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Denn sie haben kein Benehmen!

  • Freitag, 27. Juli 2018 @ 08:00
Meinung
Karin Antlanger über Wertschätzung

Nein – es ist nicht von rotzfrechen Kids oder widerborstigen Jugendlichen die Rede, denen schon seit der Antike schlechtes Benehmen nachgesagt wird. Vielmehr geht es um honorige Chefs, Vorgesetzte, GeschäftsführerInnen und PersonalistInnen. Diesen sind oft die elementarsten Grundsätze der mitteleuropäischen Höflichkeit unbekannt. Empathie oder gar Interesse am Gegenüber stellt eine lästige Überforderung für sie dar bzw. wird solches nur für sich und seines-/ihresgleichen eingefordert. Alles, was nicht in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen messbar ist, ist uninteressant. Es wird Tempo verlangt, denn Zeit ist Geld.

Als vor einigen Monaten ein in einem Krankenhaus der Stadt Wien beschäftigter Arzt nach mehr als dreißig Dienstjahren in Pension ging, erhielt er von seiner Krankenhausleitung nicht einmal einen Gruß zum Abschied. Nach seinem letzten Nachtdienst klingelte am Vormittag sein Telefon, und er dachte, „Aha, jetzt kommt doch noch ein Anruf zum Abschied“ – aber nichts da: es war der Portier, der ihn lediglich darauf aufmerksam machte, er solle nicht vergessen, seine Parkkarte für die Tiefgarage abzugeben, bevor er zum letzten Mal rausfährt!

Das Gleiche in einem oberösterreichischen Sozialverein, wo eine Sozialarbeiterin nach 23 Jahren engagierter Arbeit an ihrem letzten Arbeitstag nicht einmal einen feuchten Händedruck von der Geschäftsführung bekam. Eine Parkkarte hatte sie nicht, sodass auch kein Anruf des Portiers erfolgen musste.

Ebensolches erlebte eine Lehrkraft in einer beruflichen Rehaeinrichtung nach mehr als 30-jähriger Tätigkeit im Betrieb.

In jedem größeren Industrie-oder Bauunternehmen gibt es so etwas wie eine Firmenkultur, die zumindest langjährige Unternehmenszugehörigkeit honoriert und zur Pensionierung auch eine Verabschiedung durch den Firmenchef oder das Management erfolgt. Selbst der, der den Hof am Werksgelände immer zusammengekehrt hat, wird dort höflicher und wertschätzender behandelt als eine Krankenschwester oder ein Sozialarbeiter im Gesundheits-und Sozialbereich.





Worst practice: private Sozial-und Gesundheitsbetriebe



„Es ist nicht Aufgabe der Geschäftsführung, Wertschätzung und Anerkennung auszusprechen – dafür bekommt das Personal eh seinen Gehalt.“ Dieser Ausspruch eines Geschäftsführers vor versammelter Abteilungsbelegschaft eines psychosozialen Betriebes zeigt, wie kaltschnäuzig hoch bezahlte Manager schlechte Leistung für gutes Geld liefern. Schlechtes Management zeigt sich u.a. auch dort, wo diese Herrschaften das eigene Produkt nicht respektieren. Etwa dann, wenn zwar von den Beschäftigten im Rahmen ihrer Tätigkeit erwartet wird, dass sie dem Klientel jede Menge an Wertschätzung, Empathie und Höflichkeit entgegenbringen – Gleiches aber nicht im Umgang mit den Beschäftigten innerhalb des Betriebes gilt. Hier wird dann sichtbar, dass sich diese Führungskräfte im Endeffekt auch nicht für das Klientel („Produkt“) interessieren, selbst wenn sie dies medienwirksam immer wieder heucheln.





Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken

Geschäftsführungen können nur so lange unprofessionell agieren, solange sie von ihren Vorständen die Rückendeckung dafür haben.

Die mangelnde Wertschätzung von MitarbeiterInnen hat besonders im Sozialbereich System: die Geschäftsführungen sind von der Politik angehalten, nur noch in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zu denken, und diese sagen ihnen, dass zufriedene MitarbeiterInnen lange, womöglich gar bis zur Pension, im Betrieb bleiben. Und das ist gerade im Sozial-und Gesundheitswesen nicht erwünscht, da langjährige MitarbeiterInnen teurer sind als BerufseinsteigerInnen. Und dies wird von den öffentlichen Finanziers nicht bezahlt. So werden etwa dem oberösterreichischen Normkostenmodell für die Finanzierung von Sozialeinrichtungen lediglich Personalkosten in der Höhe eines willkürlich festgelegten Wertes zugrunde gelegt, der oftmals unter dem Durchschnitt des Belegschaftsalters liegt. Somit werden die Geschäftsführungen indirekt aufgefordert, für eine größere Fluktuation beim Personal zu sorgen, indem die Beschäftigten möglichst nicht bis zur Pension im selben Betrieb bleiben. Die diversen Kollektivverträge sorgen obendrein dafür, dass, je älter einE DienstnehmerIn ist, Vordienstzeiten nur zu einem geringen Teil angerechnet werden. Qualität in Form von Berufserfahrung stellt dabei kein Kriterium dar.

Die meisten Vorstände der diversen privaten Sozial-und Gesundheitseinrichtungen sind in der Regel parteipolitisch besetzt, damit der Zugang zu den diversen Förderträgern in Ländern und Gemeinden durch politisch Gleichgesinnte erleichtert wird. Diese Vorstände waren früher mal die Garanten dafür, dass die Fördermittel flossen. Heute sehen sie sich meist dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass im Zuge des allgemeinen Kürzungswahns gespart wird, wo immer es möglich ist. In diesem Falle geht es fast ausschließlich um Kürzungen beim Personal, denn beim Sachaufwand wie Mieten, Betriebskosten etc. ist dies kaum möglich.

Die Verluderung der Sitten im Umgang mit Beschäftigten ist anscheinend ein Begleitsymptom des eingeleiteten Rückbaus des gesamten Sozialbereichs.

Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und war Betriebsrätin bei EXIT-sozial Linz