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Ruhe vor dem Sturm

  • Freitag, 23. Februar 2018 @ 14:49
Meinung
Anne Rieger über die Arbeitszeitpläne der Regierung

Im Regierungsprogramm von Schwarz-Blau heißt es: „Anhebung der täglichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 12 Stunden sowie der wöchentlichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 60 Stunden“ und „Anhebung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei Gleitzeit auf 12 Stunden, fünfmal pro Woche bei gleichbleibendem Regelungsregime“. Schweden dagegen verkürzt im Gesundheits- und Sozialsektor den Arbeitstag bei gleichem Lohn auf sechs Stunden. Qualität und Produktivität steigen, der Krankenstand sinkt, berichtet die taz. Die schwedische Regierung hört offensichtlich mehr auf die Ergebnisse der Wissenschaft als die österreichische, obwohl der Regierungsprogrammtext relativ harmlos klingt. Zu Recht aber kritisiert der Arbeitsmediziner Rudolf Karazman „Die gegenwärtige Gestaltung des Themas ‚Arbeitszeitflexibilisierung’ ist nicht nachhaltig, weil die menschliche Verausgabung mit der Arbeitsdauer steigt. Das heißt, die Ermüdung ist zwischen 6. und 7. Stunde höher als zwischen der 3. und 4. Stunde Arbeit.“

Alle internationalen Studien belegen, dass längere Arbeitszeiten die Bevölkerung krankmachen. Das Risiko von Arbeitsunfällen steigt deutlich nach der 8. Stunde, das von Nacken – und Rückenschmerzen nach der 40. Wochenstunde. Wer jahrelang 50 oder mehr Stunden pro Woche arbeitet, hat ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen bzw. für die Zunahme psychischer Erkrankungen, informiert das Zentrum für Public Health der Med-Uni Wien. Arbeitsmediziner Karazman: „Die Beschäftigten schuften sich quasi in die Frühpension“

Vorrang für Profite

Es geht aber nicht um Gesundheit, volkswirtschaftliche Kosten, oder um die Reduzierung der hohen Erwerbslosenzahlen, sondern um die Profite der Kapitalseite. Wie schon die Vorgängerregierung unter Kern mit ihrem „Plan A“ strebt die schwarz-blaue Regierung eine Arbeitszeitflexibilisierung mit dem 12 Stunden-Arbeitstag an. Vor allem aber die Industriellenvereinigung unter Präsident Georg Kapsch, trommelt seit Jahren für Arbeitszeitflexibilisierung, wobei das auch die Verlängerung einzelner Arbeitstage „in Richtung 12 Stunden“ bedeute. „Das tut niemandem weh“, behauptet Kapsch.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, erläuterte, dass mit der Flexibilisierung die zunehmenden Schwankungen in der Auftragslage besser ausgeglichen werden können. Arbeitszeitflexibilisierung ist schließlich nicht Selbstzweck lesen wir auf betriebswirtschaftlichen Web-Seiten, sondern Instrument zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Oder anders gesagt, zur Erhöhung des Profits.

Denn „arbeiten, wenn Arbeit da ist, und Freizeit, wenn die Arbeit weniger wird“, bedeutet nichts anderes, als gigantische Personaleinsparung fürs Unternehmen. Da geht es nicht nur darum, dass durch die Ausweitung der Durchrechnungszeiten dem einzelnen Beschäftigten seine Überstundenbezahlung und Überstundenzuschläge geraubt werden. Es geht vor allem auch darum, dass weniger Personal „vorgehalten“ werden muss für Spitzenauftragszeiten, Urlaub oder Krankheit. Je weniger Personal im Unternehmen, umso weniger sogenannte Lohnnebenkosten fallen zu jedem einzelnen Beschäftigten fürs Unternehmen an – also raus mit dem Personal ist die Devise.

Kein Platz für Erwerbslose

Weniger Personal bedeutet, dass für Erwerbslose, Jugendliche, ältere Arbeitnehmer oder Langzeitarbeitslose kein Platz in den Betrieben ist. Und das, obwohl 455.860 Personen erwerbslos gemeldet sind, es für sie aber nur 59.103 freie Jobs gibt, gerade mal für 13 Prozent der Erwerbslosen. Was Personal „einsparen“ für die Beschäftigten für harte Auswirkungen hat, zeigen einige Zahlen: 1,4 Millionen ArbeitnehmerInnen werden mindestens einmal im Monat zu kurzfristiger Mehrarbeit aufgefordert.

Jeder vierte Mann und jede fünfte Frau werden mindestens einmal pro Woche aufgefordert, länger zu arbeiten. Nur knapp 30 Prozent können sich kurzfristig 1-2 Tage frei nehmen. Mit 41,5 Stunden pro Woche sind wir bei der Länge der Arbeitszeit im europäischen Spitzenfeld. Pro Jahr werden mehr als 250 Millionen Überstunden gemacht, umgerechnet 130.000 Vollzeitstellen. 54 Millionen Überstunden davon werden nicht in Geld oder Zeit abgegolten!

Auf Kosten der Frauen

Eltern, die Vollzeit arbeiten, haben heute schon große Probleme, über die Zeit von 40 Stunden für eine qualitativ hochwertige Betreuung ihrer Kinder zu sorgen. Bei Arbeitszeiten bis zu zwölf Stunden täglich leiden die Kinder, die Familienverbände, die Beziehungen, das gesellschaftliche und sportliche Vereinsleben. Wer kann für sich, seine Familie und Freunde noch planen? Viele Mütter arbeiten bereits jetzt wegen unzureichender Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Teilzeit. Eine Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit würde deren Situation verschärfen - Frauen zurück an den Herd?

Im Augenblick herrscht Funkstille beim 12-Stunden-Arbeitstag. Im Sommer sind die anstehenden Landtagswahlen vorbei. Da müssen wir gewappnet sein gegen einen Überfall auf unsere freie Zeit. Zur Zeit herrscht nur die Ruhe vor dem Sturm.

Anne Rieger ist Vorstandsmitglied des GLB-Steiermark