Alles versiegeln, aber fix
- Donnerstag, 27. Februar 2020 @ 13:54
Leo Furtlehner über die verkorkste Raumordnungspolitik
„Die Bürgermeister sind an allem schuld“ titelt Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss (Kommunal1/2020) – um umgehend alle Schuld von den Gemeindehäuptlingen zu weisen. Es geht um die Frage, welche Verantwortung die Gemeinden bzw. ihre Repräsentanten für ein leistbares Wohnen haben. Zweifellos richtig konstatiert Leiss die Faktoren, die einem leistbaren Wohnen zunehmend abträglicher werden: Steigender Bodenverbrauch, willkürliche Planung, vermehrte Zweitwohnsitze, Leerstand in Ortszentren, Einkaufszentren auf der grünen Wiese, Chalet-Dörfer im alpinen Raum. Und er gesteht auch ein, dass Österreich ein Spitzenreiter bei Verkaufs- und Verkehrsflächen pro Kopf ist. Um in einem Atemzug gleich recht naiv zu fragen „Aber sind dafür die Bürgermeister verantwortlich?“
Bürgermeister unter Druck
Das sind sie in dieser Pauschalität natürlich nicht. Aber sich so einfach abputzen geht auch nicht. Solange die Gemeinden für Flächenwidmung und Baugenehmigungen zuständig und die Bürgermeister Baubehörde erster Instanz sind und aus Angst nicht wiedergewählt zu werden – natürlich ganz gesetzeskonform – dem Druck für die Widmung von Grün- und Bauland für Häuslbauer oder finanzkräftige „Investoren“ von Zweitwohnsitzen nachgeben, wird sich an dem System nichts ändern.
Und man wird sich nicht wundern dürfen, wenn das Zubetonieren flott weitergeht. Die Tragik dabei besteht freilich darin, dass man zwar zu breite Straßen zurückbauen oder regulierte Flüsse mit entsprechendem Aufwand wieder renaturieren kann, kaum aber einmal bebaute Grundstücke wieder zu Grünland zurückverwandeln kann.
Nun mag es in Hinblick auf das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat nicht angehen, einmal erteilte Baugenehmigungen nicht rückgängig zu machen. Was anderes ist es freilich, wenn wie nicht selten der Fall ganz anders oder „großzügiger“ gebaut wird als genehmigt ist.
Die neue „Fruchtfolge“
Und wenn man sich bei umstrittenen Chalet-Dörfern in den Alpen wie im Fall Pass Thurn (Salzburg) auf vor zwanzig Jahren erteilte Widmungen beruft, darf man schon zu Recht fragen, warum angesichts fehlender Bautätigkeit solche Grundstücke nicht schon längst wieder in Grünland zurückgewidmet worden sind. Fakt ist nämlich auch, dass es riesige Reserven an gewidmeten Bauland gibt, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten auf eine Bebauung warten und die zugrundeliegende Umwidmung nur der Spekulation entsprechend der Fruchtfolge „Weizen – Mais – Bauland“ gedient und nicht wenige Bauern zu Millionären gemacht hat.
Wer Satellitenbilder vom Innviertel mit den angrenzenden Bayern vergleicht, wird unschwer erkennen, dass auf österreichischer Seite hemmungslose Zersiedelung herrscht, während jenseits des Inn die Verbauung auf die jeweiligen Orte konzentriert ist. Dort sind aber auch nicht die Gemeinden bzw. die politisch unter Druck stehenden Bürgermeister für die entsprechenden Widmungen zuständig, sondern die Kreisbehörden bzw. Beamte, die ihre Entscheidungen aus einer deutlichen Distanz und damit objektiver treffen können.
Kapitalistische Verwertungslogik
Wenn Bauland heute in Gunstlagen – vor allem im vom Over-Tourismus geplagten Westen Österreichs – und vor allem in urbanen Zentren schon astronomische Höhen erreicht, hängt das natürlich mit der kapitalistischen Verwertungslogik zusammen. Die Nullzinspolitik der EZB enteignet nicht nur die kleinen Sparer und will diese mit gelinder Gewalt zum Aktienkauf und an die Finanzmärkte treiben und dort ihr bisschen Geld der Spekulationsmaschinerie anzuvertrauen, sondern forciert vor allem den Boom in Immobilien, vor allem in oft als „Vorsorge“ getarntes Wohnungseigentum oder Bauland.
Somit stellt sich zunehmend die Frage, ob Grund und Boden in Privatbesitz nicht zunehmend überholt sind und gesellschaftlich nützlichen wie notwendigen Entwicklungen und Entscheidungen im Weg stehen. Zumal die Grundsteuer als de facto einzige Vermögenssteuer in Österreich mit den antiquierten Einheitswerten als Grundlage geradezu lächerlich gering ist – und als Draufgabe bei vermieteten Wohnungen auch noch auf die Mieter*innen überwälzt wird.
Zweitwohnsitzabgabe legitim
Und wenn sich Gemeinden unterstehen, die längst fällige Zweitwohnsitzabgabe auf Ferienwohnungen einzuheben, gibt es einen Aufschrei. Dabei ist das völlig legitim: Erhalten die Kommunen doch nur für Hauptwohnsitze ihren Anteil von dem Finanzausgleich, obwohl sie auch die Infrastruktur für die oft weit fernab der Ortszentren gelegenen Zweitwohnobjekte im Grünen finanzieren müssen.
Damit gelangt man zur Erkenntnis von Leiss „Die Preisbildung wird in einer Marktwirtschaft immer vom Markt bestimmt“. Wie wahr, aber diese Marktwirtschaft mit dem ihr untrennbar verbundenen – weil dem Profit als Maxime geschuldeten - Wildwuchs muss ja nicht als für ewige Zeiten sakrosankt gelten, zumal sie sich immer deutlicher – und nicht nur in Hinblick auf leistbares Wohnen – als begrenzt in punkto soziale Gerechtigkeit und ein gutes Leben für alle erweist.
„Die Bürgermeister sind an allem schuld“ titelt Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss (Kommunal1/2020) – um umgehend alle Schuld von den Gemeindehäuptlingen zu weisen. Es geht um die Frage, welche Verantwortung die Gemeinden bzw. ihre Repräsentanten für ein leistbares Wohnen haben. Zweifellos richtig konstatiert Leiss die Faktoren, die einem leistbaren Wohnen zunehmend abträglicher werden: Steigender Bodenverbrauch, willkürliche Planung, vermehrte Zweitwohnsitze, Leerstand in Ortszentren, Einkaufszentren auf der grünen Wiese, Chalet-Dörfer im alpinen Raum. Und er gesteht auch ein, dass Österreich ein Spitzenreiter bei Verkaufs- und Verkehrsflächen pro Kopf ist. Um in einem Atemzug gleich recht naiv zu fragen „Aber sind dafür die Bürgermeister verantwortlich?“
Bürgermeister unter Druck
Das sind sie in dieser Pauschalität natürlich nicht. Aber sich so einfach abputzen geht auch nicht. Solange die Gemeinden für Flächenwidmung und Baugenehmigungen zuständig und die Bürgermeister Baubehörde erster Instanz sind und aus Angst nicht wiedergewählt zu werden – natürlich ganz gesetzeskonform – dem Druck für die Widmung von Grün- und Bauland für Häuslbauer oder finanzkräftige „Investoren“ von Zweitwohnsitzen nachgeben, wird sich an dem System nichts ändern.
Und man wird sich nicht wundern dürfen, wenn das Zubetonieren flott weitergeht. Die Tragik dabei besteht freilich darin, dass man zwar zu breite Straßen zurückbauen oder regulierte Flüsse mit entsprechendem Aufwand wieder renaturieren kann, kaum aber einmal bebaute Grundstücke wieder zu Grünland zurückverwandeln kann.
Nun mag es in Hinblick auf das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat nicht angehen, einmal erteilte Baugenehmigungen nicht rückgängig zu machen. Was anderes ist es freilich, wenn wie nicht selten der Fall ganz anders oder „großzügiger“ gebaut wird als genehmigt ist.
Die neue „Fruchtfolge“
Und wenn man sich bei umstrittenen Chalet-Dörfern in den Alpen wie im Fall Pass Thurn (Salzburg) auf vor zwanzig Jahren erteilte Widmungen beruft, darf man schon zu Recht fragen, warum angesichts fehlender Bautätigkeit solche Grundstücke nicht schon längst wieder in Grünland zurückgewidmet worden sind. Fakt ist nämlich auch, dass es riesige Reserven an gewidmeten Bauland gibt, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten auf eine Bebauung warten und die zugrundeliegende Umwidmung nur der Spekulation entsprechend der Fruchtfolge „Weizen – Mais – Bauland“ gedient und nicht wenige Bauern zu Millionären gemacht hat.
Wer Satellitenbilder vom Innviertel mit den angrenzenden Bayern vergleicht, wird unschwer erkennen, dass auf österreichischer Seite hemmungslose Zersiedelung herrscht, während jenseits des Inn die Verbauung auf die jeweiligen Orte konzentriert ist. Dort sind aber auch nicht die Gemeinden bzw. die politisch unter Druck stehenden Bürgermeister für die entsprechenden Widmungen zuständig, sondern die Kreisbehörden bzw. Beamte, die ihre Entscheidungen aus einer deutlichen Distanz und damit objektiver treffen können.
Kapitalistische Verwertungslogik
Wenn Bauland heute in Gunstlagen – vor allem im vom Over-Tourismus geplagten Westen Österreichs – und vor allem in urbanen Zentren schon astronomische Höhen erreicht, hängt das natürlich mit der kapitalistischen Verwertungslogik zusammen. Die Nullzinspolitik der EZB enteignet nicht nur die kleinen Sparer und will diese mit gelinder Gewalt zum Aktienkauf und an die Finanzmärkte treiben und dort ihr bisschen Geld der Spekulationsmaschinerie anzuvertrauen, sondern forciert vor allem den Boom in Immobilien, vor allem in oft als „Vorsorge“ getarntes Wohnungseigentum oder Bauland.
Somit stellt sich zunehmend die Frage, ob Grund und Boden in Privatbesitz nicht zunehmend überholt sind und gesellschaftlich nützlichen wie notwendigen Entwicklungen und Entscheidungen im Weg stehen. Zumal die Grundsteuer als de facto einzige Vermögenssteuer in Österreich mit den antiquierten Einheitswerten als Grundlage geradezu lächerlich gering ist – und als Draufgabe bei vermieteten Wohnungen auch noch auf die Mieter*innen überwälzt wird.
Zweitwohnsitzabgabe legitim
Und wenn sich Gemeinden unterstehen, die längst fällige Zweitwohnsitzabgabe auf Ferienwohnungen einzuheben, gibt es einen Aufschrei. Dabei ist das völlig legitim: Erhalten die Kommunen doch nur für Hauptwohnsitze ihren Anteil von dem Finanzausgleich, obwohl sie auch die Infrastruktur für die oft weit fernab der Ortszentren gelegenen Zweitwohnobjekte im Grünen finanzieren müssen.
Damit gelangt man zur Erkenntnis von Leiss „Die Preisbildung wird in einer Marktwirtschaft immer vom Markt bestimmt“. Wie wahr, aber diese Marktwirtschaft mit dem ihr untrennbar verbundenen – weil dem Profit als Maxime geschuldeten - Wildwuchs muss ja nicht als für ewige Zeiten sakrosankt gelten, zumal sie sich immer deutlicher – und nicht nur in Hinblick auf leistbares Wohnen – als begrenzt in punkto soziale Gerechtigkeit und ein gutes Leben für alle erweist.