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KV im Visier

  • Mittwoch, 1. Mai 2019 @ 22:14
Meinung Das Vertragsrecht ist eine wichtige zivilisatorische Errungenschaft und gilt als eine der „heiligen Kühe“ der kapitalistischen Wirtschaft. Geht es aber um den heiligen Profit, dann werden Verträge schnell zum unliebsamen Hindernis. Vor allem, wenn es um Kollektivverträge geht. Nun unterliegen in Österreich 98 Prozent aller Unselbständigen einem der laut ÖGB aktuell gültigen 859 Kollektivverträge. Darum beneiden uns viele im Ausland. Im benachbarten Deutschland sank die Tarifbindung seit 2000 von 66 auf 56 Prozent – dank Schröder & Fischer hat Deutschland mit Hartz IV und Agenda 2010 den größten Niedriglohnsektor.

Allerdings stehen EU-weit solche Verträge auf der Abschussliste, auch in Österreich. So wird ein Branchen-KV für die Fluglinien blockiert. Die Wirtschaftskammer sieht ihn als Hindernis für den Standort Österreich. Vor allem die mit Dumpingpreisen arbeitenden Billigfluglinien wehren sich gegen einen KV. Im Klartext sollen die Beschäftigten mit Niedriglöhnen das Geschäft finanzieren.

Ein KV bedeutet nämlich neben der bei meist jährlichen Lohn- oder Gehaltsverhandlungen nicht nur die Festlegung verbindlicher Einkommen, sondern zudem oft auch eine Besserstellung gegenüber dem Gesetz. Etwa wenn Überstunden mit 100 Prozent Zuschlag entlohnt werden, statt wie gesetzlich mit nur 50 Prozent.

Das KV-System beruht unter anderem auch darauf, dass den Gewerkschaften als Verhandlungspartner die zuständigen Fachgruppen der Wirtschaftskammer gegenüberstehen. Die vor allem von Industriellenvereinigung, NEOS und FPÖ forcierte Infragestellung der Pflichtmitgliedschaft der Kammern ist damit auch ein Angriff auf die Kollektivverträge.

Leo Furtlehner