Schifferlfahren auf der Donau
- Montag, 6. Mai 2019 @ 22:09
Casimir Paltinger über Auswüchse des Kreuzfahrttourismus
Kreuzfahrten sind ein nach wie vor wachsendes Segment im Tourismus. Wachsend, weil es der Schiffe immer mehr und die Saison immer länger wird. Eigentlich könnte damit die Kreuzfahrerei der allgemeine Segensbringer sein. Kreuzfahrer waren aber selten in der Geschichte Segensbringer.
Wer profitiert?
Der Gast wird hoffentlich mit ausschließlich angenehmen Erinnerungen zurückkehren. Sein Erlebnis hängt vom Programm und der eigenen Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Orten und Menschen ab. Der Gast bleibt die Zeit über in seinem geschützten Habitat, dem Schiff, er erlebt die Welt im Vorbeigleiten, unberührt von verstörenden Momenten oder Aussagen und bekommt handverlesene Sehenswürdigkeiten vorgesetzt. Der Gast erlebt nicht mehr, es wird ihm erlebt. Die Aufnahmefähigkeit nach einem Interkontinentalflug soll hier undiskutiert bleiben.
Die besuchten Einrichtungen wie Museen, Heurigen oder Städte werden geflutet mit Menschenmassen. So werden sie wohlgetaktet durch die Einrichtung durchgeschleust und es bleibt angesichts der nächsten Welle oder dem nächsten Programmpunkt wenig Raum für Zeit und Erleben. Vieles wird im Tourismus auf die reine Präsenz vor Ort reduziert. Für die Auslastung der einzelnen Einrichtungen sind diese Touristen sehr willkommen. Sie sind planbar, die Einnahmen gesichert und verursachen wenig Aufwand. Wiewohl sie an manchen Orten wie Stift Melk, Schönbrunn etc. für einen Verdrängungswettbewerb sorgen und die Einrichtungen an ihre Grenzen bringen.
Ein Schiff, das angelegt hat, bedeutet nicht automatisch auch einen Gewinn für die örtliche Wirtschaft. Es gibt diverse Anlegestellen, die nur zur Ein- und Ausschiffung angefahren werden, resp. als Ausgangspunkt zu weiter weg gelegenen Orten; deren Gäste sehen nicht einmal den Hauptplatz. Manche Veranstalter bieten einen Stadtrundgang an, der meist wieder beim Schiff endet; dort steht das Mittagessen bereit. Ein paar Gäste werden nachher ein Museum besuchen oder bummeln.
An einigen Orten stellen die Schiffe die Haupteinnahmequelle für die Guides dar. Teilweise übersteigt die Nachfrage an Guides bereits die Verfügbarkeiten. Um genügend Guides zur Verfügung zu haben und auch um Kosten zu reduzieren, werden, wenn immer möglich, teilweise auch illegal, deutsche oder tschechische Kollegen angefordert.
Sie fahren für Ganztagesausflüge zeitig in der Früh mit dem Auto nach Linz. Mit den Gästen im Bus nach AB und abends retour nach Linz und im Anschluss zurück nach Hause. Im Vergleich zu unseren Tarifen ist das dortige Honorar nur halb so hoch. Eine rechtlich einwandfreie Situation, die gleichzeitig eine gewaltige Ausbeutung darstellt.
Abgesehen von den Guides gibt es allerdings keine weitere große Gruppe, die vom Schiffstourismus profitiert. Große Busunternehmen haben Töchterfirmen in Ungarn, der Slowakei oder Rumänien gegründet, um auch diese Dienstleistung billig anbieten zu können. Die Busse fahren bei manchen Firmen parallel zu den Schiffen über die gesamte Reise hinweg; die meiste Zeit also leer.
Wochenlange Turnusse, miserable und überteuerte Unterkünfte, die ihnen direkt vom Lohn abgezogen werden und wachsende Rivalitäten mit heimischen Busfahrern sind der Arbeitsalltag. Einige unter ihnen verfügen über geringe Fremdsprachenkenntnisse und so sind sie auch über Wochen hinweg sozial ziemlich isoliert.
Die Crew teilt sich in mehrere Gruppen auf: Das Personal vom Charterbetrieb, die sichtbare und die unsichtbare Crew. Von der sichtbaren und unsichtbaren Crew müssen viele mehrere Positionen ausfüllen. KellnerInnen sind oft bei den abendlichen Folkloreveranstaltungen vom Typ „Wachauer Marillenromantik“ die DarstellerInnen, Matrosen be- und entladen Koffer und Essen oder schleppen Fahrräder über enge Korridore.
Ihr Leben findet komplett isoliert von den Gästen statt, kein Gast bekommt jemals die Kabine eines Matrosen zu sehen, die in Platzangebot und Privatsphäre sehr unterschiedlich zu denen der Gäste sind. Auch sie sind monatelang von ihren Familien getrennt. Für die meisten von ihnen bleibt keine Wahl angesichts der darniederliegenden Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas. Und wenn die Saison sich dem Ende zuneigt, beginnt die Zitterpartie, ob es für das nächste Jahr wieder einen Vertrag geben wird; aufmucken wird geahndet. Angestellt wird die Crew in dem Land, das die geringsten sozialen Regelungen hat.
Die Versorgung der Schiffe ist komplett an Generalunternehmen vergeben worden. So wird in Abwesenheit der Passagiere von (meist deutschen) Frächtern Nahrungsmittel aus allen Teilen der Welt herangekarrt. Der Preis ist der entscheidende Faktor, nicht Saison oder Regionalität.
Die Anreise mit dem Flugzeug; der Diesel für das Schiff; Essen aus allen Teilen der Welt mit dem LKW herangekarrt; der Bus, der parallel zum Schiff fährt: durchgehend laufende Schiffsmotoren – der Aufwand, der nötig ist, einen Gast zu, auf und von einem Schiff zu transportieren erzeugt einen beeindruckenden CO²-Abdruck pro Person. Die Natur ist auf keinen Fall ein Gewinner.
Casimir Paltinger arbeitet als Guide in Linz und Mauthausen
Kreuzfahrten sind ein nach wie vor wachsendes Segment im Tourismus. Wachsend, weil es der Schiffe immer mehr und die Saison immer länger wird. Eigentlich könnte damit die Kreuzfahrerei der allgemeine Segensbringer sein. Kreuzfahrer waren aber selten in der Geschichte Segensbringer.
Wer profitiert?
Der Gast wird hoffentlich mit ausschließlich angenehmen Erinnerungen zurückkehren. Sein Erlebnis hängt vom Programm und der eigenen Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Orten und Menschen ab. Der Gast bleibt die Zeit über in seinem geschützten Habitat, dem Schiff, er erlebt die Welt im Vorbeigleiten, unberührt von verstörenden Momenten oder Aussagen und bekommt handverlesene Sehenswürdigkeiten vorgesetzt. Der Gast erlebt nicht mehr, es wird ihm erlebt. Die Aufnahmefähigkeit nach einem Interkontinentalflug soll hier undiskutiert bleiben.
Die besuchten Einrichtungen wie Museen, Heurigen oder Städte werden geflutet mit Menschenmassen. So werden sie wohlgetaktet durch die Einrichtung durchgeschleust und es bleibt angesichts der nächsten Welle oder dem nächsten Programmpunkt wenig Raum für Zeit und Erleben. Vieles wird im Tourismus auf die reine Präsenz vor Ort reduziert. Für die Auslastung der einzelnen Einrichtungen sind diese Touristen sehr willkommen. Sie sind planbar, die Einnahmen gesichert und verursachen wenig Aufwand. Wiewohl sie an manchen Orten wie Stift Melk, Schönbrunn etc. für einen Verdrängungswettbewerb sorgen und die Einrichtungen an ihre Grenzen bringen.
Ein Schiff, das angelegt hat, bedeutet nicht automatisch auch einen Gewinn für die örtliche Wirtschaft. Es gibt diverse Anlegestellen, die nur zur Ein- und Ausschiffung angefahren werden, resp. als Ausgangspunkt zu weiter weg gelegenen Orten; deren Gäste sehen nicht einmal den Hauptplatz. Manche Veranstalter bieten einen Stadtrundgang an, der meist wieder beim Schiff endet; dort steht das Mittagessen bereit. Ein paar Gäste werden nachher ein Museum besuchen oder bummeln.
An einigen Orten stellen die Schiffe die Haupteinnahmequelle für die Guides dar. Teilweise übersteigt die Nachfrage an Guides bereits die Verfügbarkeiten. Um genügend Guides zur Verfügung zu haben und auch um Kosten zu reduzieren, werden, wenn immer möglich, teilweise auch illegal, deutsche oder tschechische Kollegen angefordert.
Sie fahren für Ganztagesausflüge zeitig in der Früh mit dem Auto nach Linz. Mit den Gästen im Bus nach AB und abends retour nach Linz und im Anschluss zurück nach Hause. Im Vergleich zu unseren Tarifen ist das dortige Honorar nur halb so hoch. Eine rechtlich einwandfreie Situation, die gleichzeitig eine gewaltige Ausbeutung darstellt.
Abgesehen von den Guides gibt es allerdings keine weitere große Gruppe, die vom Schiffstourismus profitiert. Große Busunternehmen haben Töchterfirmen in Ungarn, der Slowakei oder Rumänien gegründet, um auch diese Dienstleistung billig anbieten zu können. Die Busse fahren bei manchen Firmen parallel zu den Schiffen über die gesamte Reise hinweg; die meiste Zeit also leer.
Wochenlange Turnusse, miserable und überteuerte Unterkünfte, die ihnen direkt vom Lohn abgezogen werden und wachsende Rivalitäten mit heimischen Busfahrern sind der Arbeitsalltag. Einige unter ihnen verfügen über geringe Fremdsprachenkenntnisse und so sind sie auch über Wochen hinweg sozial ziemlich isoliert.
Die Crew teilt sich in mehrere Gruppen auf: Das Personal vom Charterbetrieb, die sichtbare und die unsichtbare Crew. Von der sichtbaren und unsichtbaren Crew müssen viele mehrere Positionen ausfüllen. KellnerInnen sind oft bei den abendlichen Folkloreveranstaltungen vom Typ „Wachauer Marillenromantik“ die DarstellerInnen, Matrosen be- und entladen Koffer und Essen oder schleppen Fahrräder über enge Korridore.
Ihr Leben findet komplett isoliert von den Gästen statt, kein Gast bekommt jemals die Kabine eines Matrosen zu sehen, die in Platzangebot und Privatsphäre sehr unterschiedlich zu denen der Gäste sind. Auch sie sind monatelang von ihren Familien getrennt. Für die meisten von ihnen bleibt keine Wahl angesichts der darniederliegenden Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas. Und wenn die Saison sich dem Ende zuneigt, beginnt die Zitterpartie, ob es für das nächste Jahr wieder einen Vertrag geben wird; aufmucken wird geahndet. Angestellt wird die Crew in dem Land, das die geringsten sozialen Regelungen hat.
Die Versorgung der Schiffe ist komplett an Generalunternehmen vergeben worden. So wird in Abwesenheit der Passagiere von (meist deutschen) Frächtern Nahrungsmittel aus allen Teilen der Welt herangekarrt. Der Preis ist der entscheidende Faktor, nicht Saison oder Regionalität.
Die Anreise mit dem Flugzeug; der Diesel für das Schiff; Essen aus allen Teilen der Welt mit dem LKW herangekarrt; der Bus, der parallel zum Schiff fährt: durchgehend laufende Schiffsmotoren – der Aufwand, der nötig ist, einen Gast zu, auf und von einem Schiff zu transportieren erzeugt einen beeindruckenden CO²-Abdruck pro Person. Die Natur ist auf keinen Fall ein Gewinner.
Casimir Paltinger arbeitet als Guide in Linz und Mauthausen