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Denkwende dringend nötig

  • Dienstag, 17. April 2018 @ 15:47
Meinung
Karin Antlanger über Foglars Verständnis von Prekarisierung

Der ÖGB will sich im Zuge der Digitalisierung einer neuen Klientel gegenüber öffnen und in Zukunft nicht mehr nur klassische ArbeiterInnen und Angestellte vertreten. Dies soll beim ÖGB Bundeskongress im Juni beschlossen werden. Auch wenn noch nicht klar ist, wie die Gewerkschaft etwa Personen, die für internationale Plattformen arbeiten oder Ein-Personen-Unternehmen (EPU) vertreten wollen. Da heißt es von ÖGB-Seite „Wir sind noch bei der Problemanalyse und suchen Lösungsansätze:“

Bestens abgesichert?

Noch-ÖGB-Präsident Foglar meinte dazu in einem Interview (Die Presse, 29.3.2018): „Nicht die Teilzeitbeschäftigten oder Schichtarbeiter sind die prekär Beschäftigten, denn dort gibt es genaue Regelungen. Die gibt es hier nicht.“ Ganz so, als seien die Teilzeitbeschäftigten in Österreich eh bestens abgesichert.

Da beweist der Herr Präsident wieder mal aufs Neue, dass er entweder völlig abgehoben ist, oder er nach altem männlichen Muster Teilzeitbeschäftigte als gut abgesicherte dazuverdienende Ehefrauen sieht oder er schlicht und einfach nicht weiß, was der Begriff „prekär“ bedeutet.

Zur Nachhilfe sei dem Kollegen Foglar aus dem DGB-Lexikon der Arbeitswelt zitiert: „Prekäre Beschäftigung liegt vor, wenn ArbeitnehmerInnen nur schlecht oder gar nicht von ihrem Einkommen leben können, die Arbeit nicht auf Dauer angelegt ist oder sie unfreiwillig teilzeitbeschäftigt sind. Dazu gezählt werden Leih- und Zeitarbeit, Beschäftigung im Niedriglohnsektor, unfreiwillige Teilzeit, Minijobs oder geförderte Arbeitsgelegenheiten. Auch Selbständige können prekär beschäftigt sein, wenn sie beispielsweise als Scheinselbständige von nur einem Auftraggeber abhängig sind.“

Prekär ist was anderes

Der ÖGB-Präsident, und wahrscheinlich nicht nur dieser, hat offensichtlich eine sehr verklärte Vorstellung von der realen Lebenswelt vieler teilzeitbeschäftigter Menschen. Wenn von prekär Beschäftigten die Rede ist, dann meinen wir damit nicht diejenigen, die etwa zur Absicherung ihrer Tätigkeit in der eigenen privaten Psychotherapiepraxis auch noch 15 oder 20 Wochenstunden als Angestellte in einem Sozialverein arbeiten. Nein, die sind nicht prekär beschäftigt, sondern relativ gut abgesichert und machen das freiwillig. Auch die Menschen aus der Erbengeneration, die bereits ein Haus von den Eltern zu Lebzeiten übertragen bekommen haben oder über ausreichend familiär ererbtes Vermögen verfügen, sodass sie es sich leisten können, weniger zu arbeiten, fallen nicht unter den Begriff „prekär“.

Prekär beschäftigt sind hingegen die vielen Menschen, die nur einen Arbeitsvertrag über zwölf, 15 oder 20 Wochenstunden bekommen, die gerne mehr arbeiten würden, weil sie von einem Einkommen für eine derart geringe Stundenanzahl nicht leben können. Überwiegend sind es Frauen, die nach längerer Teilzeitbeschäftigung erkennen müssen, dass sie in der sogenannten Teilzeitfalle festsitzen und deren Arbeitszeit nicht erhöht wird, weil es ja jüngere, billigere Arbeitskräfte gibt. Speziell in den privaten Sozial- und Gesundheitsbetrieben ist dies gelebte Praxis. Aber nicht nur dort. Speziell im weiblich dominierten Niedriglohnsektor (Arzthelferinnen, Handel, Friseurgewerbe, Kosmetik etc.) werden fast nur noch Teilzeitjobs bzw. Arbeitsplätzchen angeboten, womit die Altersarmut vorprogrammiert ist.

Minipension = Altersarmut

Aber Altersarmut kommt der Politik nur zurecht, denn diese setzt niedrige Minipensionen voraus. Und je kleiner die Pensionen umso geringer der staatliche Anteil daran. Dies war unter Rot-Schwarz nicht anders als nun unter Schwarz-Blau.

Zurück zu den Positionen des ÖGB zum Thema Digitalisierung: Foglar meinte dazu in der „Presse“, dass der ÖGB die Digitalisierung positiv sehe, räumt aber ein, dass es auch Verlierer geben werde. Für jene, die dadurch ihren Job verlieren, gelte es weiterhin eine würdige Aufgabe zu finden! Eine „würdige Aufgabe“ klingt ganz nach Beschäftigungstherapie, vielleicht mit ein bisserl Taschengeld, aber wohl kaum existenzsichernd. Wenn wir bereits jetzt für rund 400.000 Arbeitslose nur ein Angebot von etwa 40.000 Jobs haben, wie viele Arbeitslose werden es im Zuge der Digitalisierung werden?

Was eine längst überfällige allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden betrifft, so macht sich die ÖGB-Spitze in dieser Frage ins Hemd. Die Metaller hatten es bei den letzten KV-Verhandlungen nicht einmal im Forderungskatalog. Dafür schickte man den schwachen KV der Sozialwirtschaft in dieser Frage vor, wohlwissend, dass sich da nie und nimmer was rühren wird. Da kommt schon mal der Verdacht auf, dass es Absicht war, diese Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung quasi an die Wand zu fahren.

Und wenn es heißt, der ÖGB habe bei der Mitgliederentwicklung die Trendwende geschafft, dann können wir nur hoffen, dass es auch in den Köpfen der ÖGB-Führung bald zu einer Trendwende kommen möge.

Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und war Betriebsrätin bei EXIT-sozial Linz