Immer noch viel zu tun
- Samstag, 24. Februar 2018 @ 14:55
Heike Fischer über hundert Jahre Frauenwahlrecht
1918 wurde im Artikel 9 im „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich“ die Wahlordnung, die „auf dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Stimmrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts“ beruht, beschlossen. Die Nationalversammlung hatte noch am Tag der Ausrufung der Republik über das Frauenwahlrecht entschieden. Bis dahin waren Frauen von politischen Aktivitäten und der Teilnahme im Vereinswesen weitgehend ausgeschlossen. Während der Revolution von 1848 wurde erstmals die Frauenwahlberechtigung diskutiert. Aber die männlichen Abgeordneten befanden mehrheitlich, dass die Frauen ohnehin durch ihre Männer vertreten wären. Also blieb das Wahlrecht männliches Vorrecht. Ausnahme waren einige Gemeinden und Wiener Vororte, die im Zuge der Schaffung der Gemeindeautonomie 1849 bzw. 1852 den selbstständigen Steuerträgerinnen das aktive Wahlrecht zuerkannten.
Die Wahlrechtsreform 1873 brachte besitzenden Frauen ab dem 24. Lebensjahr das aktive Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus in der Wählerklasse Großgrundbesitz. Durch die Eingemeindung von Vororten in die Städte drohte auch diesen Frauen wieder der Verlust des Wahlrechtes. Zudem durften sie vielfach das Wahllokal nicht betreten und mussten einen Mann für die Stimmabgabe bevollmächtigen.
Erst zu Beginn der 1890er Jahre intensivierte sich der Kampf um das Frauenwahlrecht. Eine „allgemeine Frauenversammlung“ beschloss 1891 eine Petition an den Reichstag, in der die Gewährung des allgemeinen, gleichen und direkten Reichswahlrechtes an alle großjährigen und eigenberechtigten StaatsbürgerInnen ohne Unterscheidung des Geschlechts verlangt wurde.
Gegründet von Auguste Fickert entstand 1893 der „Allgemeine Österreichische Frauenverein“. 1892 nahm die Sozialdemokratie das Frauenstimmrecht in ihr Programm auf. Ein Jahr später tagte die erste SP-Frauenwahlrechtsversammlung in Wien mit rund 3.000 Teilnehmerinnen unter Vorsitz von Adelheid Popp. Das Frauenwahlrecht wurde aber zu Gunsten der Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechtes immer wieder zurückgestellt. Die SP-Frauen hatten sich der Parteidisziplin unterzuordnen. Christliche Frauenorganisationen sprachen sich hingegen bis zum Ende der Monarchie gegen das Frauenstimmrecht aus.
Um 1900 waren bereits mehr als 42 Prozent der Erwerbstätigen weiblich. Viele Frauen arbeiteten als ungelernte Hilfskräfte auf dem Land, aber auch die Beschäftigung in den Fabriken nahm zu. Sie litten unter schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Bezahlung. Forderungen nach freiem Zugang zur Bildung, freier Berufswahl und wirtschaftlicher Unabhängigkeit waren die Folge. Zunehmende Industrialisierung und Demokratisierung und der politische Umbruch nach dem 1. Weltkrieg waren dann ausschlaggebend für die Einführung des Frauenwahlrechts.
Das Ende des Krieges und der Zusammenbruch der Monarchie führten zur Gründung der Republik. In der Umbruchsphase konnte den Frauen das Wahlrecht nicht mehr vorenthalten werden. „Anfänglich zum nicht geringen Schrecken der bürgerlichen Abgeordneten, deren Parteien sich bis dahin ohne Ausnahme gegen das Frauenstimmrecht ausgesprochen hatten“ so Karl Renner. Das Frauenstimmrecht bedeutete für alle Parteien zur Erhaltung der patriarchalen Machtbasis kreativ zu werden.
Erstmals wählen durften alle Frauen bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919. Die Wahlbeteiligung war mit 82,1 Prozent höher als konservative Parteien vermutet hatten. Und die Frauen hatten sich deutlich stärker für die Christlichsozialen als für die Sozialdemokraten entschieden. Dieser Trend hielt bis Mitte der 1970er Jahre an.
Auf Wahlplakaten wurden Frauen lange Zeit auf die Rolle von Mutter und Hausfrau, die zum Wohlergehen der Familie zu agieren hatte, reduziert. Dominierte in der Ersten Republik das Bild der leidenden, sorgenden Mutter, wurde nach 1945 die Frau als glückliche Hausfrau und Mutter präsentiert. In den Nachkriegswahlkämpfen erschien die Frau als trauernd und mahnend und gegen den Krieg auftretend auf Plakaten. Ein partnerschaftliches Verhältnis wurde nur selten und das nur von „Linksparteien“ SDAP bzw. SPÖ und KPÖ abgebildet.
Obwohl bereits 1925 die SP-Abgeordneten Adelheid Popp und Gabriele Proft einen Initiativantrag zur Reformierung des Familienrechts von 1811 im Sinne der „Gleichstellung der Geschlechter“ im Parlament einbrachten, gerieten erst in den Kreisky-Jahren die Geschlechterrollen ins Wanken. Erst seit 1975 dürfen Frauen ohne Zustimmung ihres Ehemannes berufstätig sein. Erst seit 1976 haben Männer und Frauen in einer Ehe gleiche Rechte und Pflichten.
Auch heute noch klafft eine Lücke zwischen den Einkommen der Männer und Frauen. Von Gleichbehandlung sind wir teilweise noch weit entfernt. „Mehr Frauen in die Politik und in Führungspositionen“ wird zwar angestrebt, dennoch werden Männer bevorzugt aufgestellt und gewählt. Es ist also auch hundert Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts noch viel zu tun!
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße Linz und GLB-Landesvorsitzende in OÖ
1918 wurde im Artikel 9 im „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich“ die Wahlordnung, die „auf dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Stimmrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts“ beruht, beschlossen. Die Nationalversammlung hatte noch am Tag der Ausrufung der Republik über das Frauenwahlrecht entschieden. Bis dahin waren Frauen von politischen Aktivitäten und der Teilnahme im Vereinswesen weitgehend ausgeschlossen. Während der Revolution von 1848 wurde erstmals die Frauenwahlberechtigung diskutiert. Aber die männlichen Abgeordneten befanden mehrheitlich, dass die Frauen ohnehin durch ihre Männer vertreten wären. Also blieb das Wahlrecht männliches Vorrecht. Ausnahme waren einige Gemeinden und Wiener Vororte, die im Zuge der Schaffung der Gemeindeautonomie 1849 bzw. 1852 den selbstständigen Steuerträgerinnen das aktive Wahlrecht zuerkannten.
Die Wahlrechtsreform 1873 brachte besitzenden Frauen ab dem 24. Lebensjahr das aktive Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus in der Wählerklasse Großgrundbesitz. Durch die Eingemeindung von Vororten in die Städte drohte auch diesen Frauen wieder der Verlust des Wahlrechtes. Zudem durften sie vielfach das Wahllokal nicht betreten und mussten einen Mann für die Stimmabgabe bevollmächtigen.
Erst zu Beginn der 1890er Jahre intensivierte sich der Kampf um das Frauenwahlrecht. Eine „allgemeine Frauenversammlung“ beschloss 1891 eine Petition an den Reichstag, in der die Gewährung des allgemeinen, gleichen und direkten Reichswahlrechtes an alle großjährigen und eigenberechtigten StaatsbürgerInnen ohne Unterscheidung des Geschlechts verlangt wurde.
Gegründet von Auguste Fickert entstand 1893 der „Allgemeine Österreichische Frauenverein“. 1892 nahm die Sozialdemokratie das Frauenstimmrecht in ihr Programm auf. Ein Jahr später tagte die erste SP-Frauenwahlrechtsversammlung in Wien mit rund 3.000 Teilnehmerinnen unter Vorsitz von Adelheid Popp. Das Frauenwahlrecht wurde aber zu Gunsten der Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechtes immer wieder zurückgestellt. Die SP-Frauen hatten sich der Parteidisziplin unterzuordnen. Christliche Frauenorganisationen sprachen sich hingegen bis zum Ende der Monarchie gegen das Frauenstimmrecht aus.
Um 1900 waren bereits mehr als 42 Prozent der Erwerbstätigen weiblich. Viele Frauen arbeiteten als ungelernte Hilfskräfte auf dem Land, aber auch die Beschäftigung in den Fabriken nahm zu. Sie litten unter schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Bezahlung. Forderungen nach freiem Zugang zur Bildung, freier Berufswahl und wirtschaftlicher Unabhängigkeit waren die Folge. Zunehmende Industrialisierung und Demokratisierung und der politische Umbruch nach dem 1. Weltkrieg waren dann ausschlaggebend für die Einführung des Frauenwahlrechts.
Das Ende des Krieges und der Zusammenbruch der Monarchie führten zur Gründung der Republik. In der Umbruchsphase konnte den Frauen das Wahlrecht nicht mehr vorenthalten werden. „Anfänglich zum nicht geringen Schrecken der bürgerlichen Abgeordneten, deren Parteien sich bis dahin ohne Ausnahme gegen das Frauenstimmrecht ausgesprochen hatten“ so Karl Renner. Das Frauenstimmrecht bedeutete für alle Parteien zur Erhaltung der patriarchalen Machtbasis kreativ zu werden.
Erstmals wählen durften alle Frauen bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919. Die Wahlbeteiligung war mit 82,1 Prozent höher als konservative Parteien vermutet hatten. Und die Frauen hatten sich deutlich stärker für die Christlichsozialen als für die Sozialdemokraten entschieden. Dieser Trend hielt bis Mitte der 1970er Jahre an.
Auf Wahlplakaten wurden Frauen lange Zeit auf die Rolle von Mutter und Hausfrau, die zum Wohlergehen der Familie zu agieren hatte, reduziert. Dominierte in der Ersten Republik das Bild der leidenden, sorgenden Mutter, wurde nach 1945 die Frau als glückliche Hausfrau und Mutter präsentiert. In den Nachkriegswahlkämpfen erschien die Frau als trauernd und mahnend und gegen den Krieg auftretend auf Plakaten. Ein partnerschaftliches Verhältnis wurde nur selten und das nur von „Linksparteien“ SDAP bzw. SPÖ und KPÖ abgebildet.
Obwohl bereits 1925 die SP-Abgeordneten Adelheid Popp und Gabriele Proft einen Initiativantrag zur Reformierung des Familienrechts von 1811 im Sinne der „Gleichstellung der Geschlechter“ im Parlament einbrachten, gerieten erst in den Kreisky-Jahren die Geschlechterrollen ins Wanken. Erst seit 1975 dürfen Frauen ohne Zustimmung ihres Ehemannes berufstätig sein. Erst seit 1976 haben Männer und Frauen in einer Ehe gleiche Rechte und Pflichten.
Auch heute noch klafft eine Lücke zwischen den Einkommen der Männer und Frauen. Von Gleichbehandlung sind wir teilweise noch weit entfernt. „Mehr Frauen in die Politik und in Führungspositionen“ wird zwar angestrebt, dennoch werden Männer bevorzugt aufgestellt und gewählt. Es ist also auch hundert Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts noch viel zu tun!
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße Linz und GLB-Landesvorsitzende in OÖ