Sozialpartnerschaft versus Klassenkampf?
- Donnerstag, 26. Juli 2018 @ 08:08
Heike Fischer über die Strategie des ÖGB
Per Handstreich ist nun die Arbeitszeitflexibilisierung im Nationalrat beschlossen worden und wird ab 1. September in Kraft treten. Die Welle der Gegenbewegung seit dem ÖGB-Bundeskongress Mitte Juni war gewaltig und beeindruckend, nicht jedoch für Kurz & Co, die das Gesetz durch Umgehung der normalen, längeren Begutachtungsfristen als Initiativantrag durchgepeitscht haben. Trotz kurzer Mobilisierungszeit gingen an die 100.000 TeilnehmerInnen am 30. Juni in Wien auf die Straße, um der Regierung den Widerstand gegen ihre unsozialen Vorhaben deutlich zu machen. In aller Kürze wurden in den Bundesländern durch den ÖGB Betriebsrätekonferenzen organisiert, um über die Angriffe der Regierung zu informieren und den kommenden Kampf zu beratschlagen. In zahlreichen Wortmeldungen wurde deutlich, dass die Bereitschaft zur Gegenwehr bis hin zu Warnstreiks gegeben ist.
In Oberösterreich kamen mehr als tausend BetriebsrätInnen in die Leondinger Kürnberghalle. Themen waren nicht nur die Veränderungen im Arbeitszeitgesetz, sondern generell die Art und Weise der Regierung, die in einer Salamitaktik die völlige Entrechtung der ArbeitnehmerInnen anstrebt. Der oö ÖGB-Landesvorsitzende Kalliauer führte u.a. als Beispiele die Kürzungen beim AMS, die Einführung eines schlimmeren Hartz IV-Modells als in Deutschland, die geplante Zerschlagung und Übernahme der Sozialversicherung durch die Unternehmer, die Straffreiheit für Sozialbetrug, die Zurückdrängung des gesetzlichen Schutzes bei der Arbeitssicherheit und die Rasterfahndung gegen Kranke an.
Dies sei von Anfang an im Regierungsprogramm gestanden und nun mache die Regierung ernst. Auch Kollege Wimmer, Chef der PRO-GE, betonte in seinem Referat, dass es um Angriffe auf „Kohle, Gesundheit und Mitbestimmung“ der Beschäftigten gehe. Nicht nur durch Demonstrationen werde man seinen Unmut kundtun, nein, die ArbeitnehmerInnen haben in letzter Konsequenz das Instrument in ihrer Hand, und werden sie gezwungen, wird als letzter Ausweg auch die Arbeitskraft eingesetzt. Die anschließende Debatte war gekennzeichnet von Kampfbereitschaft. Auch Forderungen nach Streik wurden laut, fanden jedoch keine Aufnahme in die zum Ende der Konferenz einstimmig beschlossene Resolution
Innerhalb kürzester Zeit fanden österreichweit zahlreiche Betriebsversammlungen, auch während der Arbeitszeit, statt. Beeindruckend war, wie es gelang über Gewerkschafts- und Fraktionsgrenzen hinweg zu aktivieren, und gelegentlich auch die Sozialpartnerschaft in Frage zu stellen, sogar das böse Wort „Klassenkampf“ war vereinzelt zu hören.
Aber das alles interessiert diese Regierung null. Sie geben den Industriellenbossen, was sie ihnen im Wahlkampf versprochen haben und pfeifen auf die kleinen Leute. Die Opposition tut sich schwer, ist es doch erst wenige Monate her, dass sich Kern (SPÖ) als damaliger Bundeskanzler noch ebenfalls für den 12-Stunden-Tag und gegen eine Streikbewegung ausgesprochen hat.
Die Rolle der SPÖ erscheint wieder einmal fragwürdig. Um Koalitionen nicht zu gefährden und noch ein winziges Stückchen vom Kuchen des Staatsapparates zu erwischen, sind ihre VertreterInnen bereit, die soziale Frage ihrem noch so winzigem Machterhalt unterzuordnen, wie ein Beispiel im steirischen Landtag beweist. Einem Entschließungsantrag der KPÖ gegen den 12-Stunden-Tag hat die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP nicht zugestimmt.
Was es nun braucht, ist eine starke österreichische Gewerkschaftsbewegung, die diesen Angriff auf Gesundheit, Einkommen und Freizeit der Beschäftigten nicht unbeantwortet lässt. Der Plan der Regierung, durch die überstürzte Beschlussfassung und das vorgezogene Inkrafttreten des Gesetzes auf 1. September den Widerstand zu erschweren und zeitlich zu begrenzen, darf nicht aufgehen.
Und jedes Geschwafel von Sozialpartnerschaft ist Angesicht der Tatsachen, die von der Regierung so rigoros geschaffen werden, obsolet. Sie haben die Sozialpartnerschaft bereits zugunsten der Industriellen und Konzerne aufgekündigt, nun müssen sie mit ernsthaften gewerkschaftlichem Klassenkampf rechnen. Oder träume ich mir die Welt immer noch zurecht?
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße und GLB-Landesvorsitzende in OÖ
Per Handstreich ist nun die Arbeitszeitflexibilisierung im Nationalrat beschlossen worden und wird ab 1. September in Kraft treten. Die Welle der Gegenbewegung seit dem ÖGB-Bundeskongress Mitte Juni war gewaltig und beeindruckend, nicht jedoch für Kurz & Co, die das Gesetz durch Umgehung der normalen, längeren Begutachtungsfristen als Initiativantrag durchgepeitscht haben. Trotz kurzer Mobilisierungszeit gingen an die 100.000 TeilnehmerInnen am 30. Juni in Wien auf die Straße, um der Regierung den Widerstand gegen ihre unsozialen Vorhaben deutlich zu machen. In aller Kürze wurden in den Bundesländern durch den ÖGB Betriebsrätekonferenzen organisiert, um über die Angriffe der Regierung zu informieren und den kommenden Kampf zu beratschlagen. In zahlreichen Wortmeldungen wurde deutlich, dass die Bereitschaft zur Gegenwehr bis hin zu Warnstreiks gegeben ist.
In Oberösterreich kamen mehr als tausend BetriebsrätInnen in die Leondinger Kürnberghalle. Themen waren nicht nur die Veränderungen im Arbeitszeitgesetz, sondern generell die Art und Weise der Regierung, die in einer Salamitaktik die völlige Entrechtung der ArbeitnehmerInnen anstrebt. Der oö ÖGB-Landesvorsitzende Kalliauer führte u.a. als Beispiele die Kürzungen beim AMS, die Einführung eines schlimmeren Hartz IV-Modells als in Deutschland, die geplante Zerschlagung und Übernahme der Sozialversicherung durch die Unternehmer, die Straffreiheit für Sozialbetrug, die Zurückdrängung des gesetzlichen Schutzes bei der Arbeitssicherheit und die Rasterfahndung gegen Kranke an.
Dies sei von Anfang an im Regierungsprogramm gestanden und nun mache die Regierung ernst. Auch Kollege Wimmer, Chef der PRO-GE, betonte in seinem Referat, dass es um Angriffe auf „Kohle, Gesundheit und Mitbestimmung“ der Beschäftigten gehe. Nicht nur durch Demonstrationen werde man seinen Unmut kundtun, nein, die ArbeitnehmerInnen haben in letzter Konsequenz das Instrument in ihrer Hand, und werden sie gezwungen, wird als letzter Ausweg auch die Arbeitskraft eingesetzt. Die anschließende Debatte war gekennzeichnet von Kampfbereitschaft. Auch Forderungen nach Streik wurden laut, fanden jedoch keine Aufnahme in die zum Ende der Konferenz einstimmig beschlossene Resolution
Innerhalb kürzester Zeit fanden österreichweit zahlreiche Betriebsversammlungen, auch während der Arbeitszeit, statt. Beeindruckend war, wie es gelang über Gewerkschafts- und Fraktionsgrenzen hinweg zu aktivieren, und gelegentlich auch die Sozialpartnerschaft in Frage zu stellen, sogar das böse Wort „Klassenkampf“ war vereinzelt zu hören.
Aber das alles interessiert diese Regierung null. Sie geben den Industriellenbossen, was sie ihnen im Wahlkampf versprochen haben und pfeifen auf die kleinen Leute. Die Opposition tut sich schwer, ist es doch erst wenige Monate her, dass sich Kern (SPÖ) als damaliger Bundeskanzler noch ebenfalls für den 12-Stunden-Tag und gegen eine Streikbewegung ausgesprochen hat.
Die Rolle der SPÖ erscheint wieder einmal fragwürdig. Um Koalitionen nicht zu gefährden und noch ein winziges Stückchen vom Kuchen des Staatsapparates zu erwischen, sind ihre VertreterInnen bereit, die soziale Frage ihrem noch so winzigem Machterhalt unterzuordnen, wie ein Beispiel im steirischen Landtag beweist. Einem Entschließungsantrag der KPÖ gegen den 12-Stunden-Tag hat die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP nicht zugestimmt.
Was es nun braucht, ist eine starke österreichische Gewerkschaftsbewegung, die diesen Angriff auf Gesundheit, Einkommen und Freizeit der Beschäftigten nicht unbeantwortet lässt. Der Plan der Regierung, durch die überstürzte Beschlussfassung und das vorgezogene Inkrafttreten des Gesetzes auf 1. September den Widerstand zu erschweren und zeitlich zu begrenzen, darf nicht aufgehen.
Und jedes Geschwafel von Sozialpartnerschaft ist Angesicht der Tatsachen, die von der Regierung so rigoros geschaffen werden, obsolet. Sie haben die Sozialpartnerschaft bereits zugunsten der Industriellen und Konzerne aufgekündigt, nun müssen sie mit ernsthaften gewerkschaftlichem Klassenkampf rechnen. Oder träume ich mir die Welt immer noch zurecht?
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße und GLB-Landesvorsitzende in OÖ