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Völker überhört die Signale?

  • Samstag, 24. Februar 2018 @ 14:57
Meinung
Andreas Auzinger über den ÖGB in Zeiten von Schwarz-Blau

Nicht einmal einen Monat hat es gedauert, bis von der neuen Bundesregierung Grundelemente unseres Sozialstaates in Frage gestellt werden. Was es daher mehr als je zuvor brauchen würde, ist eine soziale Opposition, die sich der rechtskonservativen-rechtsextremen Regierung in den Weg stellt. Die SPÖ muss sich erst in ihrer Oppositionsrolle zurechtfinden, aber eine erste Strategie ist erkennbar: Man zeigt auf, wie rasch die FPÖ ihre Strategie mit der Regierungsbeteiligung geändert hat. Da hätte es viele spannende Themen gegeben. Etwa dass die immer so EU-kritisch auftretende FPÖ plötzlich kein Problem mit dem Brüsseler Sparzwang hat und auch nicht murrte, als das neue EU-Verteidigungsbündnis PESCO mit österreichischer Beteiligung aus der Taufe gehoben wurde.

Doch der SPÖ geht es wieder einmal um die Ausländer. Bundesgeschäftsführer Max Lercher warf der neuen Regierung vor, 150.000 neue ausländische Arbeitende bis 2022 ins Land zu lassen, die zu Dumpinglöhnen arbeiten und den Österreichern ihre gut bezahlten Arbeitsplätze wegnehmen würden. Das erinnert doch stark an die alte rechte Propaganda: „Die Fremdarbeiter nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“

Als Strache seinen alten Spruch „Kreisky würde heute FPÖ wählen“ äußerte, konterte Lercher mit dem Sager: „Die Wahrheit ist, dass Jörg Haider heute wahrscheinlich SPÖ wählen würde. Denn der hatte die elitären deutschtümmelnden Burschenschafter im Gegensatz zu Herrn Strache noch im Griff. Dem totalen Verrat der Arbeitnehmer und dem Ausverkauf an die ÖVP hätte er nie zugestimmt.“ Ein SPÖ-Bundesgeschaftsführer macht also aus dem superreichen rechten Bonzen Haider mit seiner Nazi-affinen Familie, einen Kämpfer für die Arbeiterklasse. Man wird immer wieder überrascht, wie tief die Sozialdemokratie noch sinken kann.

Sogar die von Menschen links der SPÖ geschätzte Partei-Onlinezeitung Kontrast verbreitete den Unsinn von den „Ausländern“, die uns die Arbeitsplätze nehmen und dass die FPÖ offensichtlich nicht genug gegen die Fremden unternimmt. Und auch Ex-Verteidigungsminister Doskozil (SPÖ) meldete sich zur neuen Regierung zu Wort und forderte von der neuen Regierung konsequentere Abschiebungen.

Der ÖGB ist leider kein Stück besser. Während der Deutsche Gewerkschaftsbund gerade befürchtet von rechten Betriebsratsstrukturen unterwandert zu werden, sind rechte Gewerkschafter im ÖGB längst in Spitzenpositionen. Der SPÖ-nahe Vida-Chef Roman Hebenstreit stellt die 440.000 arbeitslosen ÖsterreicherInnen den potenziellen 150.000 ausländischen „Billigarbeitskräften“ gegenüber, stattdessen solle man doch lieber auf „qualitative Arbeitsplätze in Rot-Weiß-Rot“ setzen.

Kein unbeschriebenes Blatt ist Bau-Holz-Vorsitzender Josef Muchitsch, gleichzeitig Sozialsprecher der SPÖ. Er warb bereits 2015 für eine mögliche rot-blaue Koalition und macht seinem Ruf auch jetzt alle Ehre. Bei der TV-Diskussion „Im Zentrum“ wurde bereits bei seiner Vorstellung der Satz „Arbeitsmarkt für mehr Zuwanderer offen schafft nur mehr Verdrängungswettbewerb“ gezeigt und mehrfach betonte er, dass durch das „Mehrangebot“ aus anderen EU-Staaten österreichische Arbeiter leer ausgehen würden. Am Ende warf er dem Vertreter der FPÖ-Wirtschaft vor, er wolle „ukrainische Eintrittskartenverkäufer“ ins Land holen.

Der ÖGB folgt damit einer langen traurigen Tradition. Bis in die 1990er Jahre war es als Nicht-ÖsterreicherIn nicht einmal möglich, hier Mitglied zu werden. Genau wie der Unsinn mit dem „Standort Österreich sichern“ ist das Bashing gegen MigrantInnen Teil der lähmenden Sozialpartnerschaft. Hebenstreit und Muchitsch meinen, dass ausländische Beschäftigte eine Bedrohung für heimische Arbeiter sind. Doch dem ist nur so, wenn die Gewerkschafter das zulassen. Jeder Arbeiter ist im Kapitalismus ein potenzieller Konkurrent für einen anderen, egal ob Ausländer oder Österreicher.

Und nicht zu vergessen, dass es die österreichischen Gewerkschaftsvertreter waren, die sich seit Jahren bei den KV-Verhandlungen mit immer weniger begnügten und damit den Lebensstandard aller ÖsterreicherInnen, die ihr Geld mit Arbeit verdienen, bedrohen. Mit der Parole „Österreich zuerst“ wird die ArbeiterInnenbewegung in Österreich keinen Meter gewinnen. Gewerkschaften müssen sich international vernetzen, die Konzerne machen das schon lange. Wenn der Lohn für ausländische ArbeiterInnen auch steigt, können diese für ÖsterreicherInnen keine Bedrohung sein. Auch die Kollegen Hebenstreit und Muchitsch sollten das begreifen oder sich notfalls an den Text der Internationalen erinnern: „die Internationale erkämpft das Menschenrecht!“

Für uns linke GewerkschafterInnen ist es natürlich selbstverständlich, dass wir uns von den Äußerungen solcher Kollegen im ÖGB distanzieren. Nur gemeinsam mit den Arbeitenden aller Länder können wir etwas erreichen. Wenn wir uns in ÖsterreicherInnen und AusländerInnen spalten lassen, haben die da oben schon gewonnen.

Andreas Auzinger ist Betriebslogistikkaufmann in Ried im Innkreis und Aktivist der Linken Gewerkschaftsjugend (LGJ)