Kinder haben das Recht auf Existenzsicherung
- Mittwoch, 6. Mai 2020 @ 18:23
Claudia Klimt-Weithaler zum Thema Kinderarmut
Jedes fünfte Kind in der Steiermark wächst an oder unter der Armutsgrenze auf. Das zeigt der Ende 2018 erschienene Armutsbericht des Landes. Wir müssen uns mit den Ursachen auseinandersetzen und einen Beitrag zur Lösung dieses Missstandes leisten. Elisabeth lebt mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder in einer steirischen Gemeinde. Sie geht in die dritte Klasse. Ihre Hausübungen erledigt sie in der Küche am Esstisch, eigenes Zimmer hat sie keines. Wenn sie neue Kleidung braucht, geht ihre Mama mit ihr in ein Geschäft, wo man gebrauchte Kinderkleidung bekommt. Elisabeth weiß wie es ist, wenn hin und wieder der Strom abgeschaltet wird, weil eine Rechnung nicht bezahlt wurde. Auf Urlaub war Elisabeth noch nie. Sie würde gerne einmal zu ihrem Geburtstag ein Fest machen und alle ihre FreundInnen einladen, aber ihre Mama sagt, „das können wir uns nicht leisten“.
Diesen Satz hört Elisabeth sehr oft. Wenn Elisabeth groß ist, möchte sie Tierärztin werden. Ob sich dieser Traum für Elisabeth erfüllt, wird nicht nur von ihrer eigenen Zielstrebigkeit und ihrem Fleiß abhängen, es wird auch davon abhängen, ob sich bis dahin auf sozialpolitischer Ebene etwas geändert hat. Denn für Kinder und Jugendliche bedeutet Armut nicht nur eine Beeinträchtigung in all ihren Lebenslagen und eine Verhinderung ihrer Teilhabe an der Gesellschaft, sondern auch ihrer Zukunftsaussichten.
In der Steiermark gibt es laut Armutsbericht 51.000 Kinder, die wie Elisabeth leben müssen. Das sind schockierende Zahlen, da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Vor allem, wenn man weiß, dass die Armut in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist – 2015 waren es noch 40.000 Kinder, drei Jahre später sind es um 11.000 Kinder mehr. Für 2020 liegen noch keine Zahlen vor, aber es spricht leider nichts dafür, dass die Zahl gesunken sein könnte.
Armut fällt nicht vom Himmel und ist auch kein Naturgesetz. Armut hat konkrete Ursachen, die wir ändern können, wenn wir das wollen. Schließlich dürfen uns diese Kinder nicht egal sein!
Was muss sich ändern?
Das Problem der Kinderarmut lässt sich nur lösen, wenn sich die Einkommenssituation ihrer Eltern ändert. Hohe Armutsgefährdung besteht bei langer Beschäftigungslosigkeit, bei Ein-Eltern-Haushalten (zumeist Alleinerzieherinnen) und kinderreichen Familien. Kinder, denen es schlecht geht, erreichen auch selten einen höheren Bildungsabschluss und so wird Armut auch weitervererbt und es ist sehr schwer, aus diesem Muster auszubrechen.
Dass Arbeit nicht mehr vor Armut schützt, ist bei uns ein relativ neues Phänomen. In Österreich liegen 300.000 Menschen trotz Vollzeit-Erwerbsarbeit unter der Grenze zur Armutsgefährdung. Die Zunahme von atypischen Beschäftigungsverhältnissen verschärft das Problem. Zusätzlich führt der Abbau des Sozialstaats dazu, dass Armut verstärkt entsteht. Auch die Familie ist nicht mehr im selben Ausmaß wie früher ein Schutz.
Das Einkommen von Frauen sinkt nach Geburt des ersten Kindes rasant ab und liegt auch nach zehn Jahren noch deutlich unter dem der Männer mit einer vergleichbaren beruflichen Laufbahn. Arbeitszeitreduktion, geringere Aufstiegschancen, traditionelle Rollenaufteilung spielen dabei eine Rolle.
Alleinerzieherinnen werden von der Sozialpolitik wenig berücksichtigt, obwohl sie besonders häufig von Armut betroffen sind. Das liegt daran, dass in Österreich das traditionelle Rollenmodell mit dem Vater als „Ernährer“ verankert ist, auch wenn es der gesellschaftlichen Realität häufig nicht entspricht: So erhält etwa nur jedes zweite Kind regelmäßige Unterhaltszahlungen, wenn die Eltern getrennt leben.
Bei Familien, die von Mindestsicherung abhängig sind, wird die Kinderarmut zunehmen. Grund dafür ist die Kürzung der Leistungen durch die Einführung der „Sozialhilfe neu“ durch die Bundesregierung, die Kindern deutlich weniger Unterstützung zugesteht. In der Steiermark war die Umwandlung der Wohnbeihilfe in die weitaus geringere Wohnunterstützung ein zusätzlicher Faktor, der Menschen, die ohnehin ein geringes Einkommen haben, weiter finanziell geschwächt hat.
Konkrete Forderungen, die die KPÖ in der Steiermark gestellt hat, sind:
- Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses
- jährliche Inflationsanpassung der Familienleistungen
- Vermeidung von Energieabschaltungen in der kalten Jahreszeit
- Erhöhung der Wohnunterstützung für Alleinerziehende
Am 28. März 2019 initiierte die KPÖ Steiermark unter dem Titel „Armut ist kein Kinderspiel!“ eine Fachtagung, bei der hochkarätige ExpertInnen nachhaltige Lösungsvorschläge diskutierten. Die Dokumentation dazu kann man unter https://tinyurl.com/uqwh9cx abrufen.
Claudia Klimt-Weithaler ist Klubobfrau der KPÖ im steirischen Landtag
Jedes fünfte Kind in der Steiermark wächst an oder unter der Armutsgrenze auf. Das zeigt der Ende 2018 erschienene Armutsbericht des Landes. Wir müssen uns mit den Ursachen auseinandersetzen und einen Beitrag zur Lösung dieses Missstandes leisten. Elisabeth lebt mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder in einer steirischen Gemeinde. Sie geht in die dritte Klasse. Ihre Hausübungen erledigt sie in der Küche am Esstisch, eigenes Zimmer hat sie keines. Wenn sie neue Kleidung braucht, geht ihre Mama mit ihr in ein Geschäft, wo man gebrauchte Kinderkleidung bekommt. Elisabeth weiß wie es ist, wenn hin und wieder der Strom abgeschaltet wird, weil eine Rechnung nicht bezahlt wurde. Auf Urlaub war Elisabeth noch nie. Sie würde gerne einmal zu ihrem Geburtstag ein Fest machen und alle ihre FreundInnen einladen, aber ihre Mama sagt, „das können wir uns nicht leisten“.
Diesen Satz hört Elisabeth sehr oft. Wenn Elisabeth groß ist, möchte sie Tierärztin werden. Ob sich dieser Traum für Elisabeth erfüllt, wird nicht nur von ihrer eigenen Zielstrebigkeit und ihrem Fleiß abhängen, es wird auch davon abhängen, ob sich bis dahin auf sozialpolitischer Ebene etwas geändert hat. Denn für Kinder und Jugendliche bedeutet Armut nicht nur eine Beeinträchtigung in all ihren Lebenslagen und eine Verhinderung ihrer Teilhabe an der Gesellschaft, sondern auch ihrer Zukunftsaussichten.
In der Steiermark gibt es laut Armutsbericht 51.000 Kinder, die wie Elisabeth leben müssen. Das sind schockierende Zahlen, da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Vor allem, wenn man weiß, dass die Armut in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist – 2015 waren es noch 40.000 Kinder, drei Jahre später sind es um 11.000 Kinder mehr. Für 2020 liegen noch keine Zahlen vor, aber es spricht leider nichts dafür, dass die Zahl gesunken sein könnte.
Armut fällt nicht vom Himmel und ist auch kein Naturgesetz. Armut hat konkrete Ursachen, die wir ändern können, wenn wir das wollen. Schließlich dürfen uns diese Kinder nicht egal sein!
Was muss sich ändern?
Das Problem der Kinderarmut lässt sich nur lösen, wenn sich die Einkommenssituation ihrer Eltern ändert. Hohe Armutsgefährdung besteht bei langer Beschäftigungslosigkeit, bei Ein-Eltern-Haushalten (zumeist Alleinerzieherinnen) und kinderreichen Familien. Kinder, denen es schlecht geht, erreichen auch selten einen höheren Bildungsabschluss und so wird Armut auch weitervererbt und es ist sehr schwer, aus diesem Muster auszubrechen.
Dass Arbeit nicht mehr vor Armut schützt, ist bei uns ein relativ neues Phänomen. In Österreich liegen 300.000 Menschen trotz Vollzeit-Erwerbsarbeit unter der Grenze zur Armutsgefährdung. Die Zunahme von atypischen Beschäftigungsverhältnissen verschärft das Problem. Zusätzlich führt der Abbau des Sozialstaats dazu, dass Armut verstärkt entsteht. Auch die Familie ist nicht mehr im selben Ausmaß wie früher ein Schutz.
Das Einkommen von Frauen sinkt nach Geburt des ersten Kindes rasant ab und liegt auch nach zehn Jahren noch deutlich unter dem der Männer mit einer vergleichbaren beruflichen Laufbahn. Arbeitszeitreduktion, geringere Aufstiegschancen, traditionelle Rollenaufteilung spielen dabei eine Rolle.
Alleinerzieherinnen werden von der Sozialpolitik wenig berücksichtigt, obwohl sie besonders häufig von Armut betroffen sind. Das liegt daran, dass in Österreich das traditionelle Rollenmodell mit dem Vater als „Ernährer“ verankert ist, auch wenn es der gesellschaftlichen Realität häufig nicht entspricht: So erhält etwa nur jedes zweite Kind regelmäßige Unterhaltszahlungen, wenn die Eltern getrennt leben.
Bei Familien, die von Mindestsicherung abhängig sind, wird die Kinderarmut zunehmen. Grund dafür ist die Kürzung der Leistungen durch die Einführung der „Sozialhilfe neu“ durch die Bundesregierung, die Kindern deutlich weniger Unterstützung zugesteht. In der Steiermark war die Umwandlung der Wohnbeihilfe in die weitaus geringere Wohnunterstützung ein zusätzlicher Faktor, der Menschen, die ohnehin ein geringes Einkommen haben, weiter finanziell geschwächt hat.
Konkrete Forderungen, die die KPÖ in der Steiermark gestellt hat, sind:
- Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses
- jährliche Inflationsanpassung der Familienleistungen
- Vermeidung von Energieabschaltungen in der kalten Jahreszeit
- Erhöhung der Wohnunterstützung für Alleinerziehende
Am 28. März 2019 initiierte die KPÖ Steiermark unter dem Titel „Armut ist kein Kinderspiel!“ eine Fachtagung, bei der hochkarätige ExpertInnen nachhaltige Lösungsvorschläge diskutierten. Die Dokumentation dazu kann man unter https://tinyurl.com/uqwh9cx abrufen.
Claudia Klimt-Weithaler ist Klubobfrau der KPÖ im steirischen Landtag