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Auch im Sozialbereich ist was möglich

  • Samstag, 14. September 2019 @ 18:15
GPA
Heike Fischer über Arbeitszeitverkürzung bei den mobilen Diensten in der Steiermark

Seit mehr als zwei Jahren fordern die Beschäftigten der Sozialwirtschaft Österreich, der Caritas und der Diakonie die kollektivvertraglich festgelegte 35-Stunden-Woche. Bewegt hat sich bis dato noch nichts. Dass es aber auch anders gehen kann, beweist ab Oktober 2019 der mobile Dienst in der Steiermark. Dort sind Heimhilfen, PflegeassistentInnen und Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwestern bzw. Krankenpfleger beschäftigt. Für sie findet der „Kollektivvertrag für mobile Pflege- und Beratungsdienste in der Steiermark“ Anwendung.

Betroffen sind ca. 650 Beschäftigte aus drei eigenständigen Betrieben: Volkshilfe Steiermark, Hilfswerk Steiermark und Pflegerische medizinische Dienste Steiermark. Inhaltlich – also vom Gehaltsschema her sowie im Rahmenrecht unterscheidet sich dieser relativ kleine Kollektivvertrag nur unwesentlich vom mächtigen Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft, der für immerhin mehr als 80.000 Beschäftigte österreichweit gilt. Ergebnisse, die in den Verhandlungen zum KV Sozialwirtschaft erreicht werden, fließen fast schon automatisch in den KV der Mobilen Dienste Steiermark ein. Die Verhandlungen dazu sind unkompliziert und wenig aufregend.

Im vergangenen Verhandlungsjahr gestaltete sich dies jedoch etwas anders. Für die Beschäftigten der Sozialwirtschaft konnte kollektivvertraglich unter anderem ein Flexibilisierungszuschlag in Höhe von zehn bzw. 20 Euro vereinbart werden. Dies ist praktisch eine Prämie für die Kolleginnen und Kollegen, die kurzfristig einen Dienst übernehmen müssen, also einspringen. Und das passiert in manchen Bereichen nicht selten. Ein tolles Verhandlungsergebnis also. Allerdings in Richtung Arbeitszeitverkürzung war trotz zäher Verhandlungen und Warnstreiks nichts möglich.

Die ArbeitgeberInnen der Mobilen Dienste Steiermark scheinen aber echte Rechenfüchse zu sein. Kurzfristiges Einspringen kommt in diesen Pflegediensten scheinbar sehr häufig, fast einmal wöchentlich bei jeder/jedem Beschäftigten vor. Das wird teuer. Um diesen Flexibilisierungszuschlag abzuwenden, einigten sich die Verhandlungspartner auf eine Arbeitszeitverkürzung. Zunächst auf eine 37-Stunden-Woche ab Oktober 2019.

Zugesagt wurde außerdem, dass wenn zukünftig der KV Sozialwirtschaft die Arbeitszeit schrittweise reduziert, auch der Mobile Dienst Steiermark weiter reduziert, so dass er eben immer genau eine Arbeitsstunde weniger Arbeitszeit festlegt als der SWÖ-KV. De facto fand ein Abtausch statt: Arbeitszeitverkürzung statt Flexibilisierungszuschlag.

Die Beschäftigten in der Steiermark freuts, denn deren Teilzeitarbeit wird aufgewertet und nur ein Vollzeitäquivalent muss neu besetzt werden. Das Beispiel macht deutlich, dass im Gesundheits- und Sozialbereich vieles möglich ist, wenn sich die Verhandelnden Zeit zum Nachdenken und Nachrechnen nehmen.

Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße und GLB-Landesvorsitzende in OÖ