Ernsthaft und für die weniger Betuchten
- Montag, 24. Februar 2020 @ 10:20
Josef Baum über zukunftsorientierte Klimapolitik
Zur Klimapolitik gab es in den letzten dreißig Jahre – so lange ist Handlungsbedarf schon klar – Worte, Floskel und Überschriften, während bei der notwendigen Verringerung der Treibhausgase nicht viel geschehen ist. Obwohl Österreich mit der Wasserkraft günstige Ausgangsbedingungen hat. Nun wird mit jedem Monat des Nichthandelns die Intensität und die Geschwindigkeit der Umsetzung größer werden müssen.
Es geht nicht um Technologie
Der Schwerpunkt auf technologische Lösungen blendet soziale, volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Gesichtspunkte aus. Dabei lag der bisher mangelhafte Fortschritt in der Klimapolitik wenig an der Nichtexistenz technischer Lösungen, sondern an sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, die ein klimaneutrales Verhalten von Menschen und Unternehmen erschweren.
Ein fairer Rahmen ist Voraussetzung für ein klimapolitisch positives Verhalten und eine Gesamt-Effektivität der Klimapolitik. Insbesondere einkommensschwächere Schichten brauchen einen Rahmen, in dem sie sich umwelt- und klimamäßig positiv verhalten können: Etwa klimaneutrale Verkehrsträger und -arten, leistbare und flächendeckende Angebote im öffentlichen Verkehr bis zu flexiblen Anbindungen am Land (Mikro-ÖV-Systeme als Zubringer zu Öffis) – sowie Kosten und Tarife die im Vergleich zu fossiler Mobilität zumutbar sind.
Solidarische Finanzierung
Eine solidarische Finanzierung von Ausbau und Erhalt der Energie- und Verkehrsinfrastruktur und auch der klare Gestaltungsanspruch durch die öffentliche Hand bis zum öffentlichen Eigentum sind notwendige Bedingungen um allen gleichen Zugang zu Mobilität und Energie unabhängig von Alter, Einkommen oder Geschlecht zu sichern. Länderjahrestickets ähnlich wie in Wien bzw. auch bundesländerübergreifend – wie von der Regierung geplant – bis hin zum Nulltarif, sind wichtige schnelle Lösungen, die auch sozial positiv sind.
Wichtig ist eine Forcierung des betrieblichen und kommunalen Mobilitätsmanagements. Aber auch hier fehlt der Mut zur Verbindlichkeit des Nationalen Klima- und Energieplans. Man setzt auf Beratung und Förderung statt etwa für größere Betriebe ein Mobilitätsmanagement für die Beschäftigten vorzuschreiben.
Pendlerpauschale ökologisieren
Aufgrund des in der Fläche nur beschränkt existierenden ÖV, des nur in Ansätzen existierenden Mikro-ÖV und der Unklarheit beim Zeitpfad des Übergangs zur Elektromobilität und dessen Kosten ist die Frage der Kostenbelastung beim Pendeln sehr sensibel. Denn der Pendelverkehr ist keine Laune der Pendler*innen, sondern auch objektiv durch zunehmende Arbeitsteilung und unterschiedliche Qualifikationen bedingt. Das Pendlerpauschale für Spitzenverdiener*innen wäre jedenfalls zu hinterfragen. Eine Ökologisierung ist daher sinnvoll, um das Pauschale einfacher, gerechter und ökologischer zu machen.
Ein wichtiges Grundprinzip für faire steuerpolitische Klimamaßnahmen und die notwendige Akzeptanz sind nicht nur Kompensationsmaßnahmen von CO²-Steuern, sondern die gleiche Rückführung pro Kopf, wenn sich jemand ökologisch verhält. Ein solcher Öko-Bonus würde sowohl Leute, die sich klimapolitikkonform verhalten, begünstigen und wäre eine positive Umverteilung, weil Reichere in der Regel mehr zahlen, aber jede*r pro Kopf das Gleiche bekommt
Mehrverbrauch wird begünstigt
Wir haben derzeit bei Verkehr und Energie Strukturen, die einen höheren Verbrauch proportional begünstigen – und damit auch Einkommensstärkere sowie nicht ökologisch Handelnde. Beispiel Stromtarif nach Daten der e-Control für 2016 und 2017: Der Unterschied bezüglich Gesamtbelastung pro kWh zwischen der kleinsten Haushaltsabnehmerkategorie und der größten Nicht-Haushaltsabnehmerkategorie ist beträchtlich: 38 zu 5 Cent.
Bei den variablen Strompreiskomponenten betragen die Unterschiede 8:3, bei den fixen Strompreiskomponenten 13:1, bei den Abgaben und Steuern sogar 17:1. So zahlt eine alleinstehende Rentnerin für eine Kilowattstunde ein Vielfaches im Vergleich zu einem Vielverbraucher.
Leider fehlen auch im Regierungsprogramm bei allen schönen Zielen und vorgeschlagenen Maßnahmen die Finanzierungen. Und ja, das wird was kosten. Aber das Nichthandeln wird noch mehr kosten und würde die weniger Betuchten mehr treffen.
Sozial benachteiligt, stärker betroffen
Generell treffen Umweltbelastungen Menschen mit niedrigem Sozialstatus tendenziell stärker als jene mit höherem Status (Wohnsituation, Lage der Wohnung, Gesundheit am Arbeitsplatz usw.). Eine Verbesserung der Umweltsituation hat daher einen gegenteiligen positiven Verteilungseffekt. Und auch für die Klimapolitik folgt daraus: Der Klimawandel wird ohne Gegenmaßnahmen Einkommensschwächere stärker treffen. Umgekehrt werden von Klimaschutz-Maßnahmen in der Regel Einkommensschwächere eben stärker profitieren. In diesem Sinn ist Klimaschutz auch Wohlstandsicherung.
Insgesamt gilt: eine klimafreundliche Gesellschaft wird auch zu einer besseren Lebensqualität führen: Weniger Lärm, bessere Luft (auch im Winter), gesündere Kinder, lebenswerte Städte, Unabhängigkeit von Energieimporten und viele neue Jobmöglichkeiten.
Josef Baum ist Ökonom und Geograph und Gemeinderat in Purkersdorf (NÖ)
Zur Klimapolitik gab es in den letzten dreißig Jahre – so lange ist Handlungsbedarf schon klar – Worte, Floskel und Überschriften, während bei der notwendigen Verringerung der Treibhausgase nicht viel geschehen ist. Obwohl Österreich mit der Wasserkraft günstige Ausgangsbedingungen hat. Nun wird mit jedem Monat des Nichthandelns die Intensität und die Geschwindigkeit der Umsetzung größer werden müssen.
Es geht nicht um Technologie
Der Schwerpunkt auf technologische Lösungen blendet soziale, volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Gesichtspunkte aus. Dabei lag der bisher mangelhafte Fortschritt in der Klimapolitik wenig an der Nichtexistenz technischer Lösungen, sondern an sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, die ein klimaneutrales Verhalten von Menschen und Unternehmen erschweren.
Ein fairer Rahmen ist Voraussetzung für ein klimapolitisch positives Verhalten und eine Gesamt-Effektivität der Klimapolitik. Insbesondere einkommensschwächere Schichten brauchen einen Rahmen, in dem sie sich umwelt- und klimamäßig positiv verhalten können: Etwa klimaneutrale Verkehrsträger und -arten, leistbare und flächendeckende Angebote im öffentlichen Verkehr bis zu flexiblen Anbindungen am Land (Mikro-ÖV-Systeme als Zubringer zu Öffis) – sowie Kosten und Tarife die im Vergleich zu fossiler Mobilität zumutbar sind.
Solidarische Finanzierung
Eine solidarische Finanzierung von Ausbau und Erhalt der Energie- und Verkehrsinfrastruktur und auch der klare Gestaltungsanspruch durch die öffentliche Hand bis zum öffentlichen Eigentum sind notwendige Bedingungen um allen gleichen Zugang zu Mobilität und Energie unabhängig von Alter, Einkommen oder Geschlecht zu sichern. Länderjahrestickets ähnlich wie in Wien bzw. auch bundesländerübergreifend – wie von der Regierung geplant – bis hin zum Nulltarif, sind wichtige schnelle Lösungen, die auch sozial positiv sind.
Wichtig ist eine Forcierung des betrieblichen und kommunalen Mobilitätsmanagements. Aber auch hier fehlt der Mut zur Verbindlichkeit des Nationalen Klima- und Energieplans. Man setzt auf Beratung und Förderung statt etwa für größere Betriebe ein Mobilitätsmanagement für die Beschäftigten vorzuschreiben.
Pendlerpauschale ökologisieren
Aufgrund des in der Fläche nur beschränkt existierenden ÖV, des nur in Ansätzen existierenden Mikro-ÖV und der Unklarheit beim Zeitpfad des Übergangs zur Elektromobilität und dessen Kosten ist die Frage der Kostenbelastung beim Pendeln sehr sensibel. Denn der Pendelverkehr ist keine Laune der Pendler*innen, sondern auch objektiv durch zunehmende Arbeitsteilung und unterschiedliche Qualifikationen bedingt. Das Pendlerpauschale für Spitzenverdiener*innen wäre jedenfalls zu hinterfragen. Eine Ökologisierung ist daher sinnvoll, um das Pauschale einfacher, gerechter und ökologischer zu machen.
Ein wichtiges Grundprinzip für faire steuerpolitische Klimamaßnahmen und die notwendige Akzeptanz sind nicht nur Kompensationsmaßnahmen von CO²-Steuern, sondern die gleiche Rückführung pro Kopf, wenn sich jemand ökologisch verhält. Ein solcher Öko-Bonus würde sowohl Leute, die sich klimapolitikkonform verhalten, begünstigen und wäre eine positive Umverteilung, weil Reichere in der Regel mehr zahlen, aber jede*r pro Kopf das Gleiche bekommt
Mehrverbrauch wird begünstigt
Wir haben derzeit bei Verkehr und Energie Strukturen, die einen höheren Verbrauch proportional begünstigen – und damit auch Einkommensstärkere sowie nicht ökologisch Handelnde. Beispiel Stromtarif nach Daten der e-Control für 2016 und 2017: Der Unterschied bezüglich Gesamtbelastung pro kWh zwischen der kleinsten Haushaltsabnehmerkategorie und der größten Nicht-Haushaltsabnehmerkategorie ist beträchtlich: 38 zu 5 Cent.
Bei den variablen Strompreiskomponenten betragen die Unterschiede 8:3, bei den fixen Strompreiskomponenten 13:1, bei den Abgaben und Steuern sogar 17:1. So zahlt eine alleinstehende Rentnerin für eine Kilowattstunde ein Vielfaches im Vergleich zu einem Vielverbraucher.
Leider fehlen auch im Regierungsprogramm bei allen schönen Zielen und vorgeschlagenen Maßnahmen die Finanzierungen. Und ja, das wird was kosten. Aber das Nichthandeln wird noch mehr kosten und würde die weniger Betuchten mehr treffen.
Sozial benachteiligt, stärker betroffen
Generell treffen Umweltbelastungen Menschen mit niedrigem Sozialstatus tendenziell stärker als jene mit höherem Status (Wohnsituation, Lage der Wohnung, Gesundheit am Arbeitsplatz usw.). Eine Verbesserung der Umweltsituation hat daher einen gegenteiligen positiven Verteilungseffekt. Und auch für die Klimapolitik folgt daraus: Der Klimawandel wird ohne Gegenmaßnahmen Einkommensschwächere stärker treffen. Umgekehrt werden von Klimaschutz-Maßnahmen in der Regel Einkommensschwächere eben stärker profitieren. In diesem Sinn ist Klimaschutz auch Wohlstandsicherung.
Insgesamt gilt: eine klimafreundliche Gesellschaft wird auch zu einer besseren Lebensqualität führen: Weniger Lärm, bessere Luft (auch im Winter), gesündere Kinder, lebenswerte Städte, Unabhängigkeit von Energieimporten und viele neue Jobmöglichkeiten.
Josef Baum ist Ökonom und Geograph und Gemeinderat in Purkersdorf (NÖ)