Corona verstärkte Ungleichheit
- Donnerstag, 27. Mai 2021 @ 18:00
Die 5. Vollversammlung der Arbeiterkammer Salzburg fand am 27. Mai 2021, 60 Prozent der Kammerrät*innen nahmen in Präsenz, 40 Prozent online teil. Martin Schürz stellte online zum Thema „Neue Verteilungskämpfe in Zeiten der Pandemie“ fest, dass Corona die Ungleichheit vertieft und die Vermögenskonzentration zugenommen haben. Die Armut ist im Pandemiejahr beträchtlich gestiegen, weitere 120 Millionen Menschen haben ein Tageseinkommen von nur 1,90 US-Dollar. Schürz kritisierte die Darstellung in den Medien: Schlagzeilen wie „Die Österreicher werden reicher“ (Die Presse) zeigen ein falsches Bild. Auch in Österreich hat die Armut eklatant zugenommen, sind die Reichen reicher geworden.
Das oberste Prozent der Reichen verfügt über die Hälfte des Vermögens. Während es gute Daten zu Armut gibt, gibt es kaum welche zu Reichtum, da dieser nicht beforscht wird und bei freiwilligen Befragungen Reiche nicht teilnehmen. Offenlegung gilt für Mindestbezüge, nicht für Steueroasen. Das Vermögen der Reichen besteht aus Finanzvermögen, die untere Hälfte besitzt etwa drei Prozent davon. Laut Schürz liegt die Frage nach Fairness bei zwölf Prozent. Substanzielle Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer sind unumgänglich.
AK-Präsident Peter Eder forderte in seinem Bericht weitere arbeitsplatzsichernde Maßnahmen von der Regierung, die eine Solidargemeinschaft erfordern. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist weiterhin steigend. Umverteilung und progressive Vermögensbesteuerung sind unerlässlich, ebenso Arbeitszeitverkürzung. In den Bereichen Pflege und Bildung muss investiert werden, um Arbeitsplätze zu schaffen und Chancengleichheit sicher zu stellen.
Hans Grünwald (ÖAAB-FCG) warnte vor einer Neiddebatte bezüglich Vermögen. Seine Fraktion steht für eine temporäre Erhöhung des Arbeitslosengeldes, eine Anhebung auf 70 Prozent sei ein falsches Zeichen.
GLB-Arbeiterkammerrätin Brigitte Promberger entgegnete, dass Rechte keine Privilegien seien und die Wortwahl „Anreiz“ als Begründung von 55 Prozent Nettoersatzrate reiner Zynismus ist. Sie begrüßte die Diskussion über Vermögenssteuern und wies darauf hin, dass aus den Fakten des Referats ersichtlich ist, dass es höchste Zeit zur Umsetzung ist. Bereits seit Jahren fordert der GLB eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf 30 Stunden, auch hier ist es Zeit zu handeln. Es muss möglich sein, über Mindestlohn zu diskutieren, immer mehr neue prekäre Arbeitsverhältnissen ohne Kollektivverträge machen das deutlich.
In weiterer Folge wurde die Entsendung der nominierten Laienrichter*innen für das Arbeits- und Sozialgericht 1. Instanz beschlossen, ebenso der Kontrollbericht und der Rechnungsabschluss 2020. 69 Anträge und Resolutionen wurden abgestimmt (1 Vorstand, 20 FSG, 26 ÖAAB-FCG, 9 FA-FPÖ, 7 AUGE/UG, 1 GLB und AUGE/UG, 3 GLB).
Die Anträge des GLB im Wortlaut:
Antrag 1: Comeback-Plan: Soziale Fragen in den Mittelpunkt rücken!
Im vergangenen Jahr sank das Volumen an in Österreich geleisteten Arbeitsstunden von 7,13 auf 6,48 Milliarden Stunden, also um rund neun Prozent. Ein Teil des Rückganges entfiel auf die zeitlich befristeten Kurzarbeitsmodelle. Stark angestiegen ist die Zahl der in Arbeitslosigkeit befindlichen Menschen. Ende März 2021 befanden sich 458.000 Menschen in Arbeitslosigkeit oder Schulung. Deren Zahl ist ähnlich hoch, wie die, der in Kurzarbeit befindlichen Menschen, ihr Einkommen ist in der Krise aber besonders stark gesunken. Die Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes beträgt bekannterweise nur 55 Prozent.
Ebenso stark angestiegen ist die stille Arbeitsmarktreserve, also die Zahl jener, die nicht arbeitslos gemeldet ist, aber den Wunsch hat eine Beschäftigung aufzunehmen. Im Jahresdurchschnitt 2020 waren dies 402.500 Personen. Davon wären 154.700 innerhalb von zwei Wochen zur Arbeitsaufnahme bereit gewesen.
Verringert hat sich hingegen die Zahl der offenen Stellen auf 102.600 im Schnitt des vergangenen Jahres. Die österreichische Bundesregierung hat nun einen sogenannten Comeback-Plan angekündigt. Details fehlen bisher, als Ziel wurde genannt 500.000 Menschen wieder in reguläre Beschäftigung zu bringen. Das sogenannte Comeback-Team der Bundesregierung besteht aus den MinisterInnen Kocher, Gewessler und Blümel. Nicht Teil dieses Teams und nur am Rande eingebunden ist der Sozialminister.
Auch wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt durch zu erwartende Öffnungsschritte leicht entspannen wird, ist eine Korrektur der krisenbedingt verschärften Ungleichheiten und ein Erreichen von Vollbeschäftigung durch den Comeback-Plan nicht zu erwarten.
Die vorrangige Zielsetzung der Stärkung des Standortes, um im Wettbewerb mit anderen EU-Staaten möglichst hohe Profite und damit möglichst niedrige Löhne und Sozialstandards zu bieten, widerspricht zudem den Interessen der arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung. Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters, auch des faktischen, verschärft die Misere am Arbeitsmarkt und den Druck auf die Löhne und Gehälter.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher die österreichische Bundesregierung auf,
- Die Interessen der Beschäftigten und Erwerbsarbeitslosen ins Zentrum der Maßnahmen zu rücken.
- Maßnahmen zur Verkürzung der Arbeitszeit u.a. in Richtung einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich anzustreben.
- Eine dauerhafte armutsfeste Anhebung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe umzusetzen.
- Eine Standortpolitik zu betreiben, die auf Arbeitsplatzsicherheit und Qualität der vorhandenen Arbeitsplätze abzielt, statt sich wie bisher an den Profitinteressen, am Standort(negativ)wettbewerb und der daraus resultierenden Verlagerungs- und Erpressungslogik im von der EU-vorgegebenen Rahmen zu orientieren. Unerlässlich dazu ist gerade in Krisenphasen ein starker staatlicher Einfluss.
- Die ÖBAG daher in ein Instrument zur Beteiligung an weiteren Unternehmen und zur Steuerung einer österreichischen Industriepolitik zu verwandeln, die den ökologisch notwendigen Umbau ohne Arbeitsplatzverluste gestaltet.
Antrag 2: Lohndumping effektiv bekämpfen – Generalunternehmerhaftung für Löhne
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit steigt der Druck Arbeitsverhältnisse zu schlechten Bedingungen anzunehmen. Damit steigt auch die Bedeutung gesetzlicher Regelungen, um Mindeststandards festzulegen und durchzusetzen.
Umgehungskonstruktionen mittels Subunternehmen bzw. Subunternehmerketten bieten eine Möglichkeit Kollektivverträge und gesetzliche Regelungen zu unterlaufen und Strafen zu entkommen. Die Rahmenbedingungen, zu denen Aufträge an Subunternehmen vergeben werden legt dabei das Unternehmen an der Spitze fest, wobei es Fälle gibt, bei denen von vorneherein klar ist, dass die getroffenen Verträge unter Einhaltung aller gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bedingungen nicht zu erfüllen sind.
Eine aus der Bauwirtschaft bekannte Praxis, hat mittlerweile auch in anderen Branchen Einzug gefunden. Dabei wird etwa eine Leiharbeitsfirma mit der Bereitstellung von Personal beauftragt, gibt diesen Auftrag allerdings an eine weitere Leiharbeitsfirma weiter. Dabei handelt es sich dann um Unternehmen ohne Substanz / Scheinunternehmen. Nach derzeitiger Rechtslage werden Arbeitsrechtsverstöße wie Unterentlohnung, Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben dann von diesen Unternehmen begangen und bleiben weitestgehend straffrei.
Es braucht daher eine wirksame Regelung, die das Unternehmen an der Spitze in die Verantwortung nimmt, um derartige Praktiken abzustellen.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher den Arbeitsminister dazu auf, eine Gesetzesvorlage, die eine Generalunternehmerhaftung für Löhne durch das Unternehmen an der Spitze vorsieht, vorzubereiten und dem Parlament vorzulegen.
Antrag 3: Freie Dienstnehmer*innen gleichstellen: Kollektivverträge erweitern
Seit Beginn des Jahres 2020 gibt es für Fahrradbot*innen einen Kollektivvertrag. Mit Beginn des heurigen Jahres konnte von Seiten der vida eine Lohnerhöhung um 2,2 Prozent erreicht werden.
Großer Wermutstropfen dabei ist, dass sich diese Lohnerhöhung, wie auch alle anderen im Kollektivvertrag vereinbarten Regelungen, nicht für die vielen freien Dienstnehmer der Branche anwenden lassen. Dabei ist das Problem der Abgrenzung zwischen den einzelnen Beschäftigungsformen und der damit verbundenen Umgehungskonstruktionen bekannt.
Im Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP und Grünen heißt es dazu: „Rechtssicherheit in der Abgrenzung von Selbstständigkeit und Dienstverhältnissen: Der Dienstnehmerbegriff soll im Sozialversicherungs- sowie Steuerrecht vereinheitlicht und klarer umschrieben werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Dabei ist sowohl auf die Privatautonomie (bzw. Entscheidungsfreiheit, „Recht auf Selbstständigkeit“) als auch auf Missbrauchsfälle im Bereich der Scheinselbstständigkeit ein besonderes Augenmerk zu legen.“
Seitens des Arbeitsministeriums gibt es allerdings derzeit keine Pläne zur Umsetzung der im Regierungsprogramm vereinbarten Zielsetzungen. Damit bleiben weiterhin derartige freie Dienstverträge - wie das Beispiel eines Fahrradboten zeigt - möglich: „Der freie Arbeitnehmer erhält eine Vergütung von EUR 3,24 brutto pro vom freien Arbeitnehmer erledigter Bestellung. Der Auftraggeber verpflichtet sich weiterhin, dem freien AN mindestens 2 Bestellungen pro Stunde zu garantieren. Der freie AN nimmt zur Kenntnis, dass dieses Vertragsverhältnis dem Arbeitsrecht nicht unterliegt und daher kein Anspruch auf Urlaub, Krankenentgelt, Sonderzahlungen, Abfertigung, etc. entsteht. Es kommt kein KV zur Anwendung.“
Damit liegt der garantierte Stundenlohn bei freien Dienstnehmer*innen mit 6,48 Euro weit unter den vom KV garantierten 8,71 Euro (Stand 2020). Hinzu kommen Schlechterstellungen beim Kilometergeld bzw. eine fehlende Erstattung der Kosten für die Verwendung des Privathandys. Ebenso fehlen bei freien Dienstnehmer*innen die Absicherung im Krankheitsfall und der Anspruch eines bezahlten Urlaubs, sowie der auf Sonderzahlungen.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher den Arbeitsminister auf, eine gesetzliche Änderung, die eine Überarbeitung des Arbeitsverfassungsgesetzes dahingehend vorsieht, dass freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in die Regelungen der Kollektivverträge aufgenommen werden, vorzubereiten und dem Parlament vorzulegen.
Antrag 4 GLB und AUGE/UG: Ja zur Einbürgerung hier geborener/aufgewachsener Kinder
Die Abschiebung von drei Schülerinnen im Jänner 2021 führte zu österreichweiten Protesten. Politische und kirchliche Organisationen, Schüler*innen und Lehrer*innen protestierten scharf gegen diese Maßnahme und deren Ausführung (Abführung in den frühen Morgenstunden). Diese Kinder wurden in Österreich geboren, bzw. sind hier aufgewachsen. Leider handelt es sich dabei um keine Einzelfälle. Im Vergleich von 52 Ländern ist Österreich gemeinsam mit Bulgarien Schlusslicht bei Einbürgerungen.
Laut Statistik Austria leben in Österreich 220.000 Menschen, die hier geboren wurden, sowie weitere 80.000, die hier aufgewachsen und die von der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen geblieben sind. Eine beträchtliche Zahl dieser Kinder ist zudem staatenlos. Dies bedeutet nicht nur, dass diesen Kindern nicht das volle Ausmaß an politischen und sozialen Rechten garantiert wird (und damit verbunden in weiterer Folge der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und Gesundheitsversorgung). Es bedeutet auch, dass diese Kinder ohne Staatsbürgerschaft von keinem Staat geschützt werden.
Das führt zu einer Ungleichbehandlung von Kindern durch staatliche Ausgrenzung. Verfassungsjurist Prof. Heinz Mayer sieht darin eine demokratiepolitisch problematische Entwicklung. Diese führt zu einer Spaltung der Gesellschaft in zwei Gruppen von Menschen: „die, die zu uns gehören“ und „die, die nicht zu uns gehören“.
Die Hürden zur Erlangung einer Einbürgerung sind in Österreich extrem hoch, unsozial und teuer. So müssen selbst hier geborene Kinder und Jugendliche über ihre Eltern ein Mindesteinkommen nachweisen, um eine Chance auf Einbürgerung zu haben. Während in anderen Ländern Kinder, die im Land zur Welt gekommen sind, automatisch eingebürgert werden, ist das in Österreich nicht einmal dann der Fall, wenn die Eltern schon viele Jahre hier leben.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher die Bundesregierung auf, der langjährigen Forderung des UN-Kinderrechtsauschusses an Österreich nach Änderung der Staatsbürgerschaftsgesetze zum Schutz von Kindern Folge zu leisten und als erste Schritte zur Beendigung der Ungleichbehandlung folgende Maßnahmen umzusetzen:
- Automatische Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an alle, die hier geboren sind, wenn zumindest ein Elternteil bereits sechs Jahre hier lebt.
- Bedingungslose und kostenfreie Einbürgerung von hier geborenen Kindern spätestens im sechsten Lebensjahr, wenn deren Eltern bei der Geburt erst kurz im Land sind.
- Bedingungslose und kostenfreie Einbürgerung von jungen Menschen, die als Kinder nach Österreich gekommen sind nach spätestens sechs Jahren Aufenthalt.
Das oberste Prozent der Reichen verfügt über die Hälfte des Vermögens. Während es gute Daten zu Armut gibt, gibt es kaum welche zu Reichtum, da dieser nicht beforscht wird und bei freiwilligen Befragungen Reiche nicht teilnehmen. Offenlegung gilt für Mindestbezüge, nicht für Steueroasen. Das Vermögen der Reichen besteht aus Finanzvermögen, die untere Hälfte besitzt etwa drei Prozent davon. Laut Schürz liegt die Frage nach Fairness bei zwölf Prozent. Substanzielle Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer sind unumgänglich.
AK-Präsident Peter Eder forderte in seinem Bericht weitere arbeitsplatzsichernde Maßnahmen von der Regierung, die eine Solidargemeinschaft erfordern. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist weiterhin steigend. Umverteilung und progressive Vermögensbesteuerung sind unerlässlich, ebenso Arbeitszeitverkürzung. In den Bereichen Pflege und Bildung muss investiert werden, um Arbeitsplätze zu schaffen und Chancengleichheit sicher zu stellen.
Hans Grünwald (ÖAAB-FCG) warnte vor einer Neiddebatte bezüglich Vermögen. Seine Fraktion steht für eine temporäre Erhöhung des Arbeitslosengeldes, eine Anhebung auf 70 Prozent sei ein falsches Zeichen.
GLB-Arbeiterkammerrätin Brigitte Promberger entgegnete, dass Rechte keine Privilegien seien und die Wortwahl „Anreiz“ als Begründung von 55 Prozent Nettoersatzrate reiner Zynismus ist. Sie begrüßte die Diskussion über Vermögenssteuern und wies darauf hin, dass aus den Fakten des Referats ersichtlich ist, dass es höchste Zeit zur Umsetzung ist. Bereits seit Jahren fordert der GLB eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf 30 Stunden, auch hier ist es Zeit zu handeln. Es muss möglich sein, über Mindestlohn zu diskutieren, immer mehr neue prekäre Arbeitsverhältnissen ohne Kollektivverträge machen das deutlich.
In weiterer Folge wurde die Entsendung der nominierten Laienrichter*innen für das Arbeits- und Sozialgericht 1. Instanz beschlossen, ebenso der Kontrollbericht und der Rechnungsabschluss 2020. 69 Anträge und Resolutionen wurden abgestimmt (1 Vorstand, 20 FSG, 26 ÖAAB-FCG, 9 FA-FPÖ, 7 AUGE/UG, 1 GLB und AUGE/UG, 3 GLB).
Die Anträge des GLB im Wortlaut:
Antrag 1: Comeback-Plan: Soziale Fragen in den Mittelpunkt rücken!
Im vergangenen Jahr sank das Volumen an in Österreich geleisteten Arbeitsstunden von 7,13 auf 6,48 Milliarden Stunden, also um rund neun Prozent. Ein Teil des Rückganges entfiel auf die zeitlich befristeten Kurzarbeitsmodelle. Stark angestiegen ist die Zahl der in Arbeitslosigkeit befindlichen Menschen. Ende März 2021 befanden sich 458.000 Menschen in Arbeitslosigkeit oder Schulung. Deren Zahl ist ähnlich hoch, wie die, der in Kurzarbeit befindlichen Menschen, ihr Einkommen ist in der Krise aber besonders stark gesunken. Die Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes beträgt bekannterweise nur 55 Prozent.
Ebenso stark angestiegen ist die stille Arbeitsmarktreserve, also die Zahl jener, die nicht arbeitslos gemeldet ist, aber den Wunsch hat eine Beschäftigung aufzunehmen. Im Jahresdurchschnitt 2020 waren dies 402.500 Personen. Davon wären 154.700 innerhalb von zwei Wochen zur Arbeitsaufnahme bereit gewesen.
Verringert hat sich hingegen die Zahl der offenen Stellen auf 102.600 im Schnitt des vergangenen Jahres. Die österreichische Bundesregierung hat nun einen sogenannten Comeback-Plan angekündigt. Details fehlen bisher, als Ziel wurde genannt 500.000 Menschen wieder in reguläre Beschäftigung zu bringen. Das sogenannte Comeback-Team der Bundesregierung besteht aus den MinisterInnen Kocher, Gewessler und Blümel. Nicht Teil dieses Teams und nur am Rande eingebunden ist der Sozialminister.
Auch wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt durch zu erwartende Öffnungsschritte leicht entspannen wird, ist eine Korrektur der krisenbedingt verschärften Ungleichheiten und ein Erreichen von Vollbeschäftigung durch den Comeback-Plan nicht zu erwarten.
Die vorrangige Zielsetzung der Stärkung des Standortes, um im Wettbewerb mit anderen EU-Staaten möglichst hohe Profite und damit möglichst niedrige Löhne und Sozialstandards zu bieten, widerspricht zudem den Interessen der arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung. Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters, auch des faktischen, verschärft die Misere am Arbeitsmarkt und den Druck auf die Löhne und Gehälter.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher die österreichische Bundesregierung auf,
- Die Interessen der Beschäftigten und Erwerbsarbeitslosen ins Zentrum der Maßnahmen zu rücken.
- Maßnahmen zur Verkürzung der Arbeitszeit u.a. in Richtung einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich anzustreben.
- Eine dauerhafte armutsfeste Anhebung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe umzusetzen.
- Eine Standortpolitik zu betreiben, die auf Arbeitsplatzsicherheit und Qualität der vorhandenen Arbeitsplätze abzielt, statt sich wie bisher an den Profitinteressen, am Standort(negativ)wettbewerb und der daraus resultierenden Verlagerungs- und Erpressungslogik im von der EU-vorgegebenen Rahmen zu orientieren. Unerlässlich dazu ist gerade in Krisenphasen ein starker staatlicher Einfluss.
- Die ÖBAG daher in ein Instrument zur Beteiligung an weiteren Unternehmen und zur Steuerung einer österreichischen Industriepolitik zu verwandeln, die den ökologisch notwendigen Umbau ohne Arbeitsplatzverluste gestaltet.
Antrag 2: Lohndumping effektiv bekämpfen – Generalunternehmerhaftung für Löhne
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit steigt der Druck Arbeitsverhältnisse zu schlechten Bedingungen anzunehmen. Damit steigt auch die Bedeutung gesetzlicher Regelungen, um Mindeststandards festzulegen und durchzusetzen.
Umgehungskonstruktionen mittels Subunternehmen bzw. Subunternehmerketten bieten eine Möglichkeit Kollektivverträge und gesetzliche Regelungen zu unterlaufen und Strafen zu entkommen. Die Rahmenbedingungen, zu denen Aufträge an Subunternehmen vergeben werden legt dabei das Unternehmen an der Spitze fest, wobei es Fälle gibt, bei denen von vorneherein klar ist, dass die getroffenen Verträge unter Einhaltung aller gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bedingungen nicht zu erfüllen sind.
Eine aus der Bauwirtschaft bekannte Praxis, hat mittlerweile auch in anderen Branchen Einzug gefunden. Dabei wird etwa eine Leiharbeitsfirma mit der Bereitstellung von Personal beauftragt, gibt diesen Auftrag allerdings an eine weitere Leiharbeitsfirma weiter. Dabei handelt es sich dann um Unternehmen ohne Substanz / Scheinunternehmen. Nach derzeitiger Rechtslage werden Arbeitsrechtsverstöße wie Unterentlohnung, Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben dann von diesen Unternehmen begangen und bleiben weitestgehend straffrei.
Es braucht daher eine wirksame Regelung, die das Unternehmen an der Spitze in die Verantwortung nimmt, um derartige Praktiken abzustellen.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher den Arbeitsminister dazu auf, eine Gesetzesvorlage, die eine Generalunternehmerhaftung für Löhne durch das Unternehmen an der Spitze vorsieht, vorzubereiten und dem Parlament vorzulegen.
Antrag 3: Freie Dienstnehmer*innen gleichstellen: Kollektivverträge erweitern
Seit Beginn des Jahres 2020 gibt es für Fahrradbot*innen einen Kollektivvertrag. Mit Beginn des heurigen Jahres konnte von Seiten der vida eine Lohnerhöhung um 2,2 Prozent erreicht werden.
Großer Wermutstropfen dabei ist, dass sich diese Lohnerhöhung, wie auch alle anderen im Kollektivvertrag vereinbarten Regelungen, nicht für die vielen freien Dienstnehmer der Branche anwenden lassen. Dabei ist das Problem der Abgrenzung zwischen den einzelnen Beschäftigungsformen und der damit verbundenen Umgehungskonstruktionen bekannt.
Im Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP und Grünen heißt es dazu: „Rechtssicherheit in der Abgrenzung von Selbstständigkeit und Dienstverhältnissen: Der Dienstnehmerbegriff soll im Sozialversicherungs- sowie Steuerrecht vereinheitlicht und klarer umschrieben werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Dabei ist sowohl auf die Privatautonomie (bzw. Entscheidungsfreiheit, „Recht auf Selbstständigkeit“) als auch auf Missbrauchsfälle im Bereich der Scheinselbstständigkeit ein besonderes Augenmerk zu legen.“
Seitens des Arbeitsministeriums gibt es allerdings derzeit keine Pläne zur Umsetzung der im Regierungsprogramm vereinbarten Zielsetzungen. Damit bleiben weiterhin derartige freie Dienstverträge - wie das Beispiel eines Fahrradboten zeigt - möglich: „Der freie Arbeitnehmer erhält eine Vergütung von EUR 3,24 brutto pro vom freien Arbeitnehmer erledigter Bestellung. Der Auftraggeber verpflichtet sich weiterhin, dem freien AN mindestens 2 Bestellungen pro Stunde zu garantieren. Der freie AN nimmt zur Kenntnis, dass dieses Vertragsverhältnis dem Arbeitsrecht nicht unterliegt und daher kein Anspruch auf Urlaub, Krankenentgelt, Sonderzahlungen, Abfertigung, etc. entsteht. Es kommt kein KV zur Anwendung.“
Damit liegt der garantierte Stundenlohn bei freien Dienstnehmer*innen mit 6,48 Euro weit unter den vom KV garantierten 8,71 Euro (Stand 2020). Hinzu kommen Schlechterstellungen beim Kilometergeld bzw. eine fehlende Erstattung der Kosten für die Verwendung des Privathandys. Ebenso fehlen bei freien Dienstnehmer*innen die Absicherung im Krankheitsfall und der Anspruch eines bezahlten Urlaubs, sowie der auf Sonderzahlungen.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher den Arbeitsminister auf, eine gesetzliche Änderung, die eine Überarbeitung des Arbeitsverfassungsgesetzes dahingehend vorsieht, dass freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in die Regelungen der Kollektivverträge aufgenommen werden, vorzubereiten und dem Parlament vorzulegen.
Antrag 4 GLB und AUGE/UG: Ja zur Einbürgerung hier geborener/aufgewachsener Kinder
Die Abschiebung von drei Schülerinnen im Jänner 2021 führte zu österreichweiten Protesten. Politische und kirchliche Organisationen, Schüler*innen und Lehrer*innen protestierten scharf gegen diese Maßnahme und deren Ausführung (Abführung in den frühen Morgenstunden). Diese Kinder wurden in Österreich geboren, bzw. sind hier aufgewachsen. Leider handelt es sich dabei um keine Einzelfälle. Im Vergleich von 52 Ländern ist Österreich gemeinsam mit Bulgarien Schlusslicht bei Einbürgerungen.
Laut Statistik Austria leben in Österreich 220.000 Menschen, die hier geboren wurden, sowie weitere 80.000, die hier aufgewachsen und die von der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen geblieben sind. Eine beträchtliche Zahl dieser Kinder ist zudem staatenlos. Dies bedeutet nicht nur, dass diesen Kindern nicht das volle Ausmaß an politischen und sozialen Rechten garantiert wird (und damit verbunden in weiterer Folge der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und Gesundheitsversorgung). Es bedeutet auch, dass diese Kinder ohne Staatsbürgerschaft von keinem Staat geschützt werden.
Das führt zu einer Ungleichbehandlung von Kindern durch staatliche Ausgrenzung. Verfassungsjurist Prof. Heinz Mayer sieht darin eine demokratiepolitisch problematische Entwicklung. Diese führt zu einer Spaltung der Gesellschaft in zwei Gruppen von Menschen: „die, die zu uns gehören“ und „die, die nicht zu uns gehören“.
Die Hürden zur Erlangung einer Einbürgerung sind in Österreich extrem hoch, unsozial und teuer. So müssen selbst hier geborene Kinder und Jugendliche über ihre Eltern ein Mindesteinkommen nachweisen, um eine Chance auf Einbürgerung zu haben. Während in anderen Ländern Kinder, die im Land zur Welt gekommen sind, automatisch eingebürgert werden, ist das in Österreich nicht einmal dann der Fall, wenn die Eltern schon viele Jahre hier leben.
Die 5. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert daher die Bundesregierung auf, der langjährigen Forderung des UN-Kinderrechtsauschusses an Österreich nach Änderung der Staatsbürgerschaftsgesetze zum Schutz von Kindern Folge zu leisten und als erste Schritte zur Beendigung der Ungleichbehandlung folgende Maßnahmen umzusetzen:
- Automatische Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an alle, die hier geboren sind, wenn zumindest ein Elternteil bereits sechs Jahre hier lebt.
- Bedingungslose und kostenfreie Einbürgerung von hier geborenen Kindern spätestens im sechsten Lebensjahr, wenn deren Eltern bei der Geburt erst kurz im Land sind.
- Bedingungslose und kostenfreie Einbürgerung von jungen Menschen, die als Kinder nach Österreich gekommen sind nach spätestens sechs Jahren Aufenthalt.