Drohende Kündigungswelle bei IKEA
- Samstag, 23. Februar 2019 @ 08:00
Leo Kühberger über die Praktiken des schwedischen Möbel-Multis
Als Ende November durchgesickert ist, dass IKEA weltweit 7.500 Stellen streichen will, war die Verunsicherung unter den 160.000 Beschäftigen groß. Das Unternehmen befindet sich seit Jahren auf Expansionskurs und konnte sowohl Umsatz als auch Gewinn regelmäßig steigern. Daher herrscht vielerorts Unverständnis, warum nun beinahe fünf Prozent der Stellen gestrichen werden sollen. Bei eilig einberufenen Informationsveranstaltungen bemühte sich das Management den Beschäftigten die sogenannte „Business Transformation“ näher zu bringen. Dabei war der Stellenabbau aber nur ein Randthema und es wurde vor allem über die Herausforderungen, vor denen das Unternehmen, besonders angesichts des immer wichtiger werdenden Online-Handels, stehen würde, gesprochen.
Diese Herausforderungen würden eben Umstrukturierungen notwendig machen. Vom Stellenabbau, so wurde beteuert, wäre aber nur die „Verwaltung“ in den globalen und nationalen Konzernzentralen, beispielsweise also im schwedischen Hubhult oder eben in Vösendorf, betroffen. Außerdem wurde die Geschäftsleitung nicht müde zu betonen, dass im selben Zeitraum 11.500 neue Stellen geschaffen werden. IKEA also in Zukunft nicht 7.500 Menschen weniger, sondern 4.000 mehr beschäftigen wird.
„Blue Collar“ vs. „White Collar“
Vor allem bei dieser Rechnung fühlten sich viele Mitarbeiter*innen gefrotzelt, denn der schwedische Möbelriese befindet sich auf einem steten Expansionskurs, der nach der Wirtschaftskrise von 2008 nochmal an Fahrt aufgenommen hat, und eröffnet insbesondere in Asien laufend neue Einrichtungshäuser und Einkaufszentren. Für die Kollegen und Kolleginnen in den bestehenden Einrichtungshäusern ist es also nur ein schwacher Trost, wenn an den neuen Standorten zwar Jobs geschaffen werden, im Gegenzug aber bei den alten Belegschaften rationalisiert wird.
Mit der Ankündigung, dass nur die jeweiligen Zentralen betroffen wären, versucht das Management das alte Spiel der Spaltung zu spielen: Blue Collar vs. White Collar. Die Angestellten in den Büros sollen gegen die Arbeiter*innen im Lager und im Verkauf ausgespielt werden. Aber schon jetzt ist der Arbeitsdruck in allen Bereichen immens. Viele kommen da einfach nicht mehr mit und verlassen nach kurzer Zeit mehr oder weniger freiwillig das Unternehmen.
Diese hohe Fluktuation wirkt sich nicht nur negativ auf den Zusammenhalt unter den Kolleg*innen aus, sondern scheint auch die Abläufe im Betrieb zu gefährden. Das dürfte wohl ausschlaggebend dafür gewesen sein, warum letztes Frühjahr die Einstiegsgehälter völlig überraschend angehoben wurden und nun um mehr als zehn Prozent über dem Handelskollektivvertrag liegen.
Zugleich zeigt diese Gehaltssteigerung wie profitabel Handelsbetriebe trotz des dauernden Wehklagens eigentlich sind. Im besonderen trifft das auf IKEA zu. Aktuell betreibt IKEA 355 Einrichtungshäuser in 29 Ländern. Dazu kommen noch 43 Einkaufszentren und eine wachsende Zahl von reinen Logistikstandorten und Abholstationen für online bestellte Waren. Seit 2008 konnte der Umsatz kontinuierlich von 21,5 Mrd. Euro auf 36,3 Mrd. gesteigert werden. Laut Konzernangaben wurde 2016 ein Gewinn von 4,2 Milliarden und 2017 von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet, wobei der tatsächliche Gewinn angesichts der unübersichtlichen Konzernstruktur schwer zu eruieren ist.
Wie reagieren Betriebsrat und Belegschaft?
Auch wenn Teile der Belegschaft auf die Ankündigungen der Unternehmensleitung vertrauen, zeigen sich viele skeptisch oder gar wütend, weil, wie sie meinen, hinter der „Business Transformation“ doch nur der Versuch steht, ein hochprofitables Unternehmen noch profitabler zu machen. In den letzten Jahren wurden zwar an allen österreichischen Standorten Betriebsräte durchgesetzt, diese verhalten sich aber bisher weitgehend ruhig.
Etwas anders ist die Situation in Deutschland, dem nach wie vor wichtigsten Absatzmarkt mit einem Umsatz von fünf Milliarden Euro. Hier übt der Gesamtbetriebsrat offen Kritik am intransparenten Vorgehen der Konzernleitung und drängt auf eine „Zukunftssicherung“ für alle Kolleg*innen: Keine betriebsbedingten Kündigungen, kein Outsourcing, Erhaltung der bestehenden Standorte und, wenn nötig, Qualifizierungsmaßnahmen für die Kolleg*innen, die von der Umstrukturierung betroffen sind.
Auch in Österreich pflegt IKEA sein „schwedisches“ Image. Am Mitarbeiter*inneneingang prangt in großen Lettern das Wort „Tillsammans“, ein zentraler Begriff der IKEA-Unternehmensideologie. „Tillsammans“ bedeutet „Zusammen“. Für die dreitausend Menschen, die hierzulande für IKEA arbeiten, wäre es an der Zeit das nicht im Sinne der Profitmaximierung zu verstehen, sondern sich zusammen gegen den angekündigten Stellenabbau zur Wehr zu setzen.
Leo Kühberger lebt in Graz und hat bei IKEA gearbeitet. Im Jänner 2019 wurde er entlassen
Als Ende November durchgesickert ist, dass IKEA weltweit 7.500 Stellen streichen will, war die Verunsicherung unter den 160.000 Beschäftigen groß. Das Unternehmen befindet sich seit Jahren auf Expansionskurs und konnte sowohl Umsatz als auch Gewinn regelmäßig steigern. Daher herrscht vielerorts Unverständnis, warum nun beinahe fünf Prozent der Stellen gestrichen werden sollen. Bei eilig einberufenen Informationsveranstaltungen bemühte sich das Management den Beschäftigten die sogenannte „Business Transformation“ näher zu bringen. Dabei war der Stellenabbau aber nur ein Randthema und es wurde vor allem über die Herausforderungen, vor denen das Unternehmen, besonders angesichts des immer wichtiger werdenden Online-Handels, stehen würde, gesprochen.
Diese Herausforderungen würden eben Umstrukturierungen notwendig machen. Vom Stellenabbau, so wurde beteuert, wäre aber nur die „Verwaltung“ in den globalen und nationalen Konzernzentralen, beispielsweise also im schwedischen Hubhult oder eben in Vösendorf, betroffen. Außerdem wurde die Geschäftsleitung nicht müde zu betonen, dass im selben Zeitraum 11.500 neue Stellen geschaffen werden. IKEA also in Zukunft nicht 7.500 Menschen weniger, sondern 4.000 mehr beschäftigen wird.
„Blue Collar“ vs. „White Collar“
Vor allem bei dieser Rechnung fühlten sich viele Mitarbeiter*innen gefrotzelt, denn der schwedische Möbelriese befindet sich auf einem steten Expansionskurs, der nach der Wirtschaftskrise von 2008 nochmal an Fahrt aufgenommen hat, und eröffnet insbesondere in Asien laufend neue Einrichtungshäuser und Einkaufszentren. Für die Kollegen und Kolleginnen in den bestehenden Einrichtungshäusern ist es also nur ein schwacher Trost, wenn an den neuen Standorten zwar Jobs geschaffen werden, im Gegenzug aber bei den alten Belegschaften rationalisiert wird.
Mit der Ankündigung, dass nur die jeweiligen Zentralen betroffen wären, versucht das Management das alte Spiel der Spaltung zu spielen: Blue Collar vs. White Collar. Die Angestellten in den Büros sollen gegen die Arbeiter*innen im Lager und im Verkauf ausgespielt werden. Aber schon jetzt ist der Arbeitsdruck in allen Bereichen immens. Viele kommen da einfach nicht mehr mit und verlassen nach kurzer Zeit mehr oder weniger freiwillig das Unternehmen.
Diese hohe Fluktuation wirkt sich nicht nur negativ auf den Zusammenhalt unter den Kolleg*innen aus, sondern scheint auch die Abläufe im Betrieb zu gefährden. Das dürfte wohl ausschlaggebend dafür gewesen sein, warum letztes Frühjahr die Einstiegsgehälter völlig überraschend angehoben wurden und nun um mehr als zehn Prozent über dem Handelskollektivvertrag liegen.
Zugleich zeigt diese Gehaltssteigerung wie profitabel Handelsbetriebe trotz des dauernden Wehklagens eigentlich sind. Im besonderen trifft das auf IKEA zu. Aktuell betreibt IKEA 355 Einrichtungshäuser in 29 Ländern. Dazu kommen noch 43 Einkaufszentren und eine wachsende Zahl von reinen Logistikstandorten und Abholstationen für online bestellte Waren. Seit 2008 konnte der Umsatz kontinuierlich von 21,5 Mrd. Euro auf 36,3 Mrd. gesteigert werden. Laut Konzernangaben wurde 2016 ein Gewinn von 4,2 Milliarden und 2017 von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet, wobei der tatsächliche Gewinn angesichts der unübersichtlichen Konzernstruktur schwer zu eruieren ist.
Wie reagieren Betriebsrat und Belegschaft?
Auch wenn Teile der Belegschaft auf die Ankündigungen der Unternehmensleitung vertrauen, zeigen sich viele skeptisch oder gar wütend, weil, wie sie meinen, hinter der „Business Transformation“ doch nur der Versuch steht, ein hochprofitables Unternehmen noch profitabler zu machen. In den letzten Jahren wurden zwar an allen österreichischen Standorten Betriebsräte durchgesetzt, diese verhalten sich aber bisher weitgehend ruhig.
Etwas anders ist die Situation in Deutschland, dem nach wie vor wichtigsten Absatzmarkt mit einem Umsatz von fünf Milliarden Euro. Hier übt der Gesamtbetriebsrat offen Kritik am intransparenten Vorgehen der Konzernleitung und drängt auf eine „Zukunftssicherung“ für alle Kolleg*innen: Keine betriebsbedingten Kündigungen, kein Outsourcing, Erhaltung der bestehenden Standorte und, wenn nötig, Qualifizierungsmaßnahmen für die Kolleg*innen, die von der Umstrukturierung betroffen sind.
Auch in Österreich pflegt IKEA sein „schwedisches“ Image. Am Mitarbeiter*inneneingang prangt in großen Lettern das Wort „Tillsammans“, ein zentraler Begriff der IKEA-Unternehmensideologie. „Tillsammans“ bedeutet „Zusammen“. Für die dreitausend Menschen, die hierzulande für IKEA arbeiten, wäre es an der Zeit das nicht im Sinne der Profitmaximierung zu verstehen, sondern sich zusammen gegen den angekündigten Stellenabbau zur Wehr zu setzen.
Leo Kühberger lebt in Graz und hat bei IKEA gearbeitet. Im Jänner 2019 wurde er entlassen