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Zugunsten der Lift-Lobby

  • Donnerstag, 18. Juli 2019 @ 09:27
Steiermark
Karin Reimelt über die „Reform“ des Hebeanlagengesetzes

Hinter dem sperrigen Titel „Hebeanlagengesetz“ verbirgt sich die Grundlage für enorme Betriebskostensteigerungen für Mieterinnen und Mieter, aber auch für WohnungseigentümerInnen. Dieses Gesetz sieht vor, dass in naher Zukunft alle älteren Liftanlagen überprüft und bei Nichterfüllung der neuen technischen Standards generalsaniert oder ausgetauscht werden müssen. Dies unabhängig davon, ob die Liftanlagen tatsächlich mangelhaft sind oder nicht. Zur Zeit finden die Überprüfungen der Liftanlagen statt. Nach und nach erfahren die BewohnerInnen nun von den bevorstehenden enormen finanziellen Belastungen, die sie durch die Sanierungsmaßnahmen treffen werden.

Betroffen von dem neuen Hebeanlagengesetz sind alle Lifte, die vor 1999 bewilligt wurden und noch kein CE-Zeichen haben. Irrelevant ist, ob die Lifte immer gewartet wurden und ob alle Reparaturen ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Auch dass bei den jährlichen Überprüfungen immer die Sicherheit der Liftanlage bestätigt wurde, ist unerheblich.

Laut Vorgabe des Gesetzes müssen nämlich auch alle bestehenden Lifte in Zukunft die Maßstäbe erfüllen, die laut EU-Aufzugsrichtlinie für neu in Verkehr gebrachte Anlagen vorgeschrieben sind.

Die Kosten, die damit verbunden sind, sind erheblich. So wurde in einer Hochhausanlage in Graz ein Kostenvoranschlag für die Nachrüstung von 80.000 Euro pro Lift vorgelegt! In anderen Fällen sind die veranschlagten Kosten sogar noch höher, muss doch im Zuge der vorgeschriebenen Liftmodernisierung auch die Elektroanlage erneuert werden, was wiederum Brandschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel den Tausch sämtlicher Wohnungseingangstüren, nach sich zieht.

Dies obwohl die Liftanlagen – zu nicht unerheblichen Kosten – immer geprüft, gewartet, abgenützte Anlagenteile ausgetauscht und die Anlagen schließlich laut gesetzlicher jährlicher Überprüfung durch den TÜV nach dem bewilligungsgemäßen Zustand für "gut" befunden wurden,

Was klar zu sagen ist: Das Land ist nicht durch zwingendes EU-Recht zur Erlassung des Gesetzes gezwungen! Sowohl die Europäische Aufzugsrichtlinie als auch die Europäische Maschinen-Richtlinie sehen erhöhte Sicherheitsbestimmungen nur für fabriksneue Aufzugsanlagen vor. Für bestehende und geprüfte Lifte in Privathäusern gibt es keine wie immer geartete zwingende europäische Norm, die diese kostspieligen Maßnahmen vorsehen würde! Das Land Steiermark beruft sich daher auch nur auf eine unverbindliche Empfehlung der EU aus dem Jahr 1995 (95/216/EG).

Gerade in älteren Häusern leben naturgemäß meist ältere Menschen. Pensionistinnen und Pensionisten, viele Witwen und Witwer, die über kein hohes Einkommen verfügen. Zudem sind bei alten Gebäuden aufgrund anderer notwendigen Renovierungsmaßnahmen, (thermischen) Sanierungen und Brandschutzmaßnahmen die Rücklagen aufgebraucht.

Werden die Fristen für die Nachrüstungsmaßnahmen nicht eingehalten, so hat die Behörde den Betrieb bescheidmäßig zu untersagen, d.h. der Lift wird stillgelegt. Für die teils betagten BewohnerInnen von Mehrfamilenhäusern, aber auch für Eltern mit kleinen Kindern oder bewegungseingeschränkten Personen wäre die Stilllegung der Liftanlagen in mehrstöckigen Häusern und Hochhäusern natürlich fatal. Der Rechtsweg kann laut Gesetz erst gegen die Sperrung der Liftanlagen eingeschlagen werden, nicht aber gegen die vorgeschriebene Sanierung. Daher stimmen die meisten Hausgemeinschaften der Sanierung zähneknirschend zu.

Interessant ist, dass die Argumentation des Landes, ältere Lifte würden eine massive Gefährdung darstellen, nicht belegt werden kann. Auf parlamentarische Nachfrage konnte das Land über die Anzahl von Liftunfällen in der Steiermark keinerlei Auskunft geben. Dies obwohl seit 2002 jeder einzelne Liftunfall der Behörde gemeldet werden muss. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich in der Steiermark in den letzten 15 Jahren tatsächlich kein einziger Lift-Unfall ereignet hat.

Fragt sich: Cui bono? Die Lift-Lobby wird jedenfalls nicht unglücklich sein über die nun zu erwartende Auftragsflut.

Karin Reimelt ist Sozialarbeiterin im KPÖ-Landtagsklub Steiermark