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Eifriges Sägen am Sozialstaat

  • Dienstag, 10. Dezember 2019 @ 11:21
Meinung
Leo Furtlehner zum leidlichen Thema Senkung der Lohnnebenkosten

Quer durch den politischen Gemüsegarten ertönt seit Jahren der Ruf nach Senkung der Lohnnebenkosten. Zuletzt hatte Grünen-Koalitionsverhandlerin Leonore Gewessler gemeint, dass „…im Gegenzug Klimafreundlichkeit mit Senken der Lohnnebenkosten honoriert wird … um ökonomisch zu steuern“ (Der Standard, 21.10.2019). Sie ist dabei ganz auf Linie mit der oö Wirtschaftskammer-Chefin Doris Hummer, die (bei älteren Mitarbeiter_innen) „Radikal Lohnnebenkosten rausnehmen“ will (OÖN, 30.4.2019). In ähnlicher Leierkastenmanier hatte auch WIFO-Chef Christoph Badelt gefordert, die Abgaben auf Arbeit müssten „drastisch gesenkt“ werden (Kurier, 24.3.2019).

Und auch Margit Schratzenstaller, Lieblingsökonomin des neoliberalen Mainstreams, machte sich für eine solche Senkung – etwa beim Familienlastenausgleich – stark (Standard, 22.12.2017). Ja sogar Volkshilfe-Direktor Fenninger meinte „Dass ArbeitgeberInnen, die zusätzliche Jobs schaffen, mit geringeren Lohnnebenkosten belohnt werden, ist zu begrüßen“ (APA-OTS 31.1.2017).

Turrinis Klarstellung

Gar nicht erst zu reden von den neoliberalen Hooligans der NEOS, die schon zu Zeiten von Strolz mit Motorsäge und Axt durch den Wald pirschten, um Lohnnebenkosten auszuholzen. Da ist es geradezu wohltuend, wenn der Schriftsteller Peter Turrini in seiner Rede vor dem SPÖ-Parlamentsklub (30.10.2018) klarstellte: „Wer ein Lohnempfänger ist, musste sich in den letzten Jahren als Dauersünder empfinden, denn er war ein Verursacher von Lohnnebenkosten.“

Die vor allem von den Kapitalvertretungen wie Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer und deren politischen Arme wie NEOS, ÖVP und FPÖ seit Jahren forcierte Kampagne gegen die „Nebenkosten“ ist nichts anderes als ein zynischer Anschlag auf den Sozialstaat und damit auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Entlastung der Unternehmen durch Senkung der Dienstgeberbeiträge verschweigt, dass eine solche Senkung generell weniger Mittel für wichtige Leistungen bei Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit und für Pensionen bedeutet.

Alternative Eigenvorsorge?

Was sich also Sozialversicherte durch eine Beitragssenkung ersparen würden, müssten sie verstärkt durch Selbstbehalte, Eigenvorsorge oder Kürzungen letztlich selbst finanzieren. Die eigentliche Absicht ist demnach die Schwächung des Sozialstaates und eine verstärkte Privatisierung desselben. Hinter der wohlklingenden Ansage der „Entlastung des Faktors Arbeit“ von Steuern und Sozialabgaben versteckt sich demnach ein gezielter Anschlag auf die in Jahrzehnten erkämpfte Absicherung der Versicherten.

Lohnnebenkosten sind nämlich keine entbehrlichen „Nebenkosten“, sondern wesentliche indirekte zur Finanzierung wichtiger Leistungen zweckgebundene Lohnbestandteile: Dienstgeberanteile zur Kranken-, Unfall, Pensions- und Arbeitslosenversicherung, Beiträge zur Entgeltsicherung bei Insolvenzen und zum Familienlastenausgleichsfonds, die AK-Umlage, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Sonderzahlungen für Feiertage, Entgelt für Ausfallzeiten, Rücklagen für Abfertigungen und Krankengeld, die Kommunalabgabe sowie Beiträge zur Wohnbauförderung und zur Berufsausbildung.

Wichtig für Zusammenhalt

Die Arbeiterkammer betont zu Recht, dass die Lohnnebenkosten elementare Bestandteile des Einkommens und der sozialen Sicherheit der Lohnabhängigen und damit des gesellschaftlichen Zusammenhalts sind. Die Kommunalabgabe ist eine wichtige Grundlage der Gemeindefinanzen. Die Abschaffung der Beiträge zur Wohnbauförderung würde das Wohnen noch mehr verteuern. Die Beiträge zur Berufsausbildung sind für ein funktionierendes Bildungssystem unerlässlich.

Ein Vollholler ist dabei auch das stets verwendete Argument der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen: 2018 rangierte Österreich laut dem deutschen Statistischen Bundesamt im EU-Vergleich mit Gesamtarbeitskosten in der Privatwirtschaft von 34,90 Euro pro Stunde auf Platz sieben, Spitzenreiter war Dänemark mit 44,70 Euro pro Stunde. Es gehört aber wohl zum kleinen Einmaleins der Wirtschaftskunde, dass für die Konkurrenzfähigkeit nach wie vor nicht die Nebenkosten, sondern immer noch die Gesamtarbeitskosten ausschlaggebend sind.

Dallingers Idee diffamiert

Bereits in den 1980er Jahren hatte der damalige Sozialminister Alfred Dallinger (SPÖ) in Vorahnung auf die kommende Rationalisierung eine Umstellung der Unternehmensbeiträge auf Basis der gesamten Wertschöpfung statt nach der reinen Lohnsumme gefordert. Seine Idee wurde freilich von der „Kronenzeitung“ als „Maschinensteuer“ diffamiert und der ÖGB ließ Dallinger mit seinem Vorstoß hängen, statt ihn nach Kräften zu unterstützen.

Und bis heute wird von Seiten der Wirtschaft der Begriff „Wertschöpfungsabgabe“ als Teufelszeug abgetan, obwohl in Hinblick auf Industrie 4.0 und Digitalisierung der Handlungsbedarf dafür dringender denn je geworden ist.