Ein mattes Schauspiel
- Donnerstag, 19. April 2018 @ 22:00
Es ist zweifellos eine positive Entwicklung, dass der ÖGB in Oberösterreich seit sieben Jahren in Folge einen Mitgliederzuwachs auf mittlerweile 243.000 Mitglieder zu verzeichnen hat. Unbestritten ist auch, dass die alle fünf Jahre fällige Landeskonferenz nur ein Spiegelbild der Entwicklung sein kann. Aber gerade darum sagt es viel aus, wie ein solches Ereignis inszeniert wird. Bei der 23. Landeskonferenz, die am Nachmittag des 19. April 2018 in der Kürnberghalle in Leonding in Anwesenheit von 254 (von 302 geladenen) stimmberechtigten Delegierten sowie 86 Gästen und 46 beratenden Delegierten über die Bühne ging, konnte man sich freilich des Eindrucks nicht erwehren, dass es der Gewerkschaftsspitze vor allem um möglichst viel Inszenierung und möglichst wenig Diskussion ging. Daran ändern auch die – der Öffentlichkeit nicht bekannten – bei den vorangegangenen Fraktionskonferenzen, insbesondere der FSG-Mehrheit, geführten Debatten nichts.
Rein optisch fiele bei dieser Konferenz dabei schon auf, dass dem siebenköpfigen Tagungspräsidium nur eine Frau angehörte, also nicht einmal von einer Quoten-Frau, sondern bestenfalls von einer Alibi-Frau gesprochen werden konnte. Landesgeschäftsführer Walter Haberl sprach eingangs in Hinblick auf das Thema Digitalisierung von 150 verlorenen Berufen und wies auf die Verteilung von Arbeit und Einkommen hin.
Kurzgehalten – angesichts einer umfangreichen Liste von Ehrengästen – waren die Begrüßungsreden. Immerhin hatte sich LH Stelzer zur Konferenz bemüht um als „einfaches Gewerkschaftsmitglied“ den „Mangel an Gestaltung und Verantwortung in der Gesellschaft“ zu beklagen und an „Zusammenspiel und Miteinander“ in Oberösterreich als führendem Industrieland zu appellieren. Seine Forderung, die „Gerechtigkeitsfrage stellen“ und „Gerechtigkeitslücken schließen“ kann freilich angesichts der Kürzungen im Landesbudget nicht ernst gemeint sein. Ganz auf Regionalpatriotismus versuchte Stelzer in Hinblick auf die Fusion der Krankenkassen mit dem Sager zu punkten, die „Beiträge sollten im Land bleiben“.
„Zukunft der Arbeit“ als Thema
Im Gegensatz zu 2013 hielt sich bei dieser Konferenz die multimediale Show als Vorspiel zum Referat des Landesvorsitzenden und AK-Präsidenten Johann Kalliauer zum Konferenzmotto „Zukunft der Arbeit fair gestalten“ in Grenzen, wenngleich sie nicht frei von verbaler Kraftmeierei war. Kalliauer verwies auf die Beschleunigung der technologischen Umbrüche, die Freizügigkeit der Arbeitskräfte, die Entgrenzung der Arbeit und die Informationsflut verbunden mit der Kontrolle der Beschäftigten und verstieg sich ganz im Gegensatz zum vorliegenden Leitantrag zur Forderung nach einer „radikalen Arbeitszeitverkürzung“.
Wichtig ist zweifellos der Hinweis Kalliauers, dass sich die Beschäftigten die ihnen zustehenden Leistungen großteils selber finanzieren, man über Steuergerechtigkeit nachdenken und die Finanzbasis des Sozialstaates absichern müsse. Ebenso die Betonung des Zuwachses bei den Mitgliedern und das Vertrauen in die Gewerkschaft. Die Betonung des Ehrenamtes bei der Arbeit der Betriebsräte könnte freilich von Unternehmerseite als Einschränkung deren Spielraum in den Betrieben verstanden werden.
Wichtig ist auch Kalliauers Verweis auf die 98-prozentige Kollektivertragsdeckung und damit verbunden eine klare Ansage gegen die damit verbundene Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft der Kammern. Als Erfolge nannte Kalliauer die „beste Zeitarbeitsregelung Europas“, die Steuerreform mit einer Entlastung von fünf Milliarden Euro, dass Österreich den Turnaround aus der Krise besser geschafft habe als andere Länder, weiters die Abschaffung des Pflegeregresses und der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe – was freilich bei deren geplanter Abschaffung wieder obsolet würde. Man müsse die Mitbestimmung neu definieren, vor allem in Hinblick auf neue Arbeitsformen wie Crowdworking. Die Gewerkschaften müssten Spielraum „unabhängig von den politischen Rahmenbedingungen“ haben, was freilich in der Regierungszeit der SPÖ kaum spürbar war. Der abschließende Appell an „Geschlossenheit und Selbstbewusstsein“ kann da wohl nur als Stehsatz verstanden werden.
Wenig Diskussion zum Leitantrag
Statt einer ausführlichen Debatte über den – schlussendlich mit wenigen Gegenstimmen von FA-Delegierten beschlossenen – Leitantrag wurde dieser – obwohl ohnehin schriftlich vorliegend – kapitelweise von den sechs Präsidiumsmitgliedern vorgestellt. Und während diese Selbstdarstellung vom Podium mit zeitgleicher Video-Schaltung erfolgte, durften sich die wenigen Diskussionsredner_innen aus dem Publikum devot an das Podium wenden. Eine Diskussion auf Augenhöhe schaut wohl anders aus, daran ändert auch eine kurzfristige „Belebung“ der Konferenz durch einen Auftritt der Gewerkschaftsjugend wenig, die gegen die von der Regierung geplante Abschaffung der Jugendvertrauensräte protestierte.
Für den GLB stellte Karin Antlanger die Gretchenfrage nach der Haltung zur Arbeitszeit und verwies darauf, dass 1975, also vor 43 Jahren, die letzte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 40 Stunden erfolgte. Sie kritisierte, dass sich trotz rasanter Digitalisierung der ÖGB de facto beim letzten Kongress von der Arbeitszeitverkürzung verabschiedet hatte und im vorliegenden Leitantrag eine konkrete Festlegung nicht mehr vorkommt. Antlanger verwies auf die KV-Verhandlungen, wo bei den Metallern die Arbeitszeit nicht auf der Agenda gestanden hatte, während der schwache SWÖ-KV damit eingefahren sei. Sie stellte dazu die Frage, warum es nicht im Leitantrag steht, wenn Kalliauer doch von einer „radikalen Arbeitszeitverkürzung“ gesprochen hatte. Dazu meinte Haberl ausweichend, man könne pauschal leicht fordern, aber die Lage der Branchen sei unterschiedlich und die „35-Stundenwoche nicht das Allheilmittel“.
GLB-Arbeiterkammerrat Thomas Erlach wies auf die Bedeutung des Arbeitnehmerschutzes und den Widerspruch zwischen der physischen Belastung durch Heben und Tragen in manuellen Berufen und der psychischen Belastung in den Sozialberufen hin, die nicht als belastend anerkannt ist. Daher sei es notwendig den Begriff Schwerarbeit neu zu definieren. Weiters wies Erlach auf das Kürzungspaket des Landes im Sozialbereich hin und vermisste zu den richtigen Forderungen dazu im Leitantrag die notwendigen Erläuterungen.
2015 sei ein vorbereiteter Streik nach der Zusage, es werde bis 2020 keine weiteren Kündigungen und Kürzungen geben abgesagt worden, so Erlach. Trotzdem tauchten bereits Ende 2017 neue Kürzungspläne auf, die FPÖ habe eine „Darmspiegelung“ für den Sozialbereich verlangt. Protestaktionen vor dem Landhaus im Zusammenhang mit dem Landesbudget folgten und nun sei eine Studie in Auftrag gegeben worden, deren Ergebnis Verschlechterungen für Klientel und Personal zur Folge hätten. Daher müssten seitens der Gewerkschaft neue Kampfmaßnahmen vorbereitet werden, so Erlach.
Kurz gehalten war eine Talk-Runde zum Thema „Arbeit 4.0“. ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl betonte die Verteilung von Arbeit und Einkommen vor dem Hintergrund, dass Digitalisierung stattfindet. ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann verwies darauf, dass 47 Prozent der Frauen – oft nicht freiwillig – nur Teilzeit arbeiten, auf fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen, Belastungen durch die Pflege und Nachteile bei den Einkommen und stellte die Frage, ob das Arbeitsrecht obsolet sei. Der bayrische DGB-Funktionär Helmut Fiedler meinte, in Deutschland hätte man gerne die österreichische KV-Abdeckung und verwies auf die globale Verlagerung der Arbeit verbunden mit Lohn- und Sozialdumping.
Auftritt des Präsidenten
ÖGB-Präsident Erich Foglar sprach in seinem Referat von einer Zeitenwende und betonte, der ÖGB müsse die Interessen der Beschäftigten vertreten, Basis dafür seien die 64.000 Betriebsräte und die jetzt wieder steigende Zahl der Mitglieder. Die Regierung habe einen anderen Zugang als die Gewerkschaft. Die Sozialpartnerschaft bezeichnete er als „Mehrwert“ und „Erkenntnis aus den Erfahrungen der 1. Republik“ um „auf Augenhöhe zu verhandeln“. Jedes Jahr würde der Kampf um die KV-Abschlüsse geführt. Dass diese unter den Möglichkeiten liegen wie die Langzeitstudien der Arbeiterkammer beweisen und dass die Kampfbereitschaft wie etwa beim SWÖ-KV durch faule Deals hinter den Kulissen abgedreht werden ließ Foglar freilich unerwähnt.
Der soziale Friede sei ein „Grundfundament der 2. Republik“, damit habe Österreich die Krise gut bewältigt und eine Rekordbeschäftigung erreicht. Aber seit 2013 werde das schlechtgeredet und eine „Veränderungsstimmung herbeigeredet“, der neue WKÖ-Boss Mahrer wolle die Sozialpartnerschaft zu einer Standortpartnerschaft umwandeln. Foglar beklagte, dass die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft der Kammern von FPÖ, NEOS und Industriellenvereinigung in Frage gestellt wird, es gelte diese „mit Zähnen und Klauen zu verteidigen“.
Scharf zurückgewiesen wurden von Foglar die unter dem Titel „Überbürokratisierung“ und „Golden Plating“ betriebenen Versuche das Arbeitsinspektorat auszuhebeln und eine Reduzierung auf EU-Mindeststandards herbeizuführen und auch das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping zurückzudrehen. Dazu gehöre auch die geplante Prüfung durch die Finanz statt der Krankenklasse zur Schonung der Unternehmer. Das bedeute eine Änderung der Prüfungspraxis, denn die GKK prüfe nach Anspruch, die Finanz jedoch nur nach Abführung der Abgaben. Ebenso werde das Kumulationsprinzip in Frage gestellt.
Zur Lohnpolitik betonte Foglar die Forderung des ÖGB nach 1.700 Euro Mindestlohn: Von 3,6 Mio. Beschäftigten arbeiten 2,8 Mio. in Vollzeit, davon verdienen 420.000 als 1.700 Euro brutto. IV-Präsident Kapsch habe 2017 die Parole ausgegeben, nichts was die Arbeitszeit betrifft zu verhandeln. Umso mehr stellt sich die Frage, warum der ÖGB sich dabei in die Defensive begibt und nicht konkret die 35- oder 30-Stundenwoche verlangt.
Foglar verwies schließlich auf Prognosen der Regierung, wonach die Löhne bis 2024 jährlich um 3,0 Prozent, pro Beschäftigten um 3,2 Prozent, die Gewinne aber zwischen 3,7 und 6,4 Prozent steigen würden. Die Industrie „holt sich die Dividende für ihre Wahlspenden damit zurück“ so Foglar und „die FPÖ will mehr Macht“. Daher gelte es „jene zu stärken, die für die Sozialpartnerschaft sind“. Angesichts dieser von Foglar skizzierten Angriffe auf erworbene Rechte und Errungenschaften durch die Wirtschaft stellt sich freilich die Frage, warum der ÖGB immer noch auf einer Sozialpartnerschaft beharrt, von der sich der „Partner“ eigentlich schon verabschiedet hat.
Wahl von Präsidium und Kontrolle
Bei der Wahl wurden Johann Kalliauer (GPA-djp, FSG) als Vorsitzender und Peter Casny (GÖD, FCG), Harald Dietinger (GBH, FSG), Josef Madlmayr (PRO.GE, FSG), Elfriede Schober (ÖGB-Frauen, FSG) und Andreas Stangl (GPA-djp, FSG) als Stellvertreter_in bestätigt. Auffallend freilich, dass Kalliauer – der 2013 mit hundert Prozent Zustimmung gewählt wurde – diesmal nur 89 Prozent der Stimmen erhielt, was auf Kontroversen innerhalb der FSG-Mehrheitsfraktion schließen läßt. Sein „Kronprinz“ Stangl hatte bei der Wahl als FSG-Landeschef immerhin 97 Prozent erhalten. Bestätigt wurde auch der Kontrollausschuss, in dem für den GLB Thomas Erlach (Ersatz Peter Gruber) vertreten ist.
Rein optisch fiele bei dieser Konferenz dabei schon auf, dass dem siebenköpfigen Tagungspräsidium nur eine Frau angehörte, also nicht einmal von einer Quoten-Frau, sondern bestenfalls von einer Alibi-Frau gesprochen werden konnte. Landesgeschäftsführer Walter Haberl sprach eingangs in Hinblick auf das Thema Digitalisierung von 150 verlorenen Berufen und wies auf die Verteilung von Arbeit und Einkommen hin.
Kurzgehalten – angesichts einer umfangreichen Liste von Ehrengästen – waren die Begrüßungsreden. Immerhin hatte sich LH Stelzer zur Konferenz bemüht um als „einfaches Gewerkschaftsmitglied“ den „Mangel an Gestaltung und Verantwortung in der Gesellschaft“ zu beklagen und an „Zusammenspiel und Miteinander“ in Oberösterreich als führendem Industrieland zu appellieren. Seine Forderung, die „Gerechtigkeitsfrage stellen“ und „Gerechtigkeitslücken schließen“ kann freilich angesichts der Kürzungen im Landesbudget nicht ernst gemeint sein. Ganz auf Regionalpatriotismus versuchte Stelzer in Hinblick auf die Fusion der Krankenkassen mit dem Sager zu punkten, die „Beiträge sollten im Land bleiben“.
„Zukunft der Arbeit“ als Thema
Im Gegensatz zu 2013 hielt sich bei dieser Konferenz die multimediale Show als Vorspiel zum Referat des Landesvorsitzenden und AK-Präsidenten Johann Kalliauer zum Konferenzmotto „Zukunft der Arbeit fair gestalten“ in Grenzen, wenngleich sie nicht frei von verbaler Kraftmeierei war. Kalliauer verwies auf die Beschleunigung der technologischen Umbrüche, die Freizügigkeit der Arbeitskräfte, die Entgrenzung der Arbeit und die Informationsflut verbunden mit der Kontrolle der Beschäftigten und verstieg sich ganz im Gegensatz zum vorliegenden Leitantrag zur Forderung nach einer „radikalen Arbeitszeitverkürzung“.
Wichtig ist zweifellos der Hinweis Kalliauers, dass sich die Beschäftigten die ihnen zustehenden Leistungen großteils selber finanzieren, man über Steuergerechtigkeit nachdenken und die Finanzbasis des Sozialstaates absichern müsse. Ebenso die Betonung des Zuwachses bei den Mitgliedern und das Vertrauen in die Gewerkschaft. Die Betonung des Ehrenamtes bei der Arbeit der Betriebsräte könnte freilich von Unternehmerseite als Einschränkung deren Spielraum in den Betrieben verstanden werden.
Wichtig ist auch Kalliauers Verweis auf die 98-prozentige Kollektivertragsdeckung und damit verbunden eine klare Ansage gegen die damit verbundene Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft der Kammern. Als Erfolge nannte Kalliauer die „beste Zeitarbeitsregelung Europas“, die Steuerreform mit einer Entlastung von fünf Milliarden Euro, dass Österreich den Turnaround aus der Krise besser geschafft habe als andere Länder, weiters die Abschaffung des Pflegeregresses und der Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe – was freilich bei deren geplanter Abschaffung wieder obsolet würde. Man müsse die Mitbestimmung neu definieren, vor allem in Hinblick auf neue Arbeitsformen wie Crowdworking. Die Gewerkschaften müssten Spielraum „unabhängig von den politischen Rahmenbedingungen“ haben, was freilich in der Regierungszeit der SPÖ kaum spürbar war. Der abschließende Appell an „Geschlossenheit und Selbstbewusstsein“ kann da wohl nur als Stehsatz verstanden werden.
Wenig Diskussion zum Leitantrag
Statt einer ausführlichen Debatte über den – schlussendlich mit wenigen Gegenstimmen von FA-Delegierten beschlossenen – Leitantrag wurde dieser – obwohl ohnehin schriftlich vorliegend – kapitelweise von den sechs Präsidiumsmitgliedern vorgestellt. Und während diese Selbstdarstellung vom Podium mit zeitgleicher Video-Schaltung erfolgte, durften sich die wenigen Diskussionsredner_innen aus dem Publikum devot an das Podium wenden. Eine Diskussion auf Augenhöhe schaut wohl anders aus, daran ändert auch eine kurzfristige „Belebung“ der Konferenz durch einen Auftritt der Gewerkschaftsjugend wenig, die gegen die von der Regierung geplante Abschaffung der Jugendvertrauensräte protestierte.
Für den GLB stellte Karin Antlanger die Gretchenfrage nach der Haltung zur Arbeitszeit und verwies darauf, dass 1975, also vor 43 Jahren, die letzte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung auf 40 Stunden erfolgte. Sie kritisierte, dass sich trotz rasanter Digitalisierung der ÖGB de facto beim letzten Kongress von der Arbeitszeitverkürzung verabschiedet hatte und im vorliegenden Leitantrag eine konkrete Festlegung nicht mehr vorkommt. Antlanger verwies auf die KV-Verhandlungen, wo bei den Metallern die Arbeitszeit nicht auf der Agenda gestanden hatte, während der schwache SWÖ-KV damit eingefahren sei. Sie stellte dazu die Frage, warum es nicht im Leitantrag steht, wenn Kalliauer doch von einer „radikalen Arbeitszeitverkürzung“ gesprochen hatte. Dazu meinte Haberl ausweichend, man könne pauschal leicht fordern, aber die Lage der Branchen sei unterschiedlich und die „35-Stundenwoche nicht das Allheilmittel“.
GLB-Arbeiterkammerrat Thomas Erlach wies auf die Bedeutung des Arbeitnehmerschutzes und den Widerspruch zwischen der physischen Belastung durch Heben und Tragen in manuellen Berufen und der psychischen Belastung in den Sozialberufen hin, die nicht als belastend anerkannt ist. Daher sei es notwendig den Begriff Schwerarbeit neu zu definieren. Weiters wies Erlach auf das Kürzungspaket des Landes im Sozialbereich hin und vermisste zu den richtigen Forderungen dazu im Leitantrag die notwendigen Erläuterungen.
2015 sei ein vorbereiteter Streik nach der Zusage, es werde bis 2020 keine weiteren Kündigungen und Kürzungen geben abgesagt worden, so Erlach. Trotzdem tauchten bereits Ende 2017 neue Kürzungspläne auf, die FPÖ habe eine „Darmspiegelung“ für den Sozialbereich verlangt. Protestaktionen vor dem Landhaus im Zusammenhang mit dem Landesbudget folgten und nun sei eine Studie in Auftrag gegeben worden, deren Ergebnis Verschlechterungen für Klientel und Personal zur Folge hätten. Daher müssten seitens der Gewerkschaft neue Kampfmaßnahmen vorbereitet werden, so Erlach.
Kurz gehalten war eine Talk-Runde zum Thema „Arbeit 4.0“. ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl betonte die Verteilung von Arbeit und Einkommen vor dem Hintergrund, dass Digitalisierung stattfindet. ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann verwies darauf, dass 47 Prozent der Frauen – oft nicht freiwillig – nur Teilzeit arbeiten, auf fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen, Belastungen durch die Pflege und Nachteile bei den Einkommen und stellte die Frage, ob das Arbeitsrecht obsolet sei. Der bayrische DGB-Funktionär Helmut Fiedler meinte, in Deutschland hätte man gerne die österreichische KV-Abdeckung und verwies auf die globale Verlagerung der Arbeit verbunden mit Lohn- und Sozialdumping.
Auftritt des Präsidenten
ÖGB-Präsident Erich Foglar sprach in seinem Referat von einer Zeitenwende und betonte, der ÖGB müsse die Interessen der Beschäftigten vertreten, Basis dafür seien die 64.000 Betriebsräte und die jetzt wieder steigende Zahl der Mitglieder. Die Regierung habe einen anderen Zugang als die Gewerkschaft. Die Sozialpartnerschaft bezeichnete er als „Mehrwert“ und „Erkenntnis aus den Erfahrungen der 1. Republik“ um „auf Augenhöhe zu verhandeln“. Jedes Jahr würde der Kampf um die KV-Abschlüsse geführt. Dass diese unter den Möglichkeiten liegen wie die Langzeitstudien der Arbeiterkammer beweisen und dass die Kampfbereitschaft wie etwa beim SWÖ-KV durch faule Deals hinter den Kulissen abgedreht werden ließ Foglar freilich unerwähnt.
Der soziale Friede sei ein „Grundfundament der 2. Republik“, damit habe Österreich die Krise gut bewältigt und eine Rekordbeschäftigung erreicht. Aber seit 2013 werde das schlechtgeredet und eine „Veränderungsstimmung herbeigeredet“, der neue WKÖ-Boss Mahrer wolle die Sozialpartnerschaft zu einer Standortpartnerschaft umwandeln. Foglar beklagte, dass die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft der Kammern von FPÖ, NEOS und Industriellenvereinigung in Frage gestellt wird, es gelte diese „mit Zähnen und Klauen zu verteidigen“.
Scharf zurückgewiesen wurden von Foglar die unter dem Titel „Überbürokratisierung“ und „Golden Plating“ betriebenen Versuche das Arbeitsinspektorat auszuhebeln und eine Reduzierung auf EU-Mindeststandards herbeizuführen und auch das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping zurückzudrehen. Dazu gehöre auch die geplante Prüfung durch die Finanz statt der Krankenklasse zur Schonung der Unternehmer. Das bedeute eine Änderung der Prüfungspraxis, denn die GKK prüfe nach Anspruch, die Finanz jedoch nur nach Abführung der Abgaben. Ebenso werde das Kumulationsprinzip in Frage gestellt.
Zur Lohnpolitik betonte Foglar die Forderung des ÖGB nach 1.700 Euro Mindestlohn: Von 3,6 Mio. Beschäftigten arbeiten 2,8 Mio. in Vollzeit, davon verdienen 420.000 als 1.700 Euro brutto. IV-Präsident Kapsch habe 2017 die Parole ausgegeben, nichts was die Arbeitszeit betrifft zu verhandeln. Umso mehr stellt sich die Frage, warum der ÖGB sich dabei in die Defensive begibt und nicht konkret die 35- oder 30-Stundenwoche verlangt.
Foglar verwies schließlich auf Prognosen der Regierung, wonach die Löhne bis 2024 jährlich um 3,0 Prozent, pro Beschäftigten um 3,2 Prozent, die Gewinne aber zwischen 3,7 und 6,4 Prozent steigen würden. Die Industrie „holt sich die Dividende für ihre Wahlspenden damit zurück“ so Foglar und „die FPÖ will mehr Macht“. Daher gelte es „jene zu stärken, die für die Sozialpartnerschaft sind“. Angesichts dieser von Foglar skizzierten Angriffe auf erworbene Rechte und Errungenschaften durch die Wirtschaft stellt sich freilich die Frage, warum der ÖGB immer noch auf einer Sozialpartnerschaft beharrt, von der sich der „Partner“ eigentlich schon verabschiedet hat.
Wahl von Präsidium und Kontrolle
Bei der Wahl wurden Johann Kalliauer (GPA-djp, FSG) als Vorsitzender und Peter Casny (GÖD, FCG), Harald Dietinger (GBH, FSG), Josef Madlmayr (PRO.GE, FSG), Elfriede Schober (ÖGB-Frauen, FSG) und Andreas Stangl (GPA-djp, FSG) als Stellvertreter_in bestätigt. Auffallend freilich, dass Kalliauer – der 2013 mit hundert Prozent Zustimmung gewählt wurde – diesmal nur 89 Prozent der Stimmen erhielt, was auf Kontroversen innerhalb der FSG-Mehrheitsfraktion schließen läßt. Sein „Kronprinz“ Stangl hatte bei der Wahl als FSG-Landeschef immerhin 97 Prozent erhalten. Bestätigt wurde auch der Kontrollausschuss, in dem für den GLB Thomas Erlach (Ersatz Peter Gruber) vertreten ist.