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Steigende Teuerung im Mittelpunkt

  • Dienstag, 24. Mai 2022 @ 18:00
OÖ
Inhaltlicher Schwerpunkt der 7. Vollversammlung der oö Arbeiterkammer am 24. Mai 2022 war ein Referat von Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter des Ars Electronica Center Linz, zum Thema Digitalisierung. Stocker zeigte anschaulich die Steigerung von Effizienz und Produktivität sowie die gesellschaftliche Dimension, aber auch die negativen Auswirkungen der Digitalisierung auf. In der Debatte konstatierte AK-Rat Thomas Erlach (GLB), dass die technischen Fähigkeiten hinter den sozialen zurückbleiben und Demokratie nicht per se von der Technik unterstützt wird. Daher müssten sich die Lohnabhängigen selbst für bessere Lebensbedingungen engagieren und dürften dies nicht der Wirtschaft überlassen.

In seinem Bericht bilanzierte AK-Präsident Andreas Stangl (FSG) nach 40 Betriebsbesuchen seit seinem Amtsantritt angesichts multipler Krisen massive Zukunftsängste der Lohnabhängigen und verlangte wirksame Maßnahmen der Regierung gegen die explodierende Teuerung.

GLB-Kammerrat Erlach meinte in der Debatte, die Regierung sei säumig und wolle nichts gegen die Teuerung tun. Daher fordere der GLB amtliche Preisregelungen, die sofort möglich seien. Die Steuerreform von schwarz-grün sei weder ökologisch noch sozial, sondern eine Mogelpackung und ein Wohlstandskiller. Mehr Angebote für Öffis seien notwendig: „Es geht nicht, dass die ÖBB Passagiere ohne Platzreservierung aus dem Zug wirft, wir fordern eine Beförderungsgarantie beim Klimaticket.“

Einmal mehr kritisierte Erlach, dass im Gesundheits- und Sozialbereich von der Politik Mindeststandards als Obergrenze angenommen werden. Notwendig seien höhere Einkommen, mehr Personal und eine Arbeitszeitverkürzung. Die auch von Stangl kritisierte geplante Digital-TU Linz gehe am öffentlichen System vorbei, sie entspreche den Phantasien von Wirtschaftskammer und Industrie nach Gutsherrenart um demokratischen Einfluss zu vermeiden.

Bei der Debatte über die 27 Anträge (2 Gemeinsam, 11 FSG, 5 FCG, 4 FA, 3 AUGE, 2 GLB) kritisierte Erlach, dass die FSG-Mehrheit bislang nur drei Resolutionen des GLB zugestimmt hatte und glaube das Monopol auf gute Ideen zu haben. Zu Anträgen der anderen Fraktionen fordert AK-Rat Erlach einen Mietendeckel, jährliche Anpassung der Sozialleistungen an die Inflation und Schwerarbeitspension auch im Gesundheits- und Sozialbereich. Die Resolutionen des GLB für amtliche Preisregelungen und mehr Kassenarztstellen wurden einem Ausschuss zugewiesen.

Die Anträge des GLB im Wortlaut:

Resolution 1: Teuerung stoppen – Preise regulieren!

Die Inflation erreicht in Österreich von Monat zu Monat neue Rekordwerte. Zuletzt lag sie im April 2022 bereits bei 7,2 Prozent. Die Entwicklung der Löhne, Pensionen und Sozialleistungen hält damit längst nicht mehr Schritt. Immer mehr Menschen bekommen massive finanzielle Probleme und können grundlegende Bedürfnisse nicht mehr befriedigen.

Es braucht dringend Maßnahmen, um die Inflation einzubremsen. Dabei ist klar, wo die Profiteure der aktuellen Entwicklung sitzen. Es sind unter anderem die Mineralöl- und Stromkonzerne und deren Aktionär*innen. Die derzeitige Entwicklung widerlegt eindrucksvoll, dass Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung zu niedrigeren Preisen und einem besseren Lebensstandard führen würden.

Die Treibstoffpreise sind an den Zapfsäulen weitaus rascher gestiegen als die Rohölpreise. Die Gewinne der Mineralölkonzerne explodieren. Auch die Elektrizitätswirtschaft kann sich über Rekordgewinne freuen. Der 1988 teilprivatisierte Verbundkonzern peilt im heurigen Jahr einen Nettogewinn von bis zu 2 Milliarden Euro an. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 lag dieser noch bei rund 300 Millionen Euro, der Umsatz lediglich bei 2,9 Milliarden Euro.

Stolz verkündet der Verbund, dass rund 95 Prozent des erzeugten Stroms aus Wasser- und Windkraft stammen. Die Kosten der Stromerzeugung sind durch gestiegen Erdgaspreise als nahezu nicht beeinflusst. Dennoch bestimmt der minimale Anteil von Stromerzeugung aus Erdgas – nach dieser Marktlogik – die Strompreise für die privaten Haushalte. Das geschieht, obwohl die Stromkund*innen mit der Ökostromabgabe den Ausbau der erneuerbaren Energieträger selbst großzügig fördern mussten.

Während sich die Preisbildung in Österreich nun an den maximalen Profitmöglichkeiten für die Konzerne orientiert, gibt es durchaus verschiedene Länder, wie zum Beispiel Slowenien, die dazu übergegangen sind Preise staatlich zu regeln.

Des Weiteren braucht es in den nächsten Monaten und Jahren eine aktive Lohnpolitik. Eine Lohn-Preis-Spirale gibt es definitiv nicht. Es ist genau umgekehrt, die Preise steigen zuerst und entwerten die Löhne. Ebenso braucht es eine Inflationsanpassung von Sozialleistungen.

Die 7. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich fordert daher die österreichische Bundesregierung dazu auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die aus dem Ruder gelaufene Inflation einzubremsen und die explodierenden Gewinne der großen Konzernen zu begrenzen. Diese Maßnahmen müssen eine Regulierung der Preise für Energie, Treibstoffe, Wohnen und Grundnahrungsmittel beinhalten.

Resolution 2: Versicherte haben Anspruch auf ausreichende Kassenarztstellen

Aktuell sind bundesweit 10.944 Wahlärzte – die laut Sozialversicherung aber nur acht Prozent der medizinischen Leistungen erbringen – hingegen nur 8.341 Kassenärzte tätig (Presse, 17.4.2022). Die seinerzeit mit einer angeblichen „Ärzteschwemme“ begründete Einführung des Wahlarztsystems hat zu einer Ausdünnung der Kassenarztstellen geführt. Das Ergebnis sind viele unbesetzte Kassenarztstellen und lange Wartezeiten auf Behandlungstermine. Mit Stichtag 1. Jänner 2022 waren allein in Oberösterreich 71 Kassenarztstellen vakant, in der Zahnmedizin waren 26 von 382 Kassenstellen unbesetzt (OÖN, 11.3.2022).

Somit werden Versicherte zunehmend gezwungen auf eigene Kosten Wahlärzte in Anspruch zu nehmen, die für Behandlungen deutlich mehr als den Kassenarzttarif verlangen. Bekanntlich erhalten Versicherte dabei maximal 80 Prozent des Kassenarzthonorars – vielfach mit einer Verzögerung bis zu zehn Monaten (Kronenzeitung, 15.8.2021) – rückerstattet, was auch durch die Möglichkeit der Geltendmachung im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs nicht ausgeglichen wird. Das bedeutet im Klartext eine schleichende Privatisierung sowie einen Trend zu einer Zweiklassengesellschaft im Gesundheitswesen.

Das Argument, 20 Prozent wegen erhöhten Verwaltungsaufwandes nicht rückerstatten zu können ist fadenscheinig, da die Kassen bekanntlich auch für die Verrechnung mit den Kassenärzten einen Verwaltungsaufwand haben. Die Meinung von Ärztekammer-Vizepräsidentin Claudia Westreicher Wahlärzte würden „das System finanziell entlasten“ ist purer Zynismus, weil diese „Entlastung“ auf Kosten der Patient*innen erfolgt (OÖN, 7.4.2022)

Die Kassen verursachen eine „mangelnde Attraktivität dieses Systems“ (O-Ton Westreicher), weil sie mit rigorose Regelungen arbeiten, nämlich zu geringe Kostenersätze oder Limits bei Behandlungen bei deren Überschreitung ohne Kostenersatz behandelt werden muss. Dies alles führt dazu, dass ausgebildete Mediziner*innen (sofern sie nicht in Krankenhäusern arbeiten oder wegen besserer Verdienste ins Ausland gehen) sich gar nicht erst um Kassenstellen bemühen, sondern die für sie günstigere Form als Wahlärzt*innen vorziehen.

ÖGK-Vorstand Andreas Huss weist zu Recht darauf hin, dass die öffentliche Hand ein Studium der Medizin mit rund 600.000 Euro mitfinanziert und damit auch eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft besteht, etwa dass sich Studierende verpflichten nach Abschluss mehrere Jahre eine Kassenarztstelle zu übernehmen. Äußerungen wie von Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer, der eine Verpflichtung eine Zeitlang in öffentlichen Spitälern zu arbeiten als „Versklavung“ (OÖN, 3.5.2022) bezeichnet sind scharf zurückzuweisen.

Auch die Schaffung medizinischer Zentren stockt. Von den bis Ende 2021 bundesweit geplanten 75 medizinischen Primärversorgungszentren gibt es bis dato nicht einmal die Hälfte. Dabei haben solche Zentren den Vorteil, dass an einem Ort neben Allgemein- und Fachmedizin verschiedener Richtungen auch Therapie, Sozialarbeit, Labors etc. konzentriert sind und sich Patient*innen damit viele Wege ersparen können. Auch ermöglichen solche Zentren längere Öffnungszeiten und bessere Arbeitszeitregelungen für die Ärzt*innen.

Die 7. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich fordert daher das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie den Dachverband der Sozialversicherungsträger auf, umgehend Maßnahmen einzuleiten die zu einer Aufstockung der Kassenarztstellen sowie der Besetzung aktuell nicht besetzter Kassenarztstellen sowie einem raschen Ausbau von Primärversorgungszentren führen.