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Lohnabbau verhindert, Flexibilisierung nicht

  • Dienstag, 14. November 2017 @ 09:33
PRO-GE
Anne Rieger zum KV-Abschluss der Metallindustrie

Erst mit BetriebsrätInnen-Konferenzen und Betriebsversammlungen konnten die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften den Metall-Unternehmern drei Prozent Lohnerhöhung auf Kollektiv- und Ist-Löhne abtrotzen. Zulagen und Lehrlingsentschädigungen werden ebenso ab November um drei Prozent erhöht, Aufwandsentschädigungen um 1,9 Prozent. Der Mindestlohn beträgt 1.848 Euro. Verbesserungen gibt es bei Auslandsdienstreisen sowie bei der Anrechnung von Karenzen bei Vorrückungen.

Bei einer Inflationsrate von 2,4 Prozent und einer tatsächlichen Preiserhöhung von 3,6 Prozent laut Miniwarenkorb haben sich die Unternehmer wieder mit einer Profiterhöhung durchgesetzt. Für die Beschäftigten ist es ein Reallohnverlust. Denn der Miniwarenkorb bildet den wöchentlichen Einkauf ab: Nahrungsmitteln, Dienstleistungen, Treibstoffe etc.

Auch die Produktivitätssteigerung im Metallbereich von 4,2 Prozent geht ins Vermögen der Eigner von Konzernen und Unternehmen. Das zeigen Jahresabschlüsse von 114 Unternehmen, die die Arbeiterkammer im „Branchenreport Metallindustrie 2017“ ausgewertet hat. Die 73.320 Beschäftigten haben 31,4 Milliarden Euro Umsatz in 2016 erarbeitet. Aus den daraus erwirtschafteten Ergebnissen waren 56 Prozent als Ausschüttung für die Eigner vorgesehen, in Summe satte 1,56 Mrd. Euro.

Die Lohnerhöhung aber kostet die Betriebe nur 180 Mio. Euro, so Thomas Leoni (Wirtschaftsforschungsinstitut). Auch in Zukunft sind die Kapitalisten klar auf der Siegerseite. Gewinn und Umsatz sollten im Lichte des konjunkturellen Aufschwungs bis Ende März 2018 deutlich steigen, so Voestalpine-Chef Wolfgang Eder. Dort haben die Beschäftigten das beste Halbjahresergebnis seit der Finanzkrise erarbeitet.

Überstunden ohne Bezahlung

Zur weiteren Steigerung ihrer Profite, haben die Unternehmer auch diesmal wieder zusätzliche Einschnitte bei der Arbeitszeitflexibilisierung durchgesetzt: Das Zeitkontenmodell, das 2015 befristet eingeführt wurde, ist bis 2020 verlängert worden. Damals jubelte FMMI-Obmann Christian Knill „Erstmals ist dadurch innerhalb eines gewissen Rahmens eine 45-Stunden-Woche ohne Zeitzuschlag möglich“. Den Schritt von 2015 führen sie nun kompromisslos fort.

Weiterhin gelang den Unternehmer mit dem Instrument der „freiwilligen“ Betriebsvereinbarung in Zukunft viermal im Jahr Druck zu machen für mehr Sonntagsarbeit. Der Zuschlag von 150 Prozent gleicht die familienfeindliche Arbeitszeit nicht aus. Mag sein, dass das in manchen Betrieb illegal schon „üblich“ war. Jetzt aber eröffnen die Unternehmer für weitere Betriebe diese Methode. Und sie werden es im nächsten Jahr weiterhin tun, wenn wir keinen Riegel vorschieben.

Risiko auf Beschäftigte verlagert

Flexibilisierung der Arbeitszeit verdichtet die Arbeitsintensität in den Betrieben für den/die Einzelne/n. Damit versperrt sie jungen und arbeitslosen KollegInnen den Weg in die Betriebe. Sie verlagert das unternehmerische Risiko auf die Beschäftigten. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, erläuterte dies 2015, anlässlich des Flexibilisierungsabschlusses, der nun verlängert wurde: Die zunehmenden Schwankungen in der Auftragslage könnten damit besser ausgeglichen werden.

Die Vertreterin des GLB hat weder dem Abschluss in der Fahrzeugindustrie zugestimmt, noch wird sie dem Gesamtabschluss zustimmen. Es bleibt als Abwehr-Erfolg lediglich, dass die Abschlüsse der sechs Metallfachverbände zusammengehalten werden konnten.

Klassenkampf gegen KV

Dass der Druck auf die Kollektivverträge steigt, zeigt nicht nur der Druck in Richtung „freiwillige“ Betriebsvereinbarungen, sondern auch dass FPÖ, Neos und Kurz gesetzliche Pflichtmitgliedschaft und Kammerumlage angreifen. Mit dem Zauberwort „freiwillig“ wollen sie die Menschen betören, eine „freiwillige“ Mitgliedschaft brächte ihnen mehr Geld ins Börserl. Der Verband Druck & Medientechnik handelte bereits eine „freiwillige“ Interessenvertretung aus und strich in seinen Statuten die Kollektivvertragsfähigkeit. Seit 14. Juni ist der KV für das grafische Gewerbe daher erloschen. Nach und nach legen nun Druckereibetriebe ihren Beschäftigten schlechtere Verträge vor. „Das passiert nach dem Motto: Unterschreibt, oder ihr werdet gekündigt“, so „Der Standard“. Alles ganz „freiwillig“!

Das ist keine Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe. Der Klassenkampf von oben läuft auf allen Ebenen. Die Kollektivverträge sind dabei ein wesentlicher Angriffspunkt, bedenkt man, dass das 13. und 14. Gehalt dort vereinbart ist – nicht im Gesetzt wie manche glauben. Es wird auf Dauer nicht ausreichen, vorsorgliche Streikbeschlüsse auf der Ebene der FunktionärInnen zu fassen. Die Beschäftigten müssen in ihre Angelegenheiten direkt einbezogen werden und nach entsprechender Mobilisierung vorab über Kampfmaßnahmen mitentscheiden. Nur so können sie gegen die betriebs- und volkswirtschaftliche Gehirnwäsche der Industriellen immunisiert werden.

Anne Rieger ist Vorstandsmitglied des GLB-Steiermark