Erfolg oder Enttäuschung?
- Montag, 16. April 2018 @ 16:20
Heike Fischer über die Kollektivvertragsverhandlungen im Sozialbereich
Ende November 2017 begannen die KV-Verhandlungen für mehr als 100.000 Beschäftigte im privaten Gesundheits- und Sozialbereich, wenige Tage später für Caritas und Diakonie. Alle drei KV gelten nicht nur für Pflegeberufe, sondern für die ganze Palette sozialer Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitierender Art für Menschen aller Altersgruppen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass die Gehälter ca. 18 Prozent unter dem Durchschnitt liegen, der Arbeitsdruck immer intensiver wird, der Anteil an Teilzeitbeschäftigung enorm hoch ist und die große Mehrheit der Beschäftigten Frauen sind.
Die Forderungen nach der 35-Stunden-Woche, einer kräftigen Gehaltserhöhung und der korrekten Einstufung der Pflegeberufe sind also berechtigt. Die ArbeitgeberInnen wollten hingegen Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume und Verkürzung der Ruhezeiten. Als ob der hohe Teilzeit-Anteil nicht schon ausreichend für flexible Arbeitszeitgestaltung wäre.
Schon im Dezember 2017 reagierte in der ersten Verhandlungsrunde die Arbeitgeberseite klar mit einem Nein auf jede Forderung. Anfang Jänner wurden die Verhandlungen in der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) fortgesetzt. Äußerst erfolglos. Es folgten eine BR-Konferenz am 18. Jänner 2018 und bundesweit Demonstrationen und Kundgebungen am 30. Jänner.
Nach der 4. SWÖ-Verhandlungsrunde erklärten die ArbeitgeberInnen die Verhandlungen für beendet, weil die Gewerkschaften nicht auf die Arbeitszeitverkürzung verzichten wollten. Warnstreiks in mehr als 140 Betrieben bundesweit folgten am 15. und 16. Februar. 40.000 KollegInnen, 40 Prozent der SWÖ-Beschäftigten beteiligten sich. Der Streik wirkte: Die ArbeitgeberInnen bemühten sich sofort um einen neuen Verhandlungstermin.
Aber was war unterdessen aus den Verhandlungen von Caritas und Diakonie geworden? Nichts. Denn einvernehmlich wurden weitere Verhandlungstermine abgesagt. Man einigte sich darauf, erst nach dem SWÖ-Abschluss weiter zu verhandeln.
Für uns Diakonie-BetriebsrätInnen klingt das recht gemütlich: Lehnen wir uns zurück und warten ab! Aber das befriedigt nicht wirklich. Denn die Beschäftigten hatten Fragen, eine Valorisierung vielleicht schon ab Februar eingeplant, wollten wissen, warum wir nicht streikten. Aber immer noch zu viele interessierte es leider überhaupt nicht.
Ohne vorherige Auseinandersetzung am Verhandlungstisch kann ich aber nicht zu Kampfmaßnahmen aufrufen. Deshalb beschränkte ich mich darauf, die KollegInnen aufzuklären, welche Bedeutung der SWÖ-Abschluss für die Diakonie hat und dass ein Abwarten für uns eher vorteilhaft war. Die meisten hatten es verstanden und zumindest innerlich die Daumen gedrückt, dass die Warnstreiks in der SWÖ erfolgreich sein mögen. Aber die Frage ist nun auch bei meinen KollegInnen ins Bewusstsein gerückt: Warum verhandeln SWÖ, Diakonie und Caritas nicht gemeinsam? Ich bin dafür und werde mich auch weiterhin dafür einsetzen.
Am 23. Februar verhandelte die SWÖ weiter. Sollten die ArbeitgeberInnen wiederum keine annehmbaren Angebote unterbreiten, würden die Streiks am 27. und 28. Februar fortgesetzt werden. Viele Beschäftigte waren mobilisiert und zum Kämpfen bereit. Gut durchdacht, damit es keine allzu großen Nachteile für die KlientInnen geben würde.
Am nächsten Morgen war ich überrascht, dass nach mehrstündigen Verhandlungen ein Abschluss vereinbart wurde. Die Eckpunkte: 2,5 Prozent Gehaltserhöhung, jedoch mindestens 48 Euro, Anhebung der Alt-Gehaltssysteme um maximal 75 Euro. Verbesserungen für Pflegeberufe, etappenweise zusätzlich monatlich zwischen 30 und 100 Euro zum Gehalt. Leichte Verbesserungen für Lehrlinge, beim Urlaub und für Teilzeitkräfte.
Und dafür Streikaktionen? Was war aus der 35-Stunden-Woche geworden? Medial und auch auf der Homepage der GPA-djp war nichts zu finden, immer nur die Rede vom „erfolgreichen“ Abschluss. Und als ich direkt einen GPA-Funktionär fragte: Eine Mauer des Schweigens. Unerträglich! Klartext sieht anders aus. Es dürfte sich doch eine Menge hinter den Kulissen abgespielt haben, über das nicht geredet werden soll. Hinzu kommt, dass es bereits vor dem SWÖ-Abschluss einen inoffiziellen Abschluss der Caritas gab.
Für die Diakonie war mir wichtig, dass wir nicht hinter dem SWÖ-Abschluss zurückbleiben sollten. Das war in unserer zweiten Verhandlungsrunde am 1. März relativ flott erledigt und lässt mich hoffen, dass auch der ArbeitgeberInnenverband der Diakonie scheinbar nicht abgeneigt ist, mit der SWÖ gemeinsam zu verhandeln, sind doch die Verhandlungsergebnisse weitgehend ident.
Ein Erfolg sind diese KV-Verhandlungen aber nicht. Es überwiegt die Enttäuschung darüber, dass die Bereitschaft zu Kampfmaßnahmen durch die Gewerkschaften gebremst wurde. Und auch die Enttäuschung darüber, dass innerhalb der drei Beschäftigtengruppen kein Solidaritätsgedanke vorhanden ist. Kein Wunder, dass sich bei so wenig Transparenz und Mitspracherecht der Mitgliederzuwachs der Gewerkschaften in Grenzen hält.
Heike Fischer ist Diplompädagogin, Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße Linz und GLB-Landesvorsitzende in OÖ
Ende November 2017 begannen die KV-Verhandlungen für mehr als 100.000 Beschäftigte im privaten Gesundheits- und Sozialbereich, wenige Tage später für Caritas und Diakonie. Alle drei KV gelten nicht nur für Pflegeberufe, sondern für die ganze Palette sozialer Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitierender Art für Menschen aller Altersgruppen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass die Gehälter ca. 18 Prozent unter dem Durchschnitt liegen, der Arbeitsdruck immer intensiver wird, der Anteil an Teilzeitbeschäftigung enorm hoch ist und die große Mehrheit der Beschäftigten Frauen sind.
Die Forderungen nach der 35-Stunden-Woche, einer kräftigen Gehaltserhöhung und der korrekten Einstufung der Pflegeberufe sind also berechtigt. Die ArbeitgeberInnen wollten hingegen Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume und Verkürzung der Ruhezeiten. Als ob der hohe Teilzeit-Anteil nicht schon ausreichend für flexible Arbeitszeitgestaltung wäre.
Schon im Dezember 2017 reagierte in der ersten Verhandlungsrunde die Arbeitgeberseite klar mit einem Nein auf jede Forderung. Anfang Jänner wurden die Verhandlungen in der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) fortgesetzt. Äußerst erfolglos. Es folgten eine BR-Konferenz am 18. Jänner 2018 und bundesweit Demonstrationen und Kundgebungen am 30. Jänner.
Nach der 4. SWÖ-Verhandlungsrunde erklärten die ArbeitgeberInnen die Verhandlungen für beendet, weil die Gewerkschaften nicht auf die Arbeitszeitverkürzung verzichten wollten. Warnstreiks in mehr als 140 Betrieben bundesweit folgten am 15. und 16. Februar. 40.000 KollegInnen, 40 Prozent der SWÖ-Beschäftigten beteiligten sich. Der Streik wirkte: Die ArbeitgeberInnen bemühten sich sofort um einen neuen Verhandlungstermin.
Aber was war unterdessen aus den Verhandlungen von Caritas und Diakonie geworden? Nichts. Denn einvernehmlich wurden weitere Verhandlungstermine abgesagt. Man einigte sich darauf, erst nach dem SWÖ-Abschluss weiter zu verhandeln.
Für uns Diakonie-BetriebsrätInnen klingt das recht gemütlich: Lehnen wir uns zurück und warten ab! Aber das befriedigt nicht wirklich. Denn die Beschäftigten hatten Fragen, eine Valorisierung vielleicht schon ab Februar eingeplant, wollten wissen, warum wir nicht streikten. Aber immer noch zu viele interessierte es leider überhaupt nicht.
Ohne vorherige Auseinandersetzung am Verhandlungstisch kann ich aber nicht zu Kampfmaßnahmen aufrufen. Deshalb beschränkte ich mich darauf, die KollegInnen aufzuklären, welche Bedeutung der SWÖ-Abschluss für die Diakonie hat und dass ein Abwarten für uns eher vorteilhaft war. Die meisten hatten es verstanden und zumindest innerlich die Daumen gedrückt, dass die Warnstreiks in der SWÖ erfolgreich sein mögen. Aber die Frage ist nun auch bei meinen KollegInnen ins Bewusstsein gerückt: Warum verhandeln SWÖ, Diakonie und Caritas nicht gemeinsam? Ich bin dafür und werde mich auch weiterhin dafür einsetzen.
Am 23. Februar verhandelte die SWÖ weiter. Sollten die ArbeitgeberInnen wiederum keine annehmbaren Angebote unterbreiten, würden die Streiks am 27. und 28. Februar fortgesetzt werden. Viele Beschäftigte waren mobilisiert und zum Kämpfen bereit. Gut durchdacht, damit es keine allzu großen Nachteile für die KlientInnen geben würde.
Am nächsten Morgen war ich überrascht, dass nach mehrstündigen Verhandlungen ein Abschluss vereinbart wurde. Die Eckpunkte: 2,5 Prozent Gehaltserhöhung, jedoch mindestens 48 Euro, Anhebung der Alt-Gehaltssysteme um maximal 75 Euro. Verbesserungen für Pflegeberufe, etappenweise zusätzlich monatlich zwischen 30 und 100 Euro zum Gehalt. Leichte Verbesserungen für Lehrlinge, beim Urlaub und für Teilzeitkräfte.
Und dafür Streikaktionen? Was war aus der 35-Stunden-Woche geworden? Medial und auch auf der Homepage der GPA-djp war nichts zu finden, immer nur die Rede vom „erfolgreichen“ Abschluss. Und als ich direkt einen GPA-Funktionär fragte: Eine Mauer des Schweigens. Unerträglich! Klartext sieht anders aus. Es dürfte sich doch eine Menge hinter den Kulissen abgespielt haben, über das nicht geredet werden soll. Hinzu kommt, dass es bereits vor dem SWÖ-Abschluss einen inoffiziellen Abschluss der Caritas gab.
Für die Diakonie war mir wichtig, dass wir nicht hinter dem SWÖ-Abschluss zurückbleiben sollten. Das war in unserer zweiten Verhandlungsrunde am 1. März relativ flott erledigt und lässt mich hoffen, dass auch der ArbeitgeberInnenverband der Diakonie scheinbar nicht abgeneigt ist, mit der SWÖ gemeinsam zu verhandeln, sind doch die Verhandlungsergebnisse weitgehend ident.
Ein Erfolg sind diese KV-Verhandlungen aber nicht. Es überwiegt die Enttäuschung darüber, dass die Bereitschaft zu Kampfmaßnahmen durch die Gewerkschaften gebremst wurde. Und auch die Enttäuschung darüber, dass innerhalb der drei Beschäftigtengruppen kein Solidaritätsgedanke vorhanden ist. Kein Wunder, dass sich bei so wenig Transparenz und Mitspracherecht der Mitgliederzuwachs der Gewerkschaften in Grenzen hält.
Heike Fischer ist Diplompädagogin, Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße Linz und GLB-Landesvorsitzende in OÖ