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Im Auftrag der Industrie

  • Samstag, 13. Juli 2019 @ 15:44
Meinung
Anne Rieger über die Bilanz von 526 Tagen Schwarz-Blau

Der Hauptaktionär von Porr soll eine Mio. Euro für den ÖVP Wahlkampf gespendet haben, seine Tochter in den Aufsichtsrat der Staatsholding ÖBAG bestellt worden sein. Die KTM-Spende von 200.000 Euro war schon länger bekannt. Jetzt werden noch weitere Spender bekannt. „Der Standort Österreich wurde in den vergangenen anderthalb Jahren auf einen guten Weg gebracht“, bilanzierte nun der Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark die Ergebnisse der beauftragten Regierung.

Der „Kurier“ veröffentlichte vergangenes Jahr eine Liste von 489 Beispielen für „Gold Plating“. Damit sind die nach österreichischem Recht höheren Mindeststandards als die der EU gemeint. Sie „übererfüllen“ nach Kapitalmeinung die EU-Vorgaben. Der Großteil der Beispiele stammte von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer. Sie hatten sie der Regierung gemeldet, um lästige Beschränkungen abschaffen zu lassen. Die Regierung Kurz lieferte. Schon vorher, im Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2016, hatte Norbert Hofer verkündet: „Sie werden sich noch wundern, was alles gehen wird.“ Mit ihrem Wirtschaftsprogramm im Wahlkampf 2017 stellte sich die FPÖ dann als Stoßtrupp der Industriellenvereinigung vor.

Zuckerl für Besserverdienende und Unternehmer

Die Umsatzsteuer für Hoteliers wurde von 13 auf 10 Prozent gesenkt, der Familienbonus war ein besonders perfider Coup für’s Klientel. Bei einem Einkommen von 3.000 Euro im Monat und drei Kindern erhält man bis zu 4.500 Euro Steuererlass. Bei nur 1.200 Euro monatlichem Einkommen erhält man aber nur 258 Euro jährlich. Es wird also nicht gekürzt, doch Reiche profitieren erheblich stärker.

Verdeckter das Geschenk der Absenkung der Beiträge zur Unfallversicherung. Bisher zahlten die Unternehmen 1,4 Milliarden Euro jährlich an Beiträgen. Die Regierung senkte die Summe um 470 Millionen Euro. Arbeitslosen- und Krankenversicherungsbeiträge für Geringverdiener werden gestrichen, das wird als „Zuckerl“ für Geringverdiener verkauft. Tatsächlich handelt es sich um eine Lohnnebenkostensenkung für die Unternehmen. Am 1. Mai wurde die Absenkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent verkündet.

Sozialleistungen gekürzt

Und was hat die Regierung in der sozialen Frage für die Mehrheit der arbeitenden Menschen getan? Unter dem Deckmantel ausländerfeindlicher Sozialpolitik verschleierte sie ihre Angriffe auf die gesamte Arbeiterklasse und die unteren sozialen Schichten. Ihre neoliberalen Angriffe kamen so zackig, dass uns Linken, Sozialdemokraten und protestierender Zivilgesellschaft die Luft zum Widerstand kaum reichte. Die trotzdem notwendige Ablenkung von ihren ökonomischen Attacken auf die Mehrheit der Bevölkerung vernebelte sie mit Themenhäppchen wie Polizeipferde, 140-Stundenkilometer auf kurzen Autobahnabschnitten, Albanienroute, Ausreisezentren oder der Aufhebung des Rauchverbots in Gaststätten.

Gekürzt wurde beim Arbeitslosenförderbudget, der Unfallversicherung, der Mindestsicherung, bei Frauenprojekten und -beratungsstellen, bei Ausbildungsvergütungen im überbetrieblichen Bereich. Die Familienbeihilfe wurde für Kinder, die im Ausland leben, an die Lebenshaltungskosten jenes Landes angepasst. Das trifft 24-Stunden-Pflegerinnen, die zum Arbeiten nach Österreich kommen.

Bundesmittel für zusätzliche Kindergartengruppen wurden nicht einmal um den Inflationsausgleich erhöht. Bis zu 13.000 Euro pro Monat erhielt dagegen eine einfache Führungskraft im Ministerium von FPÖ-Minister Kickl.


Arbeitszeit verlängert

Die Höchstarbeitszeit hob die Regierung von zehn auf zwölf Stunden, von 50 auf 60 Stunden an. Noch 2013 hatte Strache als Oppositionsführer den 12-Stunden-Arbeitstag zu einer „asozialen, leistungsfeindlichen Idee“ erklärt, „da dies für alle Arbeitnehmer Nettolohnverluste bedeuten würde“. Nun können darüber hinaus Beschäftigte viermal im Jahr von der Wochenendruhe ausgenommen werden, 300.000 Protestanten, Altkatholiken und Methodisten wurde ihr freier Karfreitag gestohlen, die Ruhenszeit im Gaststättengewerbe von elf auf acht Stunden verkürzt. Das Antrittsalter zur Altersteilzeit wurde um zwei Jahre auf 55 Jahre für Frauen, auf 60 Jahre für Männer angehoben.

Angriffe auf die Demokratie

Die Regierung hatte geplant, die Jugendvertrauensräte in den Unternehmen abzuschaffen. Dieser Angriff wurde abgewehrt. Aber: Die Gebietskrankenkassen wurden zentralisiert, Entscheidungen gegen die Stimmen der Unternehmen sind nicht mehr möglich. Sicherungshaft für bestimmte Gruppen von Asylbewerbern war geplant. Journalisten des ORF wurden drangsaliert.

Der Statistik Austria wurde eine Million Euro gekürzt, der Bundespressedienst unter der Organisationseinheit „Regierungssprecher“ von 70 auf 120 Stellen ausgeweitet. Im Bundesamt für Verfassungsschutz gab es eine Razzia, das Bundesheer wurde aufgerüstet. Die Regierung hatte den Umbau der Republik bei der Finanzmarktaufsicht, den Bundesbeteiligungen, dem Verfassungsschutz geplant.

Dass der Rassismus gefördert wurde, kann hier nicht mehr ausgeführt werden. auch nicht der Protest und Widerstand, der erheblich, aber nicht ausreichend war, um gegen die Phalanx aus Regierung, Konzernen und Banken eine tatsächliche Barriere zu errichten.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB