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Zu Ende gedacht

  • Donnerstag, 2. Mai 2019 @ 21:53
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Buchtipp von Anne Rieger

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst einer reaktionären Gegenreform“: Auf der Grundlage dieses Statements befragen Tom Schmid und Nikolaus Dimmel 46 Prominente, darunter Karl Marx, wie das zu erwartende Ende des Handelns dieser Regierung sein wird und was dagegen zu tun sei. Also: zu Ende gedacht! Ziel sei es, den Leser*innen zu helfen, aus der Schockstarre zu erwachen und handlungsfähig zu werden. Dem Handeln bei Schwierigkeiten gehe das Denken voraus, wie schon Brecht wusste. Und auch, dass das Denken zu den größten Vergnügungen gehört. Und so ist es mit diesem Büchlein, es ist vergnüglich zu lesen. Drei Fragen an Prominente lauten: Was ist los? Was wird geschehen? Was tun?

Gleich zu Beginn verortet Josef Christian Aigner „Die Linke als Mitproduzentin des Rechtsrucks“, während Jörg Flecker „Suggestive Maßnahmen und Klassenpolitik“ analysiert. Die neoliberale Hegemonie sei nicht über Nacht über uns hereingebrochen, sondern Jahrzehnte sei von gut organisierten Kreisen darauf hingearbeitet worden.

Eine ähnlich langfristige Perspektive sowie Visionen würden gebraucht, um die Überlegenheit der Marktradikalen zu beenden. Christine Stelzer-Orthofer ruft „Die sozialpolitische Agenda der türkis-blauen Regierung 2027-2022“ ins Gedächtnis, und Erwin Riess erinnert, dass der Finanzminister von der Raiffeisenspitze auf den Posten des Finanzministers gehievt wurde.

Peter Turrini fragt „Was ist los? Warum gibt es so viele Menschen in diesem Land, die von einem adrett zugerichteten jungen Mann und einer Horde von Burschenschaftern das nächste Regierungsheil erwarten?“ Emmerich Talos fordert auf, zu beachten, „dass es die Regierungen der Jahre 2000 – 2006 waren, die mit sogenannten Reformen harsche Kürzungen der Leistungen in der Pensions- und Arbeitslosenversicherung brachten“.

Tom Schmid verlangt „Ans Ende zu denken“ und das neue, türkis-blaue Herrschaftssystem als beschränkt und daher veränderbar, ablösbar darzustellen. Dem kann man mit Marx zustimmen: „die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern“.

Nur, wie das geschehen soll, da sind konkrete Antworten – so gut und gehaltvoll die Analysen sind – eher spärlich. „Kooperation von sozialen Bewegungen mit Gewerkschaften, Potential von großen Demonstrationen ausschöpfen. Umfassend der weitere Blick: „Wer die Ursachen von Ausbeutung und Entfremdung, von Krieg und Hunger, Armut, Flucht und Verzweiflung, von Arbeitshetze und Arbeitslosigkeit, von Umweltzerstörung, Diskriminierung, Rassismus, Chauvinismus und Unterdrückung beseitigen will, der muss mit dem Kapitalismus brechen“, so Alfred Noll.

Zu Ende gedacht. Österreich nach Türkis-Blau, Nikolaus Dimmel und Tom Schmid (HG.), Mandelbaum Verlag, Edition kritik & utopie, Wien/Berlin 2018, 20 Euro, ISBN: 978385476-681-0

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB