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Vier-Tage-Woche, JA ABER...

  • Sonntag, 18. Juli 2021 @ 10:45
Meinung
Josef Stingl zu einer Kampagne von SPÖ und FSG

Nur noch wenige aktiv in der Lohnsklaverei befindliche Arbeiter*innen und Angestellte haben eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung am eigenen Leib miterlebt. Denn fast 50 Jahre ist es her, dass die gesetzlich geregelte 40-Stunden-Woche zur Realität wurde. Was dann folgte war ein jahrzehntelanger K(r)ampf von ÖGB und der Gewerkschaften für eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Wenig erfolgreich, abgesehen von ein in paar kollektivvertraglich geregelten Mini-Arbeitszeitverkürzungen (38 und 38,5 Stunden mit keinem oder nur teilweisen Lohnausgleich.

Schlimmer noch: Kurz-Strache bescherten vor drei Jahren der „40-Stundenwoche und Achtstundentag Uralt-Arbeitszeit-Norm“ einen kräftigen Dämpfer mit der legalisierten Möglichkeit zum 12-Stunden-Arbeitstag und zur 60-Stunden Arbeitswoche.

Kürzer arbeiten macht gesünder und ist produktiver!

Tatsachen die Unternehmen und Konzerne schon lange erkannt haben und auch nutzen – nur der Lohnausgleich, der stinkt ihnen. Sie setzten daher seit Jahren verstärkt auf Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich. Teilzeitarbeitsplätze sind in der Zwischenzeit keine Ausnahme mehr, sondern gehören zum Standard des sogenannten Arbeitsmarktes. In einigen Branchen, wie beispielsweise im Handel, haben Vollzeitarbeitsplätze nur mehr Museumswert.

Was gibt´s für Unternehmen auch Feineres: Arbeitsintensive Zeiten sind äußert flexibel zu gestalten und arbeitsschwächere Zeiten können durch die neugewonnen „Teilzeitfreizeit“ ihrer Beschäftigten weitgehst kostenfrei gestellt werden. Und dass diese „Mitarbeiter*innen“ trotz Teilzeitgehalt mit Vollzeit-Lebenskosten zu kämpfen haben? Man kann sich ja nicht um alles kümmern!

Nicht verwunderlich der Druck für eine Arbeitszeitverkürzung (bei vollem Lohn- und Personalausgleich) wird in der Gesellschaft höher und höher. Was vor einigen Jahren im „sozialpartnerschaftlichen und streikbefreiten Österreich“ noch undenkbar war, bedeutet heute Streikbereitschaft und solidarisierter Kampf auf der Straße – was die KV-Verhandlungsrunde der Pflegebeschäftigten in der Sozialwirtschaft Österreich zeigte.

Sozialdemokratischer, gewerkschaftlicher Paradigmenwechsel

Auch Sozialdemokratie und ihren Gewerkschafter*innensind die veränderten Work-Life-Balance-Wünsche „ihres Klientels“ nicht versteckt geblieben. Ihre Antwort ist die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche, also der 32-Stundenwoche.

Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Dass allerdings die um ein Fünftel verkürzte Wochenarbeitszeit nicht allgemein gesetzlich geregelt, sondern für die Unternehmen freiwillig sein soll, dagegen schon. Ebenfalls stinkt das vorgeschlagene Lohnausgleichmodell bei dem Unternehmen, Beschäftigte selbst und übers AMS die Allgemeinheit, zur Kasse gebeten werden soll.

Arbeitszeitverkürzung, Lohnausgleich und gesetzlicher Mindestlohn!

Nach dem SP/FSG-Modell sind durch den „kleinen unternehmerischen Anteil“ den Unternehmen weiterhin kräftige Produktivitätsgewinne beschert. Die die Lohnabhängigen dagegen zahlen ihre Arbeitszeitverkürzung fast zur Gänze selbst. Direkt mit der Lohn- und Gehaltskürzung und indirekt mit dem Kombilohnmodell über das AMS. Das werden sich vielleicht einige Gutverdiener*innen leisten können, aber wie viele gibt es davon?

Schon vor der Corona-Krise lagen rund 300.000 Frauen und Männer, also acht Prozent aller Lohnabhängigen mit ihren Einkommen unter der Armutsschwelle. Kurzarbeit und gestiegene Arbeitslosigkeit haben diese Zahl sicherlich nicht verringert, sondern noch ansteigen lassen.

Daher, ein klares JA zur Forderung nach der Vier-Tage-Woche, allerdings bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Außerdem bedarf es zur Working-Poor-Bekämpfung auch eines gesetzlichen, steuerfreien und indexgesicherten Mindestlohns von 15 Euro pro Arbeitsstunde.

Josef Stingl ist stellvertretender Bundesvorsitzender des GLB