Wenn Think-Tanks denken…
- Dienstag, 7. Mai 2019 @ 22:12
Leo Furtlehner über Pensionsfinanzierung und neoliberalen Unsinn
Soeben wurde eine neue Offensive gegen das auf dem Umlageverfahren und dem Generationenvertrag beruhende österreichische Pensionssystem gestartet. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) – früher Manager des zum Raiffeisen-Imperiums gehörenden Versicherungskonzerns Uniqa - hatte mit einem Sager „„Staat allein kann Pension nicht zur Gänze sichern“ aufhorchen lassen (Kurier, 10.2.2019).
Nun meldet sich die NEOS-Denkfabrik Agenda Austria über „Die vielen Legenden um das Pensionssystem“ zu Wort (Die Presse, 2.4.2019). Zeitgleich im sich (neo-)liberal gebärdenden Pedant der „Pensionsexperte“ Bernd Marin über „Message-Confusion beim Pensionsalter“ (Der Standard, 2.4.2019).
Die gemeinsame Linie ist klar: Das österreichische Pensionssystem – um das uns etwa Deutschland nach Riester-Rente, Hartz IV und Agenda 2010 beneidet – muss krankgeschrieben werden. Der Erfolg dieser Methode ist, dass vor allem viele junge Menschen gar nicht mehr glauben, nach einem Erwerbsleben überhaupt noch eine Pension zu bekommen.
Dass die private Vorsorge – das Ziel solcher Kampagnen um den Banken und Versicherungen profitable Geschäfte zuzutreiben – nicht funktioniert zeigen die „Erfolge“ der Pensionskassen etwa 2018 mit einer Performance von minus 5,18 Prozent, was Leistungskürzungen bei Zusatzpensionen um bis zu 16 Prozent bedeutet. Diese sind ein derartiger Schuss ins Knie der Versicherten, dass jetzt der „Schutzverband der Pensionskassenberechtigten“ mit einem Acht-Punkte-Programm um Hilfe ruft. Diese soll in erster Linie in Verlustabdeckung aus Steuergeldern bestehen.
Natürlich steigt die Lebenserwartung und sinkt dadurch bedingt die Zahl der Erwerbstätigen pro Pensionsempfänger_in, wie Christian Höller (Agenda Austria) resümiert. Was freilich nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass das Pensionsalter hinaufgesetzt werden muss und die Pensionen zunehmend (oder überhaupt) durch private Vorsorge am höchst volatilen Finanzmarkt finanziert werden müssen.
Dass heute schon Arbeitslose ab 50 nur geringe Chancen haben einen Job zu finden bedeutet zudem, dass ein höheres Pensionsalter nur mehr Altersarbeitslosigkeit nach sich zieht, was sich wiederum in Form geringerer Pensionen niederschlägt.
Denn auch einem einfach gestrickten Ökonomen müsste bekannt sein, dass die entscheidenden Größen bei der Finanzierung des Sozialsystems nicht die Geburtenrate oder die Lebenserwartung sind, sondern die Produktivität. Aber solches Denken dürfte nicht der Funktion selbsternannter Think-Tanks entsprechen.
Denn das erfordert die Gretchenfrage: Soll die Wirtschaft den Menschen dienen – oder werden die Menschen nur als Arbeitskräfte gesehen, die dazu da sind, der Vermehrung von Kapital und Reichtum einer kleinen Minderheit zu dienen. Wenn Höller vorrechnet, dass von 1970 bis 2027 die Zahl der Erwerbstätigen pro Pensionsempfänger von 2,05 auf 1,70 gesunken ist und bis 2050 auf 1,15 sinken wird, müsste er daher seriöserweise gegenrechnen, um wieviel im selben Zeitraum die Produktivität gestiegen ist bzw. noch steigen wird.
Laut Statistik Austria ist aber von 1970 bis 2017 das Bruttoinlandsprodukt Österreichs von 27,3 auf 369,9 Mrd. Euro, also auf fast das 14fache gestiegen. Und da wird uns vorgejammert, dass der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar sein soll? Fragt sich wohin die von den Lohnabhängigen erarbeitete Leistung geflossen ist.
Aber Seriosität scheint nicht sein Anliegen zu sein. Und wohl schon gar nicht die daraus folgernde Bemessung der Unternehmensbeiträge zur Pensions- wie allgemein zur Sozialversicherung nach der gesamten Wertschöpfung statt wie derzeit nach der reinen Lohnsumme. Ist doch die in den 1980er Jahren vom damaligen Sozialminister Alfred Dallinger in die Debatte eingebrachte Wertschöpfungsabgabe für die medialen wie politischen Schleppenträger von Kapital und Reichtum pures Teufelszeug.
Etwa für "Standard"-Redakteur Eric Frey, welcher der schwarz-blauen Regierung vorwirft, die gute (wirtschaftliche) Wetterlage nicht für Reformen bei Pensionen und Verwaltung zu nutzen (Der Standard, 1.4.2019). Da will wohl einer mit neoliberalem Extremismus den rechten Extremismus übertrumpfen – beides nur die zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Höller wie Marin sind höchst empört darüber, dass ÖGB, AK und Regierung keinen Handlungsbedarf bei den Pensionen sehen. Nun wird das ohnehin durch die Löger-Ansage konterkariert und das mediale Getöse über die Unfinanzierbarkeit der Pensionen dürfte der Auftakt für entsprechende Handlungen der Regierung sein.
Handlungsbedarf gibt es sicher – freilich anders als die neoliberalen „Denker“ meinen. Nämlich bei Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Pensionen, eben durch die angeführte Wertschöpfungsabgabe oder auch die 1956 mit dem ASVG vereinbarte Drittelfinanzierung durch Versicherte, Unternehmen und Staat. Davon ist der Staat nämlich weit entfernt: Während der Staat den Bauern 84,3 Prozent und den Selbständigen 35,4 Prozent zu den Pensionen zuschießt, sind das bei den Unselbständigen nur 17,8 Prozent (Stand 2013).
Soeben wurde eine neue Offensive gegen das auf dem Umlageverfahren und dem Generationenvertrag beruhende österreichische Pensionssystem gestartet. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) – früher Manager des zum Raiffeisen-Imperiums gehörenden Versicherungskonzerns Uniqa - hatte mit einem Sager „„Staat allein kann Pension nicht zur Gänze sichern“ aufhorchen lassen (Kurier, 10.2.2019).
Nun meldet sich die NEOS-Denkfabrik Agenda Austria über „Die vielen Legenden um das Pensionssystem“ zu Wort (Die Presse, 2.4.2019). Zeitgleich im sich (neo-)liberal gebärdenden Pedant der „Pensionsexperte“ Bernd Marin über „Message-Confusion beim Pensionsalter“ (Der Standard, 2.4.2019).
Die gemeinsame Linie ist klar: Das österreichische Pensionssystem – um das uns etwa Deutschland nach Riester-Rente, Hartz IV und Agenda 2010 beneidet – muss krankgeschrieben werden. Der Erfolg dieser Methode ist, dass vor allem viele junge Menschen gar nicht mehr glauben, nach einem Erwerbsleben überhaupt noch eine Pension zu bekommen.
Dass die private Vorsorge – das Ziel solcher Kampagnen um den Banken und Versicherungen profitable Geschäfte zuzutreiben – nicht funktioniert zeigen die „Erfolge“ der Pensionskassen etwa 2018 mit einer Performance von minus 5,18 Prozent, was Leistungskürzungen bei Zusatzpensionen um bis zu 16 Prozent bedeutet. Diese sind ein derartiger Schuss ins Knie der Versicherten, dass jetzt der „Schutzverband der Pensionskassenberechtigten“ mit einem Acht-Punkte-Programm um Hilfe ruft. Diese soll in erster Linie in Verlustabdeckung aus Steuergeldern bestehen.
Natürlich steigt die Lebenserwartung und sinkt dadurch bedingt die Zahl der Erwerbstätigen pro Pensionsempfänger_in, wie Christian Höller (Agenda Austria) resümiert. Was freilich nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass das Pensionsalter hinaufgesetzt werden muss und die Pensionen zunehmend (oder überhaupt) durch private Vorsorge am höchst volatilen Finanzmarkt finanziert werden müssen.
Dass heute schon Arbeitslose ab 50 nur geringe Chancen haben einen Job zu finden bedeutet zudem, dass ein höheres Pensionsalter nur mehr Altersarbeitslosigkeit nach sich zieht, was sich wiederum in Form geringerer Pensionen niederschlägt.
Denn auch einem einfach gestrickten Ökonomen müsste bekannt sein, dass die entscheidenden Größen bei der Finanzierung des Sozialsystems nicht die Geburtenrate oder die Lebenserwartung sind, sondern die Produktivität. Aber solches Denken dürfte nicht der Funktion selbsternannter Think-Tanks entsprechen.
Denn das erfordert die Gretchenfrage: Soll die Wirtschaft den Menschen dienen – oder werden die Menschen nur als Arbeitskräfte gesehen, die dazu da sind, der Vermehrung von Kapital und Reichtum einer kleinen Minderheit zu dienen. Wenn Höller vorrechnet, dass von 1970 bis 2027 die Zahl der Erwerbstätigen pro Pensionsempfänger von 2,05 auf 1,70 gesunken ist und bis 2050 auf 1,15 sinken wird, müsste er daher seriöserweise gegenrechnen, um wieviel im selben Zeitraum die Produktivität gestiegen ist bzw. noch steigen wird.
Laut Statistik Austria ist aber von 1970 bis 2017 das Bruttoinlandsprodukt Österreichs von 27,3 auf 369,9 Mrd. Euro, also auf fast das 14fache gestiegen. Und da wird uns vorgejammert, dass der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar sein soll? Fragt sich wohin die von den Lohnabhängigen erarbeitete Leistung geflossen ist.
Aber Seriosität scheint nicht sein Anliegen zu sein. Und wohl schon gar nicht die daraus folgernde Bemessung der Unternehmensbeiträge zur Pensions- wie allgemein zur Sozialversicherung nach der gesamten Wertschöpfung statt wie derzeit nach der reinen Lohnsumme. Ist doch die in den 1980er Jahren vom damaligen Sozialminister Alfred Dallinger in die Debatte eingebrachte Wertschöpfungsabgabe für die medialen wie politischen Schleppenträger von Kapital und Reichtum pures Teufelszeug.
Etwa für "Standard"-Redakteur Eric Frey, welcher der schwarz-blauen Regierung vorwirft, die gute (wirtschaftliche) Wetterlage nicht für Reformen bei Pensionen und Verwaltung zu nutzen (Der Standard, 1.4.2019). Da will wohl einer mit neoliberalem Extremismus den rechten Extremismus übertrumpfen – beides nur die zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Höller wie Marin sind höchst empört darüber, dass ÖGB, AK und Regierung keinen Handlungsbedarf bei den Pensionen sehen. Nun wird das ohnehin durch die Löger-Ansage konterkariert und das mediale Getöse über die Unfinanzierbarkeit der Pensionen dürfte der Auftakt für entsprechende Handlungen der Regierung sein.
Handlungsbedarf gibt es sicher – freilich anders als die neoliberalen „Denker“ meinen. Nämlich bei Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Pensionen, eben durch die angeführte Wertschöpfungsabgabe oder auch die 1956 mit dem ASVG vereinbarte Drittelfinanzierung durch Versicherte, Unternehmen und Staat. Davon ist der Staat nämlich weit entfernt: Während der Staat den Bauern 84,3 Prozent und den Selbständigen 35,4 Prozent zu den Pensionen zuschießt, sind das bei den Unselbständigen nur 17,8 Prozent (Stand 2013).