SWÖ: „Ihr dürft euch ned vergleichen“
- Donnerstag, 1. März 2018 @ 20:00
Ein klassisches Beispiel dafür, wie KV-Vertragsverhandlungen aus den eigenen Reihen sabotiert werden. In der Nacht von 23. auf 24.2.2018 wurde der SWÖ-Kollektivvertrag abgeschlossen. Dazu hätte es nicht kommen dürfen. Warum es trotzdem so war, darum geht es hier, und nicht um eine inhaltliche Bewertung des Ergebnisses. (Dieser Beitrag erreichte uns von einer/einem gewerkschaftlichen AktivistIn aus dem Sozialbereich und gibt interessante Einblicke in die letzte Kollektivvertragsrunde in der „Sozialwirtschaft Österreich“. Es wird klar, dass hier von Seiten der Belegschaften viel mehr erreicht werden hätte können, wenn an der Spitze der Gewerkschaft dieselbe Kampfbereitschaft vorherrschen würde wie an deren Basis. Wir lesen diesen Beitrag als Plädoyer für gewerkschaftliche Demokratie, als entscheidendes Mittel zur Steigerung der Kampffähigkeit der Bewegung, und wünschen uns eine weite Verbreitung dieser Erfahrungen. Redaktion Der Funke, 1. März)
Angefangen hat eigentlich alles schon im Herbst. Bei der Sitzung, auf welcher das Forderungsprogramm zwischen den Gewerkschaften vida und GPA-djp vereinbart wurde. Wie immer waren die Unterschiede am Anfang ziemlich groß. Die GPA-djp wollte eigentlich nur drei große Forderungen (Gehaltserhöhung, 35-Stunden-Woche bei vollem Gehalts- und Personalausgleich, korrekte Einstufung der Pflegeberufe), damit wir uns selbst unter Druck setzen, dabei was zu erreichen. Eigentlich eine schlaue Strategie. Die vida wollte eigentlich wie immer die Arbeitszeitverkürzung nicht und zig kleine Punkte.
Herausgekommen ist ein fauler Kompromiss. Wenn zwei Gewerkschaften zusammen verhandeln, wird es immer Kompromisse geben müssen. Aber dieser war völlig sinnbefreit! Wie immer hat es zu Wickeln geführt, dass die kleinen Verhandlungsteams, die vorher über das Verhandlungspaket mauscheln, nicht offen miteinander reden. In der GPA-djp wurde diskutiert, dass es keinen Abschluss unter drei Prozent geben darf. Davon wusste die vida nix, weil das kleine Verhandlungsteam der GPA-djp das nicht weitergesagt hatte. Wozu reden wir dann überhaupt vorher? Die Emotionen kochten hoch. Am Ende war wie so oft nicht genug Zeit und es wurde gar keine Gehaltsforderung aufgestellt. Wie immer wurde versprochen, dass über das Gehalt mit den Arbeitgebern erst geredet wird, wenn das große Verhandlungsteam darüber geredet hat. Dazu später.
Forderungsübergabe, 1. Verhandlungsrunde, (beides nur kleines Verhandlungsteam) 2. Verhandlungsrunde, 3. Verhandlungsrunde: Business as usual. In den zentralen Fragen gibt es jedoch keine Annäherung. 4. Verhandlungsrunde: Die Arbeitgeber erklären die Verhandlungen für beendet, da die Gewerkschaft nicht auf die Forderung nach der Arbeitszeitverkürzung verzichtet. Große Wut. Noch in der Nacht wird ein Warnstreik vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt hieß es, dass sich rund 140 Einrichtungen mit etwa 5.000 KollegInnen daran beteiligen würden.
Das wäre ein erster wichtiger Schritt gewesen. Bis jetzt hieß es immer: alle oder keiner, also in der Praxis keiner. Tatsächlich wurde es aber viel besser! Am 15. und 16.2.2018 beteiligen sich rund 40.000 KollegInnen (40 Prozent der Beschäftigten, die unter den SWÖ-Kollektivvertrag fallen) an den dreistündigen Warnstreiks. Alle sind überwältig. Auch die Arbeitgeber. Sie bemühen sich sofort um einen neuen Verhandlungstermin. Von wegen „die Verhandlungen sind beendet“.
Für den 16.02. werden die Arbeitgeber aus der Pflege und Behindertenarbeit in Wien zu Geschäftsführer Peter Hacker vom FSW (der Fonds Soziales Wien ist eine ausgelagerte Firma, die die Sozialeinrichtungen im Auftrag des Landes Wien finanziert, Anm.) vorgeladen. Sie kommen angekrochen. Hacker lässt sich berichten, wie sie verhandelt haben. Er hätte das besser gemacht, sagt er, und auch, dass die Arbeitgeber bei einem höheren Abschluss die Mehrkosten von den „KundInnen“ (gemeint waren die KlientInnen, die soziale Dienste in Anspruch nehmen müssen) hereinholen müssen.
Innerhalb der Gewerkschaft Irritation. Vor der 4. Verhandlungsrunde hieß es, dass der Vorsitzende der Arbeitgeber, Fenninger, einen Termin beim Vorsitzenden der GPA-djp, Katzian, haben wollte. Auf Nachfrage wird geantwortet, dass das nicht bekannt sei. Tatsächlich sitzt dann auf einmal der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA-djp (und künftige Bundesgeschäftsführer), Dürtscher, im kleinen Verhandlungsteam. Warum, weiß keiner. Als das kleine Verhandlungsteam ins große kommt, macht Dürtscher Stimmung, beleidigt KollegInnen wegen Themen, die mit dem Kollektivvertrag nix zu tun haben, erklärt, dass wir uns nicht mit den Metallern vergleichen dürfen, das sei ganz was anderes. Klar, für die kostet das Brot ja mehr. Zynismus macht sich in mir breit. Warum auch nicht, wenn die Oberen auch so zynisch sind?
Trotz dieses offensichtlichen Versuches, den Kampf abzudrehen, wird der schon erwähnte Warnstreik beschlossen und durchgeführt. Am ersten Tag des Warnstreiks platzt dann die Bombe. In einer Aussendung des Arbeitgeberverbandes SWÖ, die uns von freundlich gesonnenen Arbeitgebern zugespielt wird, steht „Die ArbeitnehmerInnenseite forderte 2,75 Prozent Gehaltserhöhung, die Einführung der 35-Stunden-Woche in drei Etappen (ab 2020 jährliche Verkürzung um eine Stunde) sowie Zuschläge für DGKP (180 Euro pro Monat), PflegefachassistentInnen (120 Euro) sowie PflegeassistentInnen und SozialbetreuerInnen (70 Euro), jeweils in zwei Etappen (1.7.2018 und 1.1.2019).“
Das ist etwas, von dem wir noch nie gehört haben. Wir fragen uns gegenseitig, ob wir bei den Berichten in den Verhandlungsteams alle geschlafen haben. Hätte ja in Anbetracht der späten Stunde sein können. Nein, da hat noch niemand was davon gehört. Über die Gehaltsforderung wurde noch nicht diskutiert, die Forderung zur Arbeitszeit und zur Einstufung der Pflegeberufe offiziell nicht geändert. Offenbar spielt da wer ein dreckiges Spiel. Hebelt die Demokratie aus. Macht Angebote an die Gegenseite, die nicht mit dem großen Verhandlungsteam abgesprochen sind.
Oder ist es ein Trick der Arbeitgeber, uns zu spalten? Langwierige Recherchen bestätigen: es stimmt. Das Angebot wurde gemacht, ohne das große Verhandlungsteam auch nur zu informieren. Das ist von beiden Seiten bestätigt worden.
Auch in der 5. Verhandlungsrunde wurde nicht einmal darüber berichtet. Dafür ist dazwischen ganz schön viel passiert. Einerseits wurden zahlreiche KollegInnen der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, Anm.) angerufen und freundlich darum gebeten (andere sagen auch unter Druck gesetzt), auf jeden Fall in der nächsten Runde für einen Abschluss zu stimmen. Egal wie der Ton jetzt war: es ist eine Frechheit und ein Bruch jeglicher Demokratie, wenn so etwas eingefordert wird, noch bevor überhaupt ein Ergebnis am Tisch liegt. Wer hat da mit wem gemauschelt? Wir werden es vielleicht nie herausfinden.
Vielleicht wurde auch gar nicht gemauschelt, sondern die Bundesgeschäftsführung der GPA-djp hat einfach nur Angst bekommen, weil der Warnstreik und die bereits für 27. und 28.2.2018 vorbereiteten Streiks all ihre Erwartungen überstiegen und großteils selbstorganisiert waren. In Wien wäre der nächste Streik mit Sicherheit noch größer geworden. Und das, obwohl schon bei der Vorbereitung dafür klargemacht wurde, dass es keinerlei organisatorische oder personelle Unterstützung dafür von der GPA-djp Wien geben wird.
Mit Sicherheit ist diese Entscheidung nicht auf Ebene der normalen Beschäftigen in der GPA-djp gefallen. In Wien ist derzeit die zukünftige Vorsitzende der GPA-djp deren Geschäftsführerin. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dem Konflikt mit der eigenen Partei in Form von Peter Hacker und des künftigen Bürgermeisters Ludwig, der im Sozialbereich noch mehr einsparen will, ausgewichen werden sollte. Kein Wunder, hatte doch sicher die überwältigende Mehrheit der FSGlerInnen im Landesparteitag für diesen gestimmt. Aus gewerkschaftlicher Sicht ein Fehler, wie sich hier zeigt.
Und dann kommt die 5. Verhandlungsrunde. Fast zehn Stunden lang bekommt das große Verhandlungsteam keinen Bericht. Dann kommt endlich das kleine Verhandlungsteam. Erklärt das „letzte Angebot“ der Arbeitgeber. Wenn dieses nicht angenommen wird, gibt es heuer keinen Abschluss. Die Mehrheit lässt sich von diesem Argument in die Panik treiben, stimmt dem Abschluss zu. Wozu? Fünf Nächte verschenkt für einen Abschluss, der für viele einen Reallohnverlust bedeutet, die Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern, uns und den besseren Kollektivverträgen vergrößert? Wenn wir jedes Jahr um ein halbes Prozent niedriger abschließen wie ein anderer Kollektivvertrag macht das auf Basis eines durchschnittlichen Kollektivvertragsabschlusses von 2,5 Prozent bei der Lebensverdienstsumme bei einem Bruttogehalt von 2.000 Euro heute nach 40 Dienstjahren über 220.000 Euro aus. Wäre ich doch lieber einen Saufen gegangen. Geändert hätte es auch nichts.
Doch leider zieht das Argument mit dem „kein Abschluss“. Viele fragen sich, wie sie das ihren Belegschaften verkaufen können. Warum auch? Ich bin Betriebsrätin, nicht Verkäuferin. Ich muss den Leuten nur sagen, die Arbeitgeber verarschen uns, setzen uns unter Druck, haben die Verhandlungen beendet. Spätestens am Gehaltszettel sehen die KollegInnen dann, was das für sie heißt, werden wütend und es gäbe noch einen größeren Streik. Aber die Mehrzahl hat Angst vor der eigenen Courage. Übernimmt eine Verantwortung, die sie nicht hat. Wenn die Arbeitgeber keinen ordentlichen Abschluss wollen, ist das ihre Verantwortung, nicht unsere. Welche Rolle hat dabei der Druck der Dürtscher & Co gespielt und ein Verhandlungsteam, das glaubt, es ist gescheiter wie wir? Die sollen den Arbeitgebern einfach nur weitersagen, was wir besprechen und sonst gar nix.
Streiken lernen braucht Zeit. Vielleicht zu viel Zeit. Wir haben in kürzester Zeit bewiesen, dass wir es können. Aber die Gewerkschaftsspitze und viele Betriebsratsvorsitzende haben Angst. Angst vor der Selbstorganisation der Belegschaften. Angst, die Kontrolle zu verlieren. Angst um ihre ach so wichtige Rolle am Verhandlungstisch der schon längst zu Grabe getragenen Sozialpartnerschaft.
Wie wird sich das ganze jetzt auswirken? Wird die Erfahrung, dass wir uns selbst gemeinsam für unsere Interessen einsetzen und die Arbeitgeber an den Verhandlungstisch zurückstreiken können bei den nächsten KV-Verhandlungen noch in den Köpfen der Leute sein? Oder wird der Frust überwiegen, dass trotz eines großartigen Warnstreiks praktisch nicht mehr herausgekommen ist als ohne, dominieren? Was auch immer herauskommt: verantwortlich dafür ist die Gewerkschaftsspitze!
Quelle: derfunke.at
Angefangen hat eigentlich alles schon im Herbst. Bei der Sitzung, auf welcher das Forderungsprogramm zwischen den Gewerkschaften vida und GPA-djp vereinbart wurde. Wie immer waren die Unterschiede am Anfang ziemlich groß. Die GPA-djp wollte eigentlich nur drei große Forderungen (Gehaltserhöhung, 35-Stunden-Woche bei vollem Gehalts- und Personalausgleich, korrekte Einstufung der Pflegeberufe), damit wir uns selbst unter Druck setzen, dabei was zu erreichen. Eigentlich eine schlaue Strategie. Die vida wollte eigentlich wie immer die Arbeitszeitverkürzung nicht und zig kleine Punkte.
Herausgekommen ist ein fauler Kompromiss. Wenn zwei Gewerkschaften zusammen verhandeln, wird es immer Kompromisse geben müssen. Aber dieser war völlig sinnbefreit! Wie immer hat es zu Wickeln geführt, dass die kleinen Verhandlungsteams, die vorher über das Verhandlungspaket mauscheln, nicht offen miteinander reden. In der GPA-djp wurde diskutiert, dass es keinen Abschluss unter drei Prozent geben darf. Davon wusste die vida nix, weil das kleine Verhandlungsteam der GPA-djp das nicht weitergesagt hatte. Wozu reden wir dann überhaupt vorher? Die Emotionen kochten hoch. Am Ende war wie so oft nicht genug Zeit und es wurde gar keine Gehaltsforderung aufgestellt. Wie immer wurde versprochen, dass über das Gehalt mit den Arbeitgebern erst geredet wird, wenn das große Verhandlungsteam darüber geredet hat. Dazu später.
Forderungsübergabe, 1. Verhandlungsrunde, (beides nur kleines Verhandlungsteam) 2. Verhandlungsrunde, 3. Verhandlungsrunde: Business as usual. In den zentralen Fragen gibt es jedoch keine Annäherung. 4. Verhandlungsrunde: Die Arbeitgeber erklären die Verhandlungen für beendet, da die Gewerkschaft nicht auf die Forderung nach der Arbeitszeitverkürzung verzichtet. Große Wut. Noch in der Nacht wird ein Warnstreik vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt hieß es, dass sich rund 140 Einrichtungen mit etwa 5.000 KollegInnen daran beteiligen würden.
Das wäre ein erster wichtiger Schritt gewesen. Bis jetzt hieß es immer: alle oder keiner, also in der Praxis keiner. Tatsächlich wurde es aber viel besser! Am 15. und 16.2.2018 beteiligen sich rund 40.000 KollegInnen (40 Prozent der Beschäftigten, die unter den SWÖ-Kollektivvertrag fallen) an den dreistündigen Warnstreiks. Alle sind überwältig. Auch die Arbeitgeber. Sie bemühen sich sofort um einen neuen Verhandlungstermin. Von wegen „die Verhandlungen sind beendet“.
Für den 16.02. werden die Arbeitgeber aus der Pflege und Behindertenarbeit in Wien zu Geschäftsführer Peter Hacker vom FSW (der Fonds Soziales Wien ist eine ausgelagerte Firma, die die Sozialeinrichtungen im Auftrag des Landes Wien finanziert, Anm.) vorgeladen. Sie kommen angekrochen. Hacker lässt sich berichten, wie sie verhandelt haben. Er hätte das besser gemacht, sagt er, und auch, dass die Arbeitgeber bei einem höheren Abschluss die Mehrkosten von den „KundInnen“ (gemeint waren die KlientInnen, die soziale Dienste in Anspruch nehmen müssen) hereinholen müssen.
Innerhalb der Gewerkschaft Irritation. Vor der 4. Verhandlungsrunde hieß es, dass der Vorsitzende der Arbeitgeber, Fenninger, einen Termin beim Vorsitzenden der GPA-djp, Katzian, haben wollte. Auf Nachfrage wird geantwortet, dass das nicht bekannt sei. Tatsächlich sitzt dann auf einmal der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA-djp (und künftige Bundesgeschäftsführer), Dürtscher, im kleinen Verhandlungsteam. Warum, weiß keiner. Als das kleine Verhandlungsteam ins große kommt, macht Dürtscher Stimmung, beleidigt KollegInnen wegen Themen, die mit dem Kollektivvertrag nix zu tun haben, erklärt, dass wir uns nicht mit den Metallern vergleichen dürfen, das sei ganz was anderes. Klar, für die kostet das Brot ja mehr. Zynismus macht sich in mir breit. Warum auch nicht, wenn die Oberen auch so zynisch sind?
Trotz dieses offensichtlichen Versuches, den Kampf abzudrehen, wird der schon erwähnte Warnstreik beschlossen und durchgeführt. Am ersten Tag des Warnstreiks platzt dann die Bombe. In einer Aussendung des Arbeitgeberverbandes SWÖ, die uns von freundlich gesonnenen Arbeitgebern zugespielt wird, steht „Die ArbeitnehmerInnenseite forderte 2,75 Prozent Gehaltserhöhung, die Einführung der 35-Stunden-Woche in drei Etappen (ab 2020 jährliche Verkürzung um eine Stunde) sowie Zuschläge für DGKP (180 Euro pro Monat), PflegefachassistentInnen (120 Euro) sowie PflegeassistentInnen und SozialbetreuerInnen (70 Euro), jeweils in zwei Etappen (1.7.2018 und 1.1.2019).“
Das ist etwas, von dem wir noch nie gehört haben. Wir fragen uns gegenseitig, ob wir bei den Berichten in den Verhandlungsteams alle geschlafen haben. Hätte ja in Anbetracht der späten Stunde sein können. Nein, da hat noch niemand was davon gehört. Über die Gehaltsforderung wurde noch nicht diskutiert, die Forderung zur Arbeitszeit und zur Einstufung der Pflegeberufe offiziell nicht geändert. Offenbar spielt da wer ein dreckiges Spiel. Hebelt die Demokratie aus. Macht Angebote an die Gegenseite, die nicht mit dem großen Verhandlungsteam abgesprochen sind.
Oder ist es ein Trick der Arbeitgeber, uns zu spalten? Langwierige Recherchen bestätigen: es stimmt. Das Angebot wurde gemacht, ohne das große Verhandlungsteam auch nur zu informieren. Das ist von beiden Seiten bestätigt worden.
Auch in der 5. Verhandlungsrunde wurde nicht einmal darüber berichtet. Dafür ist dazwischen ganz schön viel passiert. Einerseits wurden zahlreiche KollegInnen der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, Anm.) angerufen und freundlich darum gebeten (andere sagen auch unter Druck gesetzt), auf jeden Fall in der nächsten Runde für einen Abschluss zu stimmen. Egal wie der Ton jetzt war: es ist eine Frechheit und ein Bruch jeglicher Demokratie, wenn so etwas eingefordert wird, noch bevor überhaupt ein Ergebnis am Tisch liegt. Wer hat da mit wem gemauschelt? Wir werden es vielleicht nie herausfinden.
Vielleicht wurde auch gar nicht gemauschelt, sondern die Bundesgeschäftsführung der GPA-djp hat einfach nur Angst bekommen, weil der Warnstreik und die bereits für 27. und 28.2.2018 vorbereiteten Streiks all ihre Erwartungen überstiegen und großteils selbstorganisiert waren. In Wien wäre der nächste Streik mit Sicherheit noch größer geworden. Und das, obwohl schon bei der Vorbereitung dafür klargemacht wurde, dass es keinerlei organisatorische oder personelle Unterstützung dafür von der GPA-djp Wien geben wird.
Mit Sicherheit ist diese Entscheidung nicht auf Ebene der normalen Beschäftigen in der GPA-djp gefallen. In Wien ist derzeit die zukünftige Vorsitzende der GPA-djp deren Geschäftsführerin. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dem Konflikt mit der eigenen Partei in Form von Peter Hacker und des künftigen Bürgermeisters Ludwig, der im Sozialbereich noch mehr einsparen will, ausgewichen werden sollte. Kein Wunder, hatte doch sicher die überwältigende Mehrheit der FSGlerInnen im Landesparteitag für diesen gestimmt. Aus gewerkschaftlicher Sicht ein Fehler, wie sich hier zeigt.
Und dann kommt die 5. Verhandlungsrunde. Fast zehn Stunden lang bekommt das große Verhandlungsteam keinen Bericht. Dann kommt endlich das kleine Verhandlungsteam. Erklärt das „letzte Angebot“ der Arbeitgeber. Wenn dieses nicht angenommen wird, gibt es heuer keinen Abschluss. Die Mehrheit lässt sich von diesem Argument in die Panik treiben, stimmt dem Abschluss zu. Wozu? Fünf Nächte verschenkt für einen Abschluss, der für viele einen Reallohnverlust bedeutet, die Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern, uns und den besseren Kollektivverträgen vergrößert? Wenn wir jedes Jahr um ein halbes Prozent niedriger abschließen wie ein anderer Kollektivvertrag macht das auf Basis eines durchschnittlichen Kollektivvertragsabschlusses von 2,5 Prozent bei der Lebensverdienstsumme bei einem Bruttogehalt von 2.000 Euro heute nach 40 Dienstjahren über 220.000 Euro aus. Wäre ich doch lieber einen Saufen gegangen. Geändert hätte es auch nichts.
Doch leider zieht das Argument mit dem „kein Abschluss“. Viele fragen sich, wie sie das ihren Belegschaften verkaufen können. Warum auch? Ich bin Betriebsrätin, nicht Verkäuferin. Ich muss den Leuten nur sagen, die Arbeitgeber verarschen uns, setzen uns unter Druck, haben die Verhandlungen beendet. Spätestens am Gehaltszettel sehen die KollegInnen dann, was das für sie heißt, werden wütend und es gäbe noch einen größeren Streik. Aber die Mehrzahl hat Angst vor der eigenen Courage. Übernimmt eine Verantwortung, die sie nicht hat. Wenn die Arbeitgeber keinen ordentlichen Abschluss wollen, ist das ihre Verantwortung, nicht unsere. Welche Rolle hat dabei der Druck der Dürtscher & Co gespielt und ein Verhandlungsteam, das glaubt, es ist gescheiter wie wir? Die sollen den Arbeitgebern einfach nur weitersagen, was wir besprechen und sonst gar nix.
Streiken lernen braucht Zeit. Vielleicht zu viel Zeit. Wir haben in kürzester Zeit bewiesen, dass wir es können. Aber die Gewerkschaftsspitze und viele Betriebsratsvorsitzende haben Angst. Angst vor der Selbstorganisation der Belegschaften. Angst, die Kontrolle zu verlieren. Angst um ihre ach so wichtige Rolle am Verhandlungstisch der schon längst zu Grabe getragenen Sozialpartnerschaft.
Wie wird sich das ganze jetzt auswirken? Wird die Erfahrung, dass wir uns selbst gemeinsam für unsere Interessen einsetzen und die Arbeitgeber an den Verhandlungstisch zurückstreiken können bei den nächsten KV-Verhandlungen noch in den Köpfen der Leute sein? Oder wird der Frust überwiegen, dass trotz eines großartigen Warnstreiks praktisch nicht mehr herausgekommen ist als ohne, dominieren? Was auch immer herauskommt: verantwortlich dafür ist die Gewerkschaftsspitze!
Quelle: derfunke.at