Diskriminierung legitimiert
- Donnerstag, 5. Dezember 2019 @ 10:05
Anita Strasser über den AMS-Algorithmus
Ab Jänner nächsten Jahres sollen die Jobchancen von Arbeitslosen nicht mehr individuell, sondern mittels einer Computersoftware erstelltem Algorithmus ermittelt werden. Das sogenannte PAMAS = Personalisiertes –Arbeitsmarktchancen-Assistenzsystem teilt Jobchancen künftig in drei Kategorien, nämlich H =Hohe Chancen, M =Mittlere Chancen, N =Niedrige Chancen, ein. Aber was bedeutet das für die Betroffenen?
Das Fortbildungsangebot und die Zuteilung zu unterstützenden Maßnahmen zur Jobsuche sind von der so errechneten Kategorie abhängig. Bei den zwölf abgefragten Merkmalen, die der PAMAS-Berechnung Zugrunde liegen, werden auch persönliche, nicht durch Jobsuchende selbst veränderbare, Kriterien, wie beispielsweise Geschlecht, Alter, Betreuungspflichten, oder gesundheitliche Einschränkungen einbezogen. Für alle genannten Kriterien gibt es Abzüge. Dass diese Kriterien genau jene Punkte abdecken, gegen die Anti-Diskriminierungskampagnen schon seit Jahrzehnten eintreten, stößt sauer auf. In der Praxis bedeutet das:
Eine Frau mit abgeschlossenem Masterstudium und ein Mann mit Hauptschulabschluss fallen, bei ansonsten identem Lebenslauf (inkl. Alter und Wohnort), in unterschiedliche Kategorien:
- Frau mit Masterstudium: Geschlechtsabzug -0,14 Punkte, Matura oder höhere Ausbildung +0,01 Punkte = 0,13 Punkte
- Mann mit Pflichtschulabschluss: kein Geschlechtsabzug 0,00 Punkte, keine Ausbildung 0,00 Punkte = 0 Punkte
Diese Diskrepanz verstärkt sich durch eine Mutterschaft noch einmal drastisch: Der AMS-Algorithmus zieht einer Mutter unter dem Kriterium „Betreuungspflichten“ automatisch weitere -0,15 Punkte ab, womit die Frau in unserem Beispiel auf einen Gesamtabzug von 0,28 Punkten kommt. Für einen Mann gibt es aber keinen Vaterschaftsabzug. Damit bleibt der Mann in unserem Beispiel bei 0 Punkten.
Selbst wenn ein Vater Betreuungspflichten beim AMS angibt, werden diese nicht vom PAMAS berücksichtigt. Auch eine nicht österreichische Staatsbürgerschaft oder ein wirtschaftsschwacher Wohnort führen zu Punkteabzügen. In der Praxis bedeutet das, dass Menschen aufgrund der vom PAMAS abgefragten Kriterien vom AMS unterschiedlich behandelt werden.
Diskriminierung
Rund die Hälfte der vom PAMAS verwendeten Merkmale werden in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die eine Diskriminierung verbietet, aufgelistet, aber Vertreter des AMS behaupten, dass alle Kategorien vom neuen System profitieren würden. Denken wir diese Behauptung einmal logisch zu Ende:
Wenn alle drei PAMAS-Kategorien von den Folgen der Einstufung profitieren und AMS-KundInnen durch die folgende angeblich optimierte AMS-Unterstützung schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden können, dann muss der PAMAS-Algorithmus wohl auf magische Weise zu einer Erhöhung der verfügbaren Gesamtarbeitsplätze in der Wirtschaft in der Lage sein, oder woher sollen diese verfügbaren Jobs sonst kommen?
Weitere Probleme
Der entwickelte PAMAS-Algorithmus zeigt die momentanen Korrelationen des Arbeitsmarktes, nicht die tatsächlichen kausalen Zusammenhänge. Vor allem aber verhindert PAMAS Veränderungen am Arbeitsmarkt und festigt noch immer vorhandene, stark diskriminierende Strukturen, anstatt sie aufzulösen.
Anita Strasser ist Aktivistin der Frauenbewegung in Graz
Siehe dazu auch: https://kurier.at/wirtschaft/algorith.../400692998
Ab Jänner nächsten Jahres sollen die Jobchancen von Arbeitslosen nicht mehr individuell, sondern mittels einer Computersoftware erstelltem Algorithmus ermittelt werden. Das sogenannte PAMAS = Personalisiertes –Arbeitsmarktchancen-Assistenzsystem teilt Jobchancen künftig in drei Kategorien, nämlich H =Hohe Chancen, M =Mittlere Chancen, N =Niedrige Chancen, ein. Aber was bedeutet das für die Betroffenen?
Das Fortbildungsangebot und die Zuteilung zu unterstützenden Maßnahmen zur Jobsuche sind von der so errechneten Kategorie abhängig. Bei den zwölf abgefragten Merkmalen, die der PAMAS-Berechnung Zugrunde liegen, werden auch persönliche, nicht durch Jobsuchende selbst veränderbare, Kriterien, wie beispielsweise Geschlecht, Alter, Betreuungspflichten, oder gesundheitliche Einschränkungen einbezogen. Für alle genannten Kriterien gibt es Abzüge. Dass diese Kriterien genau jene Punkte abdecken, gegen die Anti-Diskriminierungskampagnen schon seit Jahrzehnten eintreten, stößt sauer auf. In der Praxis bedeutet das:
Eine Frau mit abgeschlossenem Masterstudium und ein Mann mit Hauptschulabschluss fallen, bei ansonsten identem Lebenslauf (inkl. Alter und Wohnort), in unterschiedliche Kategorien:
- Frau mit Masterstudium: Geschlechtsabzug -0,14 Punkte, Matura oder höhere Ausbildung +0,01 Punkte = 0,13 Punkte
- Mann mit Pflichtschulabschluss: kein Geschlechtsabzug 0,00 Punkte, keine Ausbildung 0,00 Punkte = 0 Punkte
Diese Diskrepanz verstärkt sich durch eine Mutterschaft noch einmal drastisch: Der AMS-Algorithmus zieht einer Mutter unter dem Kriterium „Betreuungspflichten“ automatisch weitere -0,15 Punkte ab, womit die Frau in unserem Beispiel auf einen Gesamtabzug von 0,28 Punkten kommt. Für einen Mann gibt es aber keinen Vaterschaftsabzug. Damit bleibt der Mann in unserem Beispiel bei 0 Punkten.
Selbst wenn ein Vater Betreuungspflichten beim AMS angibt, werden diese nicht vom PAMAS berücksichtigt. Auch eine nicht österreichische Staatsbürgerschaft oder ein wirtschaftsschwacher Wohnort führen zu Punkteabzügen. In der Praxis bedeutet das, dass Menschen aufgrund der vom PAMAS abgefragten Kriterien vom AMS unterschiedlich behandelt werden.
Diskriminierung
Rund die Hälfte der vom PAMAS verwendeten Merkmale werden in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die eine Diskriminierung verbietet, aufgelistet, aber Vertreter des AMS behaupten, dass alle Kategorien vom neuen System profitieren würden. Denken wir diese Behauptung einmal logisch zu Ende:
Wenn alle drei PAMAS-Kategorien von den Folgen der Einstufung profitieren und AMS-KundInnen durch die folgende angeblich optimierte AMS-Unterstützung schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden können, dann muss der PAMAS-Algorithmus wohl auf magische Weise zu einer Erhöhung der verfügbaren Gesamtarbeitsplätze in der Wirtschaft in der Lage sein, oder woher sollen diese verfügbaren Jobs sonst kommen?
Weitere Probleme
Der entwickelte PAMAS-Algorithmus zeigt die momentanen Korrelationen des Arbeitsmarktes, nicht die tatsächlichen kausalen Zusammenhänge. Vor allem aber verhindert PAMAS Veränderungen am Arbeitsmarkt und festigt noch immer vorhandene, stark diskriminierende Strukturen, anstatt sie aufzulösen.
Anita Strasser ist Aktivistin der Frauenbewegung in Graz
Siehe dazu auch: https://kurier.at/wirtschaft/algorith.../400692998