigung. Wenn der Fraktionsvorsitzende der FA, Kroiß, heute die AK-Umlage in Frage stelle, habe er offenbar vergessen, dass er selbst sich bei der Vollversammlung vor einem Jahr klar zur Umlage bekannt und über eine entsprechende Zusage von FPÖ-Bundesparteiobmann Strache berichtet habe. Er, Dietinger, erwarte, dass sich Kroiß an seine damalige Stellungnahme erinnere.
Birgitt Thurner (FA) sagte, sie sei zum ersten Mal in der AK-Vollversammlung und über das Diskussionsniveau entsetzt. FPÖ-Präsidentschaftskandidat Hofer habe nicht die Fristenlösung als solche in Frage gestellt, sondern über Änderungen bei der eugenischen Indikation nachgedacht. Der Resolution zum Thema Pflege würden die Freiheitlichen Arbeitnehmer nicht zustimmen, weil sie zu allgemein gehalten sei.
FSG-Fraktionsvorsitzender Andreas Stangl richtete erneut einen Appell an die Freiheitlichen Arbeitnehmer, die AK endlich außer Streit zu stellen und nicht parteipolitisch zu missbrauchen. Eine Kürzung der AK-Umlage würde die Interessenvertretung der Arbeitnehmer/-innen massiv schwächen und die Sozialpartnerschaft aus dem Gleichgewicht bringen: Denn wenn sich die finanzielle Basis ändere, ändere sich auch das Machtgefüge.
Beschlüsse über Resolutionen und Anträge
Der AK-Vollversammlung lagen 32 Resolutionen und ein Antrag zur Beratung und Beschlussfassung vor. Drei Resolutionen brachten alle in der Vollversammlung vertretenen Gruppierungen gemeinsam ein – die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), der Österreichische Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (ÖAAB), die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA), die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen (AUGE/UG), der Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) und die Liste Perspektive (LP). Je zwei Resolutionen kamen gemeinsam von FSG, ÖAAB, AUGE/UG, GLB und LP sowie gemeinsam von AUGE/UG und GLB. Darüber hinaus legten die FSG elf, der ÖAAB fünf, die FA vier, die AUGE/UG drei und der GLB zwei Resolutionen vor, die LP brachte einen Antrag ein.
Einstimmig angenommen wurden die Resolutionen „Kompetenzen der Arbeitsinspektorate ausbauen“, „Beweislast bei Sozialbetrug umkehren“, „Offene Zeitguthaben bei Insolvenz sichern“ (gemeinsame Resolutionen aller), „Arbeitsmarktchancen durch Höherqualifizierung verbessern“, „Regelung zur Feststellung von Schwerarbeit verbessern“, „Kaufkraft der Pensionen erhalten“, „Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension sowie Reha-neu verbessern“, „Bandbreitenregelung bei der Elternteilzeit korrigieren“ sowie „Zustimmung zu CETA verweigern“ (alle FSG).
Mehrheitlich angenommen wurden die Resolutionen „Klares Bekenntnis zur Arbeiterkammer“, „Professionelle, optimale Pflege für Beschäftigte und Gepflegte erreichen“ (beide FSG, ÖAAB, AUGE/UG, GLB, LP), „Arbeitnehmerförderungen für Aus- und Weiterbildung ausbauen statt OÖ-Bildungskonto kürzen“, „Wohnen muss billiger werden“, „Energiesparförderung im Wohnbau fortsetzen“, „Mindestsicherung nicht verschlechtern“, „Gebühren bei Uni-Aufnahmetest in Kaution umwandeln“ (alle FSG) sowie „Wertsicherung für Stipendien“ (ÖAAB).
Den zuständigen AK-Ausschüssen zur Abklärung und weiteren Behandlung zugewiesen wurden die Resolutionen „Aufhebung des Bettelverbotes“, „Mehr Chancengleichheit im Match ‚Lehre oder Schule‘„ (beide AUGE/UG, GLB), „Früher Tod eines Babys – bessere sozialrechtliche Absicherung“, „Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand weniger attraktiv machen“, „Pensionen: Gerechtigkeit schaffen und Debatte beenden“ (alle ÖAAB), „Verfassungsrechtliche Absicherung des Bargeldes als Zahlungsmittel“, „Schutzklausel für den heimischen Arbeitsmarkt“ (beide FA), „Abfertigung ohne Wenn und Aber, auch bei ‚Fristloser‘‘, „Grundsicherung statt Mindestsicherung“ (beide AUGE/UG), „Mindestsicherung verbessern statt kürzen“, „Tariferhöhungsstopp im öffentlichen Verkehr“ (beide GLB) sowie der Antrag „Kennzeichnung der Zuckermenge in Lebensmitteln“ (LP).
Mehrheitlich abgelehnt wurden die Resolutionen „Öffnen der Lohnschere muss dringend eingedämmt werden“ (ÖAAB), „Bildungsreform-Wahnsinn stoppen – Schulnoten beibehalten“, „Kürzung der Mindestsicherung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte“ (beide FA) sowie „Mindestlohn für Lehrlinge“ (AUGE/UG).
Arbeiterkammer Oberösterreich legt Rechnung: Spitzenleistungen auf Basis solider Finanzen
2015 war für Oberösterreichs Arbeitnehmer/-innen ein sehr schwieriges Jahr. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit stieg der Druck auf die Beschäftigten. Entsprechend viel hatte der AK-Rechtsschutz wieder zu tun: In mehr als 308.000 Fällen konnte die AK ihren Mitgliedern Hilfe und Unterstützung bieten. Dabei erkämpfte sie die Summe von 85 Millionen Euro.
Bei einem mittleren Einkommen lag der Mitgliedsbeitrag der AK Oberösterreich 2014 bei 6,82 Euro netto pro Monat. Die Zahl der Mitglieder ist im Vorjahr auf 635.000 gestiegen. Rund ein Fünftel davon zahlt keine Beiträge. Die Einnahmen aus der Kammerumlage betrugen im Vorjahr 75,4 Millionen Euro.
Der größte Teil des Geldes wurde erneut für Arbeits- und Sozialrechtsberatung, für Konsumentenberatung sowie für Bildung aufgewendet. Rund 85 Millionen Euro hat die AK 2015 in Arbeitsrechts- oder Insolvenzverfahren für Mitglieder erkämpft.
Neue und noch bessere Leistungen
„Die Arbeiterkammer arbeitet ständig am Ausbau und an der Optimierung ihres Leistungsangebotes“, sagt AK-Direktor Dr. Josef Moser, MBA. Beispielsweise wurde die AK-Homepage noch benutzerfreundlicher gestaltet und unter anderem um einen Pensionsrechner für Frauen ergänzt. Rund 3,9 Millionen Internet-Zugriffe verzeichnete die AK Oberösterreich im Vorjahr – ein neuer Rekord. 9.100 Mitglieder haben 2015 den AK-Bildungsbonus zur Unterstützung beruflicher Bildungsmaßnahmen in Anspruch genommen.
Zu den Kernaufgaben der Arbeiterkammer gehört auch die Informationsarbeit: Mit zahlreichen Berichten und Analysen wie dem Arbeitsklimaindex, dem Frauenmonitor und dem Schwarzbuch Arbeitswelt meldet sie sich immer wieder öffentlich zu Wort.
AK-Investitionen sichern Arbeitsplätze
„Gerade in schwierigen Zeiten brauchen unsere Mitglieder Leistungen in Spitzenqualität. Diese Leistungen beruhen auf soliden Finanzen“, betont AK-Direktor Moser. „Solide Finanzen ermöglichen aber auch notwendige Investitionen: Derzeit wird das AK-Bildungshaus Jägermayrhof generalsaniert und in Traun eine neue Bezirksstelle für Linz-Land gebaut, damit wir noch näher bei den Mitgliedern sind. Die Investitionssumme von insgesamt 15 Millionen Euro trägt zur Sicherung vieler heimischer Arbeitsplätze bei.“
Heute, am 11. Mai, legte der AK-Direktor den Mitgliedern der AK-Vollversammlung – also dem Arbeitnehmerparlament – den Rechnungsabschluss 2015 vor. Er wurde von der AK-Vollversammlung einstimmig genehmigt.
Bericht als Zusammenfassung der Aussendungen der AK-Kommunikation.
Der 11. Mai 1946 war ein denkwürdiger Tag für die oberösterreichischen Arbeitnehmer/-innen: Heute vor genau 70 Jahren konstituierte sich die erste Vollversammlung der Arbeiterkammer Oberösterreich in der II. Republik. In einem Festakt gedachte die AK der Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sozialminister Alois Stöger, Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Thomas Stelzer, der Linzer Bürgermeister MMag. Klaus Luger und AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer widmeten sich in ihren Statements den künftigen Herausforderungen an die Beschäftigten und die Arbeitnehmervertretungen. Auch der emeritierte Bischof Dr. Maximilian Aichern nahm am Festakt teil.
Die erste Sitzung fand im Alten Rathaus in Linz statt, weil das AK-Gebäude nach dem Krieg in Schutt und Asche lag und erst später wiederaufgebaut wurde. Die folgenden 70 Jahre waren nach Ansicht aller vier Redner eine Erfolgsgeschichte für die oberösterreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Schutz der Beschäftigten, das Arbeitsrecht und der Konsumentenschutz wurden auf Basis der Expertise der AK ausgebaut. Die Mitglieder erhalten bei der AK kostenloses Know-How und bei Bedarf auch kostenlose Rechtsvertretung durch anerkannte Top-Juristinnen/-en. Und die österreichische Form der Sozialpartnerschaft hat wesentlichen Anteil daran, dass Österreich zu den zehn wirtschaftlich reichsten Ländern der Erde gehört.
Erinnert wurde auch an heute selbstverständliche Leistungen wie Sozialversicherung, Lehrlingsausbildung, Mitbestimmung in den Betrieben, Karenzgeld, 40-Stunden-Woche, Gleichbehandlungsgesetz und den Schutz von Leiharbeitskräften.
Kern der Referate war aber die Zukunft der Arbeitnehmer/-innen und der AK: „Die guten Imagewerte der AK sind für uns keine Ruhekissen, sondern ganz im Gegenteil ein Auftrag noch besser zu werden“, so AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer. „Denn in ganz Europa werden Arbeitnehmervertretungen in Frage gestellt und große Institutionen in Zweifel gezogen.“ Künftig werde es einen Kampf zwischen Verteilungsgerechtigkeit und Kapitalkonzentration geben, einen Kampf um Steuergerechtigkeit und einen massiven Strukturwandel in der Wirtschaft – Stichwort Industrie 4.0. „Das ist sicher die zentrale Herausforderung. Wir wollen diesen Prozess positiv begleiten und auch die Chancen und Möglichkeiten dieser Entwicklung sehen“, betonte Kalliauer.
Bürgermeister MMag. Klaus Luger sieht in der Geschichte der Arbeiterkammer eine Erfolgsgeschichte der Emanzipation der Arbeitnehmer/-innen, des Wohlfahrtsstaates und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Er halte das Bekenntnis der AK zum Industriestandort für sehr wichtig und dankte für die Kooperationen zwischen Stadt und AK. Als zentrale Themen für die Zukunft sieht er zum einen die Verteilungsgerechtigkeit und zum anderen den Zusammenhalt in der Gesellschaft, „der ja unübersehbar gefährdet ist“, so Luger.
Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Thomas Stelzer zollte der AK viel Lob: „Danke für die Errungenschaften. Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der AK.“ Kritisch merkte er – so wie AK-Präsident Dr. Kalliauer – an, dass Institutionen mit Vertrauensproblemen zu kämpfen hätten, es aber gleichzeitig hohe Erwartungshaltungen an diese gebe. Die zentrale Frage für die Zukunft wird sein: „Wovon sollen wir leben? Gibt es ausreichend Arbeit, die Lebensgrundlage ist und Sinn stiftet?“ Und er hob ein gemeinsames Interesse von Arbeiterkammer und Land Oberösterreich hervor: „Oberösterreich soll weiter ein chancen- und perspektivenreiches Land mit möglichst breitem Wohlstand sein.“
Sozialminister Alois Stöger, der ja mit der AK Oberösterreich und ihrer Entwicklung eng verbunden ist, schilderte viele persönliche Erinnerungen – etwa als er als Gewerkschaftssekretär bei den Betriebsschließungen von Philips in Gmunden oder Redtenbacher in Scharnstein von der AK große Unterstützung für die Beschäftigten bekam. Sein Blick in die Zukunft sei von derzeit 425.000 Menschen ohne Arbeit geprägt: „Die Wirtschaft ist derzeit dadurch gekennzeichnet, dass nicht investiert wird. In ganz Europa ist die Investitionsbremse angezogen.“ Außerdem wollten neoliberale Gruppierungen mit ihrer Politik die Arbeitnehmer/-innen schwächen. Für die Zukunft gäbe es viel zu tun – Herausforderungen seien die Arbeitszeit, die Arbeitsmarktpolitik, die Pensionen, die Bildung, die Mobilität und die Rolle neuer unselbständiger Arbeitsformen. „Nur was sich ändert, hat Bestand“, so sein Motto. Und sein Wunsch an die Zukunft: „Mehr Gerechtigkeit in einer solidarischen Gesellschaft.“
AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer: Die Angstmache der Wirtschaftsvertreter verunsichert die Beschäftigten
Bei seiner heutigen Rede zur Vollversammlung der AK Oberösterreich konterte AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer all jenen Vertretern/-innen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sowie selbsternannten Experten/-innen, die vom „abgesandelten Standort“ sprechen und sowohl Unternehmen, als auch die Arbeitnehmer/-innen verunsichern – und damit das Ziel verfolgen, das Sozialsystem zu zerstören. „Angst ist keine Triebfeder für Innovation, Investition oder Konsumation. Darum wird es Zeit, den Menschen die Angst und die Sorge um den Job zu nehmen“, fordert der AK-Präsident.
Bundesweit fehlen 400.000 Jobs, in Oberösterreich 50.000. „Wer immer noch behauptet, dass jeder, der arbeiten will, auch Arbeit bekommt, ist nicht nur zynisch, sondern unmenschlich und unsozial“, sagt Kalliauer. Die AK habe bereits vielfältige Vorschläge gemacht, wie etwa das Bonus-Malus-System, verschiedene Konjunkturpakete oder die Aufstockung der Geldmittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Bis jetzt ist aber auf Bundes- und Landesebene zu wenig geschehen. Die Folge ist fast logisch: Obwohl die Beschäftigung wächst, steigt die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhen und das gesamte Arbeitsvolumen sinkt. Um die Arbeitslosigkeit nachhaltig und spürbar zu senken, wäre ein höheres Wirtschaftswachstum nötig. „Die Prognosen sagen etwas Anderes voraus. Darum ist es umso wichtiger, die vorhandene Arbeit gerechter zu verteilen“, erklärt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer.
Im Sinkflug befindet sich auch die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten. Das zeigt der Arbeitsklima Index der AK Oberösterreich. Ausgelöst und verstärkt wird die schlechte Stimmung durch unnötige Propaganda und Angstmache der Wirtschaft. Der Standort sei abgesandelt, verkündete WK-Präsident Leitl und viele Funktionäre/-innen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung wiederholen permanent die alte Leier von der überbordenden Bürokratie oder den hohen Lohnnebenkosten. „Damit verunsichern die Interessenvertretungen nicht nur die Arbeitnehmer/-innen, sondern auch viele kleine und mittlere Betriebe. Die Beschäftigten haben Angst um den Job, sind unzufrieden mit ihrer sozial- und arbeitsrechtlichen Stellung im Betrieb und sie spüren die Diskrepanz zwischen ihren eigentlichen Rechten und dem, was im Betrieb gelebt wird“, erklärt der AK-Präsident.
Zur Sprache brachte der AK-Präsident auch die Verteilungsfrage: Immer mehr Beschäftigte kommen mit ihrem Einkommen nicht aus. Obwohl der Mindestlohn von 1.500 Euro fast flächendeckend umgesetzt wurde, verdienen immer noch zehn Prozent der Vollzeitbeschäftigten weniger als 1.500 Euro. Mehr als ein Viertel verdient weniger als 1.700 Euro – das sind 1.310 Euro netto. „Von einem würdigen Leben kann keine Rede sein, wenn jemand um die 1.000 Euro zur Verfügung hat und damit alles bezahlen muss. Und wenn manchen dann nichts Besseres einfällt, als die Mindestsicherung zu kürzen, dann dürfen wir uns das nicht gefallen lassen“, sagt Kalliauer.
Dabei kann sich die Wirtschaft sehr wohl höhere Löhne und Gehälter leisten: Laut AK-Wertschöpfungsbarometer werden in den analysierten Betrieben jedes Jahr pro Mitarbeiter rund 14.500 Euro an die Aktionäre/-innen ausgeschüttet. Die Höhe der Ausschüttungen steigt dreimal zu schnell wie jene der Löhne und Gehälter. „Die Unternehmen haben also Spielraum genug, insbesondere niedrige Löhne spürbar zu erhöhen“, sagt AK-Präsident Kalliauer. Im Grunde gehe es den Wirtschaftsvertretern/-innen und selbsternannten Experten/-innen aber ohnehin nur um eines: den Abbau von Sozialleistungen auf Kosten der Ärmsten. „Das müssen wir verhindern! Wenn wir uns auch künftig ein gutes Gesundheitssystem, Bildung für unsere Kinder, ein existenzsicherndes Sozialsystem und unsere Sicherheit leisten wollen, müssen alle etwas dazu beitragen, auch die Unternehmer“, sagt der AK-Präsident.
Die Debattenbeiträge bei der AK-Vollversammlung
Zum vierten Mal in dieser Funktionsperiode tagte heute die Vollversammlung der Arbeiterkammer Oberösterreich. Zum Referat des Präsidenten, Johann Kalliauer, sowie zu den eingebrachten Anträgen und Resolutionen gab es eine intensive Debatte. Insgesamt meldeten sich sieben Vertreter/-innen der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), drei der Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA), zwei des Österreichischen Arbeiternehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (ÖAAB), sowie jeweils einer der Alternativen und Grünen Gewerkschafter/-innen/Unabhängigen Gewerkschafter/-innen (AUGE/UG) sowie des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) zu Wort.
FSG-Fraktionsvorsitzender Andreas Stangl eröffnete die Debatte mit Kritik am freiheitlichen Landtagsabgeordneten und FA-Fraktionsführer in der AK, Rudolf Kroiß. Wenn Kroiß in einer Presseaussendung die AK-Umlage als „Zwangsbeitrag“ bezeichne, stehe das im Widerspruch zu seinem Bekenntnis zur Arbeiterkammer. Wer die AK erhalten wolle, müsse ihre finanzielle Basis sicherstellen.
Gerhard Knoll (FA) betonte, die AK habe in den vergangenen 70 Jahren viele Verbesserungen für die Arbeitnehmer gebracht. Man habe auch nicht Johann Kalliauers Rücktritt als AK-Präsident gefordert, als dieser als Übergangs-Parteivorsitzender der Landes-SPÖ eingesprungen sei. Man müsse aber aufpassen, dass die chaotischen Zustände in der SPÖ nicht auf die AK abfärben.
Rudolf Kroiß (FA) erklärte, er bekenne sich als Fraktionsvorsitzender ganz klar zur Institution Arbeiterkammer. Seine Fraktion hätte die gemeinsame Resolution aller anderen Fraktionen „Ein klares Bekenntnis zur AK“ auch mitgetragen, wenn daraus die Beibehaltung der Umlage in ihrer derzeitigen Form gestrichen worden wäre. Kroiß warb unter anderem für die Resolution „Schutzklausel für den heimischen Arbeitsmarkt“. Es gehe darum, die Arbeitnehmer und den Sozialstaat zu schützen.
Thomas Erlach (GLB) sprach von einer Jammerei der Wirtschaftskammer und kritisierte diese. Er appellierte an die Arbeitnehmer/-innen, sich davon nicht beeindrucken zu lassen, dann würde sie auch ins Leere führen. Außerdem sprach er sich unter anderem gegen Kürzungen bei der Mindestsicherung aus. Diese sei das letzte wichtige soziale Netz und das Minimum, um an der Gesellschaft teilnehmen zu können. Sie solle von der Erwerbstätigkeit abgekoppelt werden.
AUGE/UG-Fraktionsvorsitzender Martin Gstöttner betonte die Wichtigkeit eines klaren Bekenntnisses zur Arbeiterkammer und auch zur AK-Umlage. Massive Kritik äußerte er in diesem Zusammenhang in Richtung der Freiheitlichen Arbeitnehmer, die in ihrer heutigen Presseaussendung auch Einsparungen bei der AK-Umlage forderte. Er appellierte an alle Fraktionen, im Sinne der Arbeitnehmer/-innen in Österreich zusammenzuhalten.
Walter Schopf (FSG) kritisierte die parlamentarischen Anträge der NEOS zu einer Halbierung der Kammerumlage und zur Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft sowie die Zustimmung der Freiheitlichen zu diesen Anträgen. Er sprach von einer Doppelzüngigkeit der Freiheitlichen. Alle Fraktionen der AK Oberösterreich sollten sich nicht nur in der Vollversammlung zur AK bekennen, sondern auch dafür sorgen, dass ihre Fraktion im Parlament ein klares Bekenntnis zur Organisation ausspricht.
Martha Fleschurz (FSG) fragte die Freiheitlichen Arbeitnehmer, die immer wieder „eine sozialdemokratische Übermacht“ in der Arbeiterkammer kritisieren, ob sie sich schon einmal überlegt hätten, dass es in der AK demokratische Wahlen gibt. Für Menschen in Pflegeberufen forderte sie dringend mehr Ressourcen für die Ausbildung und Verbesserungen beim Pflegepersonalschlüssel, der in der aktuellen Form eine optimale Pflege nicht gewährleiste.
Branko Novakovic (FSG) erläuterte den Begriff der „optimalen Pflege“. Das sei eine Pflege, die das beste erreichbare Ergebnis hervorbringe. Der Mindestpersonalschlüssel gewährleiste manchmal nicht einmal eine angemessene Pflege und gehöre daher geändert. Er sprach sich auch für eine Arbeitszeitverkürzung aus und argumentierte, die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit müsse auch gleiche Beiträge und gleiche Sozialleistungen für alle Arbeitnehmer beinhalten, unabhängig von ihrer Herkunft.
AK-Vizepräsidentin Elfriede Schober (FSG) unterstützte die Forderung des ÖAAB für arbeitsrechtliche Verbesserungen für Eltern, die ihr Baby verloren haben, merkte aber an, dass diese – anders als im ÖAAB-Antrag – auch für Väter gelten müssen. Die Freiheitlichen Arbeitnehmer die nun mit Blick auf Zuwanderer gegen Gewalt an Frauen auftreten, erinnerte sie daran, dass die FPÖ mit dem Argument, diese würden Ehen zerstören, gegen Frauenhäuser auftritt. Wer so rede, habe kein Recht, beim Thema Gewalt gegen Frauen die Sozialdemokratischen Frauen zu kritisieren.
Stefan Bauer (FSG) schilderte den schwierigen Berufsalltag in Pflegeheimen. Viele Menschen, die ins Pflegeheim kommen, könnten selbst kleine Handgriffe nicht mehr eigenständig erledigen, das Personal benötige daher pro Bewohner/-in mehr Zeit als früher für die Pflege und Betreuung. Auch der Dokumentationsaufwand sei gestiegen. Das alles widerspiegle sich aber nicht im Mindestpflegepersonalschlüssel. Er forderte einen Pflegepersonalschlüssel, der den Anforderungen entspricht.
Auch Hermann Linkeseder (ÖAAB) verlangte, dass der Mindestpflegepersonalschlüssel der beruflichen Realität angepasst wird. Er bedauere daher, dass die Freiheitlichen Arbeitnehmer der Resolution „Professionelle, optimale Pflege für Beschäftigte und Gepflegte erreichen“ nicht zustimmen wollen.
Franz Bernroitner, Fraktionsvorsitzender des ÖAAB, meinte, dass die derzeitige politische Situation demokratiepolitisch nicht ungefährlich sei und wir uns vor Verführern schützen müssten. Die AK-Vollversammlung müsse ihr Handeln danach richten, was den Arbeitnehmern/-innen guttue, nicht danach, was ausschließlich den Unternehmen zugutekomme. Vor allem bräuchten wir Einkommen, mit denen die Arbeitnehmer/-innen ihr Auskommen finden. Zur Mindestsicherung sagte er, dass ihn störe, dass die Diskussion darüber zunehmend polemisch geführt werde, und dass sie bundesweit einheitlich geregelt gehöre. Außerdem wies er darauf hin, dass prozentuelle Lohnerhöhungen die Niedriglohnbezieher/-innen benachteilige.
Thomas Erlach (GLB) erklärte zur Forderung des Gewerkschaftlichen Linksblocks nach einem Stopp der Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr, es gelte, die Wettbewerbsnachteile des letzteren auszugleichen. Denn die Kosten für den Individualverkehr würden seit einiger Zeit sinken. Der GLB trete gemeinsam mit der AUGE für eine Aufhebung des Bettelverbots ein. Denn niemand bettle aus Jux und Tollerei. Zur Bekämpfung möglicher krimineller Aktivitäten sei das Strafgesetzbuch völlig ausreichend.
Vizepräsident Harald Dietinger (FSG) wandte sich gegen die geplante Kürzung der Mindestsicherung: Diese richte sich gegen die Schwächsten in der Gesellschaft. Es gebe dafür keine sachliche Rechtfertigung. Wenn der Fraktionsvorsitzende der FA, Kroiß, heute die AK-Umlage in Frage stelle, habe er offenbar vergessen, dass er selbst sich bei der Vollversammlung vor einem Jahr klar zur Umlage bekannt und über eine entsprechende Zusage von FPÖ-Bundesparteiobmann Strache berichtet habe. Er, Dietinger, erwarte, dass sich Kroiß an seine damalige Stellungnahme erinnere.
Birgitt Thurner (FA) sagte, sie sei zum ersten Mal in der AK-Vollversammlung und über das Diskussionsniveau entsetzt. FPÖ-Präsidentschaftskandidat Hofer habe nicht die Fristenlösung als solche in Frage gestellt, sondern über Änderungen bei der eugenischen Indikation nachgedacht. Der Resolution zum Thema Pflege würden die Freiheitlichen Arbeitnehmer nicht zustimmen, weil sie zu allgemein gehalten sei.
FSG-Fraktionsvorsitzender Andreas Stangl richtete erneut einen Appell an die Freiheitlichen Arbeitnehmer, die AK endlich außer Streit zu stellen und nicht parteipolitisch zu missbrauchen. Eine Kürzung der AK-Umlage würde die Interessenvertretung der Arbeitnehmer/-innen massiv schwächen und die Sozialpartnerschaft aus dem Gleichgewicht bringen: Denn wenn sich die finanzielle Basis ändere, ändere sich auch das Machtgefüge.
Beschlüsse über Resolutionen und Anträge
Der AK-Vollversammlung lagen 32 Resolutionen und ein Antrag zur Beratung und Beschlussfassung vor. Drei Resolutionen brachten alle in der Vollversammlung vertretenen Gruppierungen gemeinsam ein – die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), der Österreichische Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (ÖAAB), die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA), die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen (AUGE/UG), der Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) und die Liste Perspektive (LP). Je zwei Resolutionen kamen gemeinsam von FSG, ÖAAB, AUGE/UG, GLB und LP sowie gemeinsam von AUGE/UG und GLB. Darüber hinaus legten die FSG elf, der ÖAAB fünf, die FA vier, die AUGE/UG drei und der GLB zwei Resolutionen vor, die LP brachte einen Antrag ein.
Einstimmig angenommen wurden die Resolutionen „Kompetenzen der Arbeitsinspektorate ausbauen“, „Beweislast bei Sozialbetrug umkehren“, „Offene Zeitguthaben bei Insolvenz sichern“ (gemeinsame Resolutionen aller), „Arbeitsmarktchancen durch Höherqualifizierung verbessern“, „Regelung zur Feststellung von Schwerarbeit verbessern“, „Kaufkraft der Pensionen erhalten“, „Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension sowie Reha-neu verbessern“, „Bandbreitenregelung bei der Elternteilzeit korrigieren“ sowie „Zustimmung zu CETA verweigern“ (alle FSG).
Mehrheitlich angenommen wurden die Resolutionen „Klares Bekenntnis zur Arbeiterkammer“, „Professionelle, optimale Pflege für Beschäftigte und Gepflegte erreichen“ (beide FSG, ÖAAB, AUGE/UG, GLB, LP), „Arbeitnehmerförderungen für Aus- und Weiterbildung ausbauen statt OÖ-Bildungskonto kürzen“, „Wohnen muss billiger werden“, „Energiesparförderung im Wohnbau fortsetzen“, „Mindestsicherung nicht verschlechtern“, „Gebühren bei Uni-Aufnahmetest in Kaution umwandeln“ (alle FSG) sowie „Wertsicherung für Stipendien“ (ÖAAB).
Den zuständigen AK-Ausschüssen zur Abklärung und weiteren Behandlung zugewiesen wurden die Resolutionen „Aufhebung des Bettelverbotes“, „Mehr Chancengleichheit im Match ‚Lehre oder Schule‘„ (beide AUGE/UG, GLB), „Früher Tod eines Babys – bessere sozialrechtliche Absicherung“, „Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand weniger attraktiv machen“, „Pensionen: Gerechtigkeit schaffen und Debatte beenden“ (alle ÖAAB), „Verfassungsrechtliche Absicherung des Bargeldes als Zahlungsmittel“, „Schutzklausel für den heimischen Arbeitsmarkt“ (beide FA), „Abfertigung ohne Wenn und Aber, auch bei ‚Fristloser‘‘, „Grundsicherung statt Mindestsicherung“ (beide AUGE/UG), „Mindestsicherung verbessern statt kürzen“, „Tariferhöhungsstopp im öffentlichen Verkehr“ (beide GLB) sowie der Antrag „Kennzeichnung der Zuckermenge in Lebensmitteln“ (LP).
Mehrheitlich abgelehnt wurden die Resolutionen „Öffnen der Lohnschere muss dringend eingedämmt werden“ (ÖAAB), „Bildungsreform-Wahnsinn stoppen – Schulnoten beibehalten“, „Kürzung der Mindestsicherung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte“ (beide FA) sowie „Mindestlohn für Lehrlinge“ (AUGE/UG).
Arbeiterkammer Oberösterreich legt Rechnung: Spitzenleistungen auf Basis solider Finanzen
2015 war für Oberösterreichs Arbeitnehmer/-innen ein sehr schwieriges Jahr. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit stieg der Druck auf die Beschäftigten. Entsprechend viel hatte der AK-Rechtsschutz wieder zu tun: In mehr als 308.000 Fällen konnte die AK ihren Mitgliedern Hilfe und Unterstützung bieten. Dabei erkämpfte sie die Summe von 85 Millionen Euro.
Bei einem mittleren Einkommen lag der Mitgliedsbeitrag der AK Oberösterreich 2014 bei 6,82 Euro netto pro Monat. Die Zahl der Mitglieder ist im Vorjahr auf 635.000 gestiegen. Rund ein Fünftel davon zahlt keine Beiträge. Die Einnahmen aus der Kammerumlage betrugen im Vorjahr 75,4 Millionen Euro.
Der größte Teil des Geldes wurde erneut für Arbeits- und Sozialrechtsberatung, für Konsumentenberatung sowie für Bildung aufgewendet. Rund 85 Millionen Euro hat die AK 2015 in Arbeitsrechts- oder Insolvenzverfahren für Mitglieder erkämpft.
Neue und noch bessere Leistungen
„Die Arbeiterkammer arbeitet ständig am Ausbau und an der Optimierung ihres Leistungsangebotes“, sagt AK-Direktor Dr. Josef Moser, MBA. Beispielsweise wurde die AK-Homepage noch benutzerfreundlicher gestaltet und unter anderem um einen Pensionsrechner für Frauen ergänzt. Rund 3,9 Millionen Internet-Zugriffe verzeichnete die AK Oberösterreich im Vorjahr – ein neuer Rekord. 9.100 Mitglieder haben 2015 den AK-Bildungsbonus zur Unterstützung beruflicher Bildungsmaßnahmen in Anspruch genommen.
Zu den Kernaufgaben der Arbeiterkammer gehört auch die Informationsarbeit: Mit zahlreichen Berichten und Analysen wie dem Arbeitsklimaindex, dem Frauenmonitor und dem Schwarzbuch Arbeitswelt meldet sie sich immer wieder öffentlich zu Wort.
AK-Investitionen sichern Arbeitsplätze
„Gerade in schwierigen Zeiten brauchen unsere Mitglieder Leistungen in Spitzenqualität. Diese Leistungen beruhen auf soliden Finanzen“, betont AK-Direktor Moser. „Solide Finanzen ermöglichen aber auch notwendige Investitionen: Derzeit wird das AK-Bildungshaus Jägermayrhof generalsaniert und in Traun eine neue Bezirksstelle für Linz-Land gebaut, damit wir noch näher bei den Mitgliedern sind. Die Investitionssumme von insgesamt 15 Millionen Euro trägt zur Sicherung vieler heimischer Arbeitsplätze bei.“
Heute, am 11. Mai, legte der AK-Direktor den Mitgliedern der AK-Vollversammlung – also dem Arbeitnehmerparlament – den Rechnungsabschluss 2015 vor. Er wurde von der AK-Vollversammlung einstimmig genehmigt.
Bericht als Zusammenfassung der Aussendungen der AK-Kommunikation.