Erfolgreicher Streik in Györ
- Montag, 25. Februar 2019 @ 08:00
Anne Rieger über Ungarn als Testlabor für die deutsche Autoindustrie
Die Beschäftigten hatten mit ihrer Betriebsgewerkschaft 18 Prozent höhere Löhne, transparente Entgeltsysteme und bessere Arbeitsbedingungen gefordert. Die Unternehmensführung habe der geforderten Lohnerhöhung um 18 Prozent zugestimmt, teilte die ungarische Gewerkschaft AHFSZ mit.
Diese ist für 15 Monate gültig. Zudem habe der Konzern der Forderung nach einem freien Wochenende im Monat nachgegeben. Durch die lange Laufzeit von 15 Monaten beträgt die Lohnerhöhung aufs Jahr gerechnet „nur“ 12 Prozent. Trotzdem ein Ergebnis, dass sich sehen lassen kann und nur durch den einwöchigen Streik durchgesetzt werden konnte.
Schon nach vier Tagen Arbeitsniederlegung konnten die Beschäftigten bei Audi im bayrischen Ingolstadt keine Autos mehr bauen. Die Bänder standen komplett still, sagte ein Firmensprecher. Einige tausend Fahrzeuge konnten nicht produziert werden, weil die Motoren aus Györ fehlten. Geliefert wird „Just in Time“, große Lagerhaltung gibt es nicht. Der Audi-Standort Györ ist das größte Motorenwerk im Konzernverbund, er beliefert auch Volkswagen.
Ziel der Streikenden war auch eine Angleichung an die Bezahlung in anderen Werken in Ost- und Mitteleuropa. Die AHFSZ betonte die Notwendigkeit des Streiks - auch, weil der Anteil des Personalaufwands am Gesamtumsatz in Györ bislang nur bei 3,11 Prozent liegt. Im Vergleich dazu erreiche er an den slowakischen und polnischen Standorten sowie in den Skoda-Werken 4,7 beziehungsweise 6 Prozent.
Bei der Muttergesellschaft betrage der Anteil nahezu 10 Prozent, schreibt der „Donaukurier“. Beschäftigte in der Montage erhielten in Ungarn bislang mit durchschnittlich 1100 Euro brutto im Monat am wenigsten im Audi-Konzern in Europa, so die deutsche IG Metall. Sie unterstützte die Streiks in Györ. „Gegen ein soziales Europa stehen Konzerne, die ihre Profite mit Billiglöhnen erwirtschaften wollen. Damit droht auch den Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern eine Abwärtsspirale“, heißt es in ihrer Erklärung.
Die Beschäftigten von Audi hatte 2017 ein Ergebnis von 5,1 Milliarden Euro vor Sondereinflüssen für die Eigner des Konzerns erarbeitet. BMW, Audi und Daimler produzieren in Ungarn, weil die Arbeitskosten dort nur ein Viertel bis zu einem Drittel der Kosten in Westeuropa betragen. Audi hat sein weltweit größtes Werk in Györ. Daimler produziert in Kecskemét. BMW baut gerade eine ein Milliarde Euro teure Fabrik in Debrece.
Erst im Dezember peitschte die ungarische Regierung ohne Diskussion ein neues Gesetz zur Überstundenregelung durchs Parlament. Damit können Unternehmen jetzt Mitarbeiter auf 400 statt 250 Überstunden pro Jahr verpflichten. Mit dem Zeitausgleich oder der Bezahlung können sich Arbeitgeber drei statt ein Jahr Zeit lassen. 400 Überstunden pro Jahr ergeben einen zusätzlichen Wochenarbeitstag. Die von den Gegnern als „Sklavengesetz“ bezeichnete Novelle führt die Sechstagewoche wieder ein.
Das Gesetz kommt den Interessen der in Ungarn produzierenden internationalen Konzerne entgegen. Kritiker sprechen beim neuen Gesetz deshalb auch von einem „BMW-Gesetz“. Orbán zeige sich gern mit den Vertretern von Audi und Daimler und nutzt diese als legitimatorisches Feigenblatt für den Erfolg seiner Regierung, so der „Der Standard“. Die Unternehmen hüllten sich mit Blick auf ihre Rolle bezüglich des neuen Gesetzes in Schweigen. Doch schon vor zwei Jahren kritisierte Wolfgang Lemb, Vorstandsmitglied der IG Metall, dass sich Ungarn zu einem „Testlabor“ für die deutsche Autoindustrie entwickle. Getestet würden intransparente Entgeltsysteme sowie belastende Arbeitszeitmodelle (zum Beispiel Zwölfstundenschichten). Die neue Regelung passt da ins Bild.
Am 19. Januar hatten vor allem ungarische Gewerkschaften, aber auch Oppositionsparteien, zum gemeinsamen landesweiten Aktionstag aufgerufen. Weil die Regierung Orbán sich weigert, mit den Gewerkschaften über die Rücknahme des „Sklavengesetzes“, höhere Mindestlöhne, Wiederherstellung des Streikrechtes von vor 2012 und Verbesserungen im Rentensystem zu verhandeln, sollte das Land stillstehen. Es kam zu starken Verkehrsbehinderungen in Budapest und rund 60 anderen Städten in Ungarn.
Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB
Die Beschäftigten hatten mit ihrer Betriebsgewerkschaft 18 Prozent höhere Löhne, transparente Entgeltsysteme und bessere Arbeitsbedingungen gefordert. Die Unternehmensführung habe der geforderten Lohnerhöhung um 18 Prozent zugestimmt, teilte die ungarische Gewerkschaft AHFSZ mit.
Diese ist für 15 Monate gültig. Zudem habe der Konzern der Forderung nach einem freien Wochenende im Monat nachgegeben. Durch die lange Laufzeit von 15 Monaten beträgt die Lohnerhöhung aufs Jahr gerechnet „nur“ 12 Prozent. Trotzdem ein Ergebnis, dass sich sehen lassen kann und nur durch den einwöchigen Streik durchgesetzt werden konnte.
Schon nach vier Tagen Arbeitsniederlegung konnten die Beschäftigten bei Audi im bayrischen Ingolstadt keine Autos mehr bauen. Die Bänder standen komplett still, sagte ein Firmensprecher. Einige tausend Fahrzeuge konnten nicht produziert werden, weil die Motoren aus Györ fehlten. Geliefert wird „Just in Time“, große Lagerhaltung gibt es nicht. Der Audi-Standort Györ ist das größte Motorenwerk im Konzernverbund, er beliefert auch Volkswagen.
Ziel der Streikenden war auch eine Angleichung an die Bezahlung in anderen Werken in Ost- und Mitteleuropa. Die AHFSZ betonte die Notwendigkeit des Streiks - auch, weil der Anteil des Personalaufwands am Gesamtumsatz in Györ bislang nur bei 3,11 Prozent liegt. Im Vergleich dazu erreiche er an den slowakischen und polnischen Standorten sowie in den Skoda-Werken 4,7 beziehungsweise 6 Prozent.
Bei der Muttergesellschaft betrage der Anteil nahezu 10 Prozent, schreibt der „Donaukurier“. Beschäftigte in der Montage erhielten in Ungarn bislang mit durchschnittlich 1100 Euro brutto im Monat am wenigsten im Audi-Konzern in Europa, so die deutsche IG Metall. Sie unterstützte die Streiks in Györ. „Gegen ein soziales Europa stehen Konzerne, die ihre Profite mit Billiglöhnen erwirtschaften wollen. Damit droht auch den Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern eine Abwärtsspirale“, heißt es in ihrer Erklärung.
Die Beschäftigten von Audi hatte 2017 ein Ergebnis von 5,1 Milliarden Euro vor Sondereinflüssen für die Eigner des Konzerns erarbeitet. BMW, Audi und Daimler produzieren in Ungarn, weil die Arbeitskosten dort nur ein Viertel bis zu einem Drittel der Kosten in Westeuropa betragen. Audi hat sein weltweit größtes Werk in Györ. Daimler produziert in Kecskemét. BMW baut gerade eine ein Milliarde Euro teure Fabrik in Debrece.
Erst im Dezember peitschte die ungarische Regierung ohne Diskussion ein neues Gesetz zur Überstundenregelung durchs Parlament. Damit können Unternehmen jetzt Mitarbeiter auf 400 statt 250 Überstunden pro Jahr verpflichten. Mit dem Zeitausgleich oder der Bezahlung können sich Arbeitgeber drei statt ein Jahr Zeit lassen. 400 Überstunden pro Jahr ergeben einen zusätzlichen Wochenarbeitstag. Die von den Gegnern als „Sklavengesetz“ bezeichnete Novelle führt die Sechstagewoche wieder ein.
Das Gesetz kommt den Interessen der in Ungarn produzierenden internationalen Konzerne entgegen. Kritiker sprechen beim neuen Gesetz deshalb auch von einem „BMW-Gesetz“. Orbán zeige sich gern mit den Vertretern von Audi und Daimler und nutzt diese als legitimatorisches Feigenblatt für den Erfolg seiner Regierung, so der „Der Standard“. Die Unternehmen hüllten sich mit Blick auf ihre Rolle bezüglich des neuen Gesetzes in Schweigen. Doch schon vor zwei Jahren kritisierte Wolfgang Lemb, Vorstandsmitglied der IG Metall, dass sich Ungarn zu einem „Testlabor“ für die deutsche Autoindustrie entwickle. Getestet würden intransparente Entgeltsysteme sowie belastende Arbeitszeitmodelle (zum Beispiel Zwölfstundenschichten). Die neue Regelung passt da ins Bild.
Am 19. Januar hatten vor allem ungarische Gewerkschaften, aber auch Oppositionsparteien, zum gemeinsamen landesweiten Aktionstag aufgerufen. Weil die Regierung Orbán sich weigert, mit den Gewerkschaften über die Rücknahme des „Sklavengesetzes“, höhere Mindestlöhne, Wiederherstellung des Streikrechtes von vor 2012 und Verbesserungen im Rentensystem zu verhandeln, sollte das Land stillstehen. Es kam zu starken Verkehrsbehinderungen in Budapest und rund 60 anderen Städten in Ungarn.
Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB