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Ruhepausen nach der Dienstzeit

  • Montag, 25. Februar 2019 @ 08:00
Meinung
Leo Furtlehner über die Post AG

Offiziell ist die Post AG eine Erfolgsgeschichte. Kürzlich präsentierte Post-Boss Georg Pölzl stolz die neuen Uniformen – Halstücher und Krawatten mit Poststempel, gelbe Hemdblusenkleider, Poloshirts mit schwarzem Kragen – mit denen die 12.000 Mitarbeiter_innen modisch neu eingekleidet wurden. Gestaltet von der Designerin Marina Hoermanseder und „Instagrammable“. Die Wirkung in der digitalen Welt ist nämlich wichtiger als die reale Arbeit der Postler_innen.

Freilich wurde süffisant angemerkt (Die Presse“, 1.2.2019), dass für den Post-Chef die Ermittlungen der Datenschutzkommission brisanter sind. Geriet doch die Post AG negativ in die Schlagzeilen, weil sie seit Jahren Millionen Datensätze von Post-Kund_innen nicht nur mit Adresse, sondern auch mit vermuteter Parteipräferenz lukrativ vermarktet hatte. Die Rechercheplattform „Addendum“ stellte zudem fest, dass die Post mit Partnerunternehmen das Surfverhalten ausgewertet und maßgeschneiderte Werbung ermöglicht hatte. Das Projekt wurde abrupt gestoppt.

Gravierender ist freilich eine „Posttraumatische Belastungsstörung“ (Die Presse, 15.12.2018), nämlich das Platzen des Deals, dass anstelle der BAWAG die deutsche Fin Tech Group das Bankgeschäft in den Postfilialen übernehmen sollte. Das Geschäft platzte und wird teuer. 2017 verkündete die BAWAG bis Ende 2019 aus den Postfilialen auszuziehen. Im September 2018 hatte man endlich einen Nachfolger gefunden. Ende November 2018 platzte freilich der Deal, weil Fin Tech Group erst Mitte 2020 mit einer österreichischen Banklizenz rechnen konnte.

Allerdings hatte die Post AG bereits im Oktober 2018 um 35 Mio. Euro Aktien des erhofften deutschen Partners zum Kurs von 28,50 Euro pro Aktie erworben. Die geplanten 50 Mio. Euro von Fin Tech Group für das Joint Venture blieben freilich aus. Über die Bonität des deutschen Unternehmens wird spekuliert. Der Kurs für die 6,54 Prozent-Beteiligung der Post sackte nach dem Aus für die geplante Kooperation auf neun Euro pro Aktie ab. Post-Aktionäre sehen sich geschädigt. Der verantwortliche Post-Vorstand Walter Hitziger wurde zum Abschusskandidaten. Die in der Post noch nicht präsente FPÖ spitzt auf seinen Posten.

Aber Post-Boss Pölzl weiß, wo er sich für solche Pleiten schadlos halten kann – beim Personal. So laufen mehrere Verfahren, weil der halbstaatliche Betrieb den Zusteller_innen die Mittagspause nicht bezahlen will und sich viele Postler_innen gemobbt sehen. Sogar für die oö Arbeiterkammer ist die als „rot“ geltende Post zum Feindbild geworden.

Im „Schwarzbuch Arbeitswelt“ 2016 rangierte die Post AG unter den TOP10 der „Schwarzen Schafe“. Es ging um die rechtswidrige Beendigung von Arbeitsverhältnissen, falsche Berechnung von Abfertigungen und Urlaubsersatzleistungen, unbezahlte Überstunden, rechtswidrige Abzügen wegen angeblicher „Minusstunden“ und unberechtigte Schadenersatzforderungen. Satte 139.166 Euro musste die AK für Betroffene gerichtlich und außergerichtlich erstreiten.

Im September 2018 wurde einem Kärntner Postler gerichtlich Anspruch auf Nachzahlung zugesprochen, weil er „an insgesamt 624 Tagen eine Mittagspause von 30 Minuten nicht während der bezahlten Dienstzeit“ verrichten konnte (Die Presse, 26.1.2019). Im Dezember wurde einem Postbediensteten Schadensersatz von 100.000 Euro zugesprochen, weil er durch rechtswidrige Personalmaßnahmen psychisch und physisch erkrankt war und durch vorzeitiges Abdrängen in den Ruhestand finanzielle Einbußen erlitten hatte.

Spitze eines Eisberges

Hintergrund ist die Verweigerung der Unterschrift für eine sogenannte „Ist-Zeitvereinbarung“ auf einer von Post-Boss Pölzl mit Betriebsratschef Helmut Köstinger vereinbarten Dienstanweisung vom Dezember 2012 für die rund 8.000 Zusteller_innen, in welcher festgehalten wurde „Die Ruhepause zählt nicht zur bezahlten Dienstzeit und wird daher außerhalb der tatsächlichen Tagesdienstzeit konsumiert.“

Laut Urteilen von Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof ist eine solche Praxis freilich rechtswidrig. Der von Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) vertretene Post-Vorstand behauptet zwar „Selbstverständlich respektiert die Post die Entscheidungen diverser Gerichte“, ignoriert in der Praxis aber diese Gerichtsurteile und will durch Berufungen seinen Standpunkt um jeden Preis durchsetzen.

Der seit 2010 amtierende Personalchef Franz Nigl gilt als Hardliner. Er hatte schon als vormaliger ÖBB-Personalchef mit einer illegalen Sammlung von Krankenstandsdaten und -diagnosen von Mitarbeiter_innen von sich reden gemacht und galt dort als „Mann fürs Grobe“.

Nigl hatte im Oktober 2015 in einem Interview ganz offen erklärt „wir werden jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem neuen Modell nicht einverstanden sind, aus der Zustellung abziehen, und dies rasch.“ Die Praxis ist bekannt: Zuteilung geringwertiger Arbeitsplätze, Versetzung in vom Wohnort weit entfernte Regionen und nach entsprechender körperlicher und seelischer Zermürbung Abschieben in den vorzeitigen Ruhestand.

Weit hat sie es gebracht, die Post AG, seitdem infolge des Börseganges von 2006 für den Vorstand als Vorgabe nur mehr gilt, größtmögliche Dividenden aus den Beschäftigten herauszupressen.

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“