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12/60 – Der Beginn?

  • Donnerstag, 26. Juli 2018 @ 08:00
Meinung
Franz Grün über die Politik der schwarz-blauen Koalition

Nun wissen wir also wie Gesetzgebung auch geht. Massive Änderungen im Arbeitszeitgesetz, nämlich Anhebung der höchstmöglichen Tagesarbeitszeit auf zwölf und der Wochenarbeitszeit auf sechzig Stunden wurden von der Regierung eingebracht, im Nationalrat beschlossen und im Bundesrat bestätigt. Von Kanzler Kurz und seinen Gefolgsleuten war bei diesem massiven Eingriff in das Arbeitsrecht nichts anders zu erwarten, bedient er ja nur die Wünsche seiner Macher in der Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer. Und Strache, der sich im Wahlkampf als einziger Vertreter des „kleinen Mannes“ aufspielt, gibt den Steigbügelhalter.

NEOS mit dabei

Dass die NEOS zu guter Letzt noch den Deckel draufmachten, obwohl sie im Vorfeld noch die Vorgehensweise lautstark kritisierten, ist wohl darauf zurückzuführen, dass auch sie schon immer für eine Liberalisierung der Arbeitszeit eingetreten sind. Wer seine Hoffnung auf eine Ablehnung durch den Bundesrat setzte wurde rasch auf den Boden der Realität zurückgeführt.

Die gewohnte Vorgehensweise bei Abänderungen von Gesetzen besteht darin, dass man im Parlament in Unterausschüssen die gesetzlichen Grundlagen vorbereitet und sie dann zur Begutachtung und Stellungnahme an die von der Gesetzesänderung betroffenen „nicht gesetzgebenden Organisationen“ weiterleiten. Danach wird ein Gesetz im Parlament eingebracht und beschlossen. Dies alles wurde bei der Änderung des Arbeitszeitgesetzes unterlassen.

Dogma Standort

Die Regierung versuchte von Beginn an, die Arbeitszeitflexibilisierung als Notwendigkeit für den Wirtschaftsstandort Österreich, aber auch als Gewinn für die Lohnabhängigen darzustellen. Längeres Arbeiten würde ja auch mehr Freizeit oder Geld für die ArbeitnehmerInnen bedeuten. Und das alles natürlich auf freiwilliger Basis. Als die Freiwilligkeit zunehmend in Zweifel gezogen wurde, war man bereit diese „Freiwilligkeit“ im Arbeitszeitgesetz zu verankern.

Fragwürdige Freiwilligkeit

Diese Freiwilligkeit ernsthaft im realen Arbeitsleben als Umsetzbar in Betracht zu ziehen kann nur von jemanden kommen der niemals lohnabhängig gearbeitet hat oder dem die arbeitenden Menschen eigentlich nichts bedeuten. Natürlich kann man aus dringenden persönlichen Gründen die Mehrarbeit ablehnen, aber man wird dann wahrscheinlich nicht mehr als flexibel genug eingestuft sein. In Wirklichkeit wird man eine Mehrleistung dann erbringen, wenn es vom Unternehmen gefordert wird und den Zeitausgleich dann konsumieren, wenn es die Lage zulässt.

Tatsache ist, dass Familienleben, Freizeitgestaltung und die hochgelobte Freiwilligenarbeit an den Auswirkungen der Ausdehnung der Arbeitszeit, sei es bei der Tagesarbeitszeit oder bei der Wochenarbeitszeit Schaden nehmen. Die Kinderbetreuung, die Pflege von Angehörigen die gemeinsame Freizeitgestaltung im Familienverband benötigen bereits jetzt eine akribische Planung, um über die Runden zu kommen.

Auf Kosten der Gesundheit

Der Hinweis, dass es in Schweden überhaupt keine Beschränkung der Arbeitszeit gibt ist zynisch, da die Politik es verabsäumt hat die Voraussetzungen wie Kinderbetreuungsstellen, Ganztagsschulen und im ausreichendem Maße für die Betreuung von alten und gebrechlichen Menschen zu sorgen. Abgesehen von den Sozialkomponenten ist aus gesundheitlicher Sicht ein Arbeitstag mit mehr als acht Stunden auf Dauer nicht zu empfehlen. Und schon gar nicht eine sechzig Stunden Wochen.

Ausgerechnet die EU-gesetzgebung, ansonsten eher der Wirtschaft zugetan, verhindert, dass mit diesem Arbeitszeitgesetz die Menschen noch mehr zu Arbeitssklaven werden indem es vorschreibt, dass über 17 Wochen im Schnitt nicht mehr als durchschnittlich 48 Wochenarbeitsstunden geleistet werden dürfen. Das bedeutet aber immer noch, dass man von den 17 Wochen an sechs Wochen sechzig Stunden leisten darf wenn man in den restlichen Wochen nicht mehr als vierzig Stunden leistet.

Fragwürdige Argumente

Argumentiert wird aus der Wirtschaft auch, dass es in Österreich aufgrund der Dichte der Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen ohnehin Einschränkungen in den Möglichkeiten zur Ausdehnung der Arbeitszeit gäbe und vergisst dabei zu erwähnen das Kollektivverträge auslaufen und Betriebsvereinbarungen gekündigt werden können. Bei den Betriebsvereinbarungen, wenn es um Arbeitszeit und Überstunden geht, handelt es sich zumeist um die Einführung eines bestehenbleibenden Überstundensockels der de facto ein zinsenloses Darlehen der Beschäftigten an den Betrieb darstellt.

Was aber hat diese Regierung abgesehen von den Privatisierungsgelüsten bei Teilen der AUVA mit den Lohnabhängigen noch vor? Gerüchten zufolge soll man sich derzeit mit den bezahlten Urlaubsansprüchen in den jeweiligen EU-Ländern auseinandersetzen. Auch arbeitet man durch Ausgrenzung an der Zerschlagung der mit Sicherheit nicht immer für die ArbeitnehmerInnen von Vorteil handelnden Sozialpartnerschaft. Damit wäre dann auch das Kollektivvertragssystem hinfällig. Aus Brüssel wäre der Applaus sicher.

Franz Grün ist Organisationsverantwortlicher des GLB in der vida