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Freibrief für Immo-Haie

  • Samstag, 1. Dezember 2018 @ 19:58
Meinung
Leo Furtlehner über Spekulation am Wohnungsmarkt

Eigentlich gilt immer noch der Grundsatz „Einmal gefördert, für immer gebunden“. Damit soll der Bestand an leistbaren Wohnungen – errichtet durch gemeinnützige Genossenschaften oder als Gemeindewohnungen – erhalten werden und als Korrektiv für ausufernde Wohnkosten dienen. In der Praxis wurde das freilich längst massiv durchlöchert. Immer öfter kommt es zum Verkauf von geförderten gemeinnützigen Wohnungen an private Interessenten. Ein krasses Beispiel dafür ist der Schnäppchen-Verkauf von 3.000 Sozialwohnungen der früheren Wohnbauvereinigung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst in Wien an die nunmehrige WBV-GFW, die sich der Heumarkt-Investor Michael Tojner krallen will. Wobei man den Eindruck gewinnt, dass die rot-grüne Wiener Stadtregierung Tojner verpflichtet ist und nicht an der Erhaltung der Gemeinnützigkeit für diesen Wohnungsbestand interessiert ist.

Wohin solche Spekulationen führen zeigt ein besonders krasses Beispiel in Linz. Dort wurde nach der Privatisierung der Austria Tabak die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Riedenhof GmbH als Eigentümer einer 1950/51 errichteten Wohnanlage für Beschäftigte der Linzer Tabakfabrik im Bereich Untere Donaulände, Honauerstraße und Ludlgasse mit 9.000 Quadratmeter Grundfläche und 183 Wohnungen 2017 von der Wertinvest Immobilientreuhand GmbH geschluckt, deren Eigentümer ebenfalls der genannte Herr Tojner ist.

Zuvor hatte der gemeinnützige Bauträger seinen Firmensitz zunächst von Wien nach Regau und von dort 2015 nach Eisenstadt verlegt, wo die burgenländische Landesregierung für eine Gegenleistung von 17 Mio. Euro Riedenhof von der lästigen Gemeinnützigkeit „befreite“. Nach einer Sanierung um 2,2 Mio. Euro wurden dann 31 Wohnungen über eine zum Tojner-Imperium gehörenden Firma namens Urbanaut seit Oktober 2018 über Internet-Plattformen wie AirBnB oder Booking.com an Linz-Touristen angeboten: Das „Apartment Medium“ für zwei Personen um satte 449 Euro pro Woche. Damit lässt sich ganz im Gegensatz zu einer normalen Vermietung ordentlich Profit machen. Nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) dürfen Wohnungen nämlich nur für maximal sechs Euro pro Quadratmeter zuzüglich Betriebskosten vermietet werden.

Der grüne Wiener Klubchef David Ellensohn hat daher Anzeige wegen Verdacht auf gewerbsmäßigen Betrug gegen Tojner erstattet. Dieser rechtfertigt seine Praxis recht blauäugig mit dem Argument, dass er bei Neuvermietungen nicht an das WGG gebunden sei und versuchte über eine Sprecherin zu beschwichtigen „weitere frei werdende Wohnungen werden wieder langfristig Mietern angeboten“. Und außerdem sei ohnehin nicht geplant mehr als 20 Wohnungen via AirBnB als Hotelzimmer zu nutzen (OÖN, 24.10.2018).

Abgesehen von der quasi Vervierfachung der Einnahmen beschweren sich die Altmieter über die Belastungen durch den Tourismusbetrieb, sei es Lärm oder Müll. Voller Empörung echauffierte sich die etablierte Politik, von LH Stelzer (ÖVP) und LHStv. Haimbuchner (FPÖ) bis zu Bgm. Luger (SPÖ), VBgm. Baier (ÖVP) und StR Hein (FPÖ) wurde geradezu einstimmig gegen diese Spekulation gewettert. Dass nämliche Politiker eine Handhabe gegen den Verkauf gemeinnütziger Wohnungen an private Spekulanten geschaffen hätten, ist nämlich nicht bekannt. Vielmehr hat wie im Fall Riedenhof die SPÖ-geführte burgenländische Landesregierung – wo Riedenhof keine einzige Wohnung besitzt – maßgeblich dazu beigetragen, dass Tojner die profitable Vermietung in Linz ermöglicht wurde.

Für Konsument_innen mag es verlockend klingen. Insbesondere, wenn ihnen Vorschriften oder Steuerleistung ohnehin suspekt sind. Zimmer statt über ein Hotel via AirBnB buchen,– da werden Ressourcen freigelegt, da wird die Wirtschaft angekurbelt. Was so toll klingt hat freilich massive Schattenseiten, leuchtet man die Geschäftsmodelle dieser Sharing Economy genauer aus. Etwa wenn sich private Zimmervermieter vor Steuerleistung und Ortstaxe drücken.

Fakt ist, dass mit dem Wachstum von AirBnB insbesondere in Ballungszentren eine große Zahl von Wohnungen der normalen Vermietung entzogen und damit die Wohnungspreise insgesamt massiv in die Höhe getrieben werden und sich „normal Sterbliche“ dort das Wohnen immer weniger leisten können. Mittlerweile sind in vielen Ländern bereits Maßnahmen und Gerichtsverfahren anhängig, um diesen Praktiken das Handwerk zu leben und noch größere soziale Verwerfungen zu verhindern.

Nicht nur findige Immobilienhaie vom Schlage Tojner, sondern auch Privatpersonen vermieten einzelne Wohnungen und ganze Häuser über solche Modelle um damit satte Kohle zu machen. Mit dem Ergebnis, dass die Wohnungspreise in den Citys in astronomische Höhen schießen. Immerhin werden etwa in Wien bereits rund 8.000 Wohnungen auf 19 Plattformen angeboten.

Nicht selten wird diese, nur mit Zustimmung von Hauseigentümer, bei Eigentumswohnungen der Miteigentümer mögliche, bei Gemeindewohnungen generell untersagte, Art der Untervermietung umgangen. Und es werden mit gezielter Umgehung regulärer mietrechtlicher Bestimmungen sogar Betten für „Schlafgeher“ wie im 19. Jahrhundert um Wucherpreise vermietet.

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit