Fusion als Patentrezept?
- Freitag, 8. Dezember 2017 @ 09:26
Franz Grün über Pläne über die Sozialversicherungen
Das Sozialversicherungssystem in der derzeitigen Form ist ein Knackpunkt in den laufenden Kollektivverhandlungen. Forderungen der FPÖ nach Zusammenlegung stehen auf der Prioritätenliste ganz oben. Dabei geht es um die Selbstverwaltung und die Entsendung von Organen. Das Sozialversicherungssystem besteht aus der Allgemeinen Unfallversicherung, der Pensionsversicherungsanstalt, der Sozialversicherung der Bauern, der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats, der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau, der Versicherungsanstalt der öffentlichen Bediensteten, den neun Gebietskrankenkassen und fünf Betriebskrankenkassen (Neugründungen von Betriebskrankenkassen sind gesetzlich nicht mehr zulässig). Darüber steht der Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
Die österreichische Sozialversicherung ist in Selbstverwaltung organisiert, indem die gesetzlichen (beruflichen) Interessenvertretungen VertreterInnen in die Organe eines Sozialversicherungsträgers entsenden, welche die Geschäfte der Sozialversicherung weisungsfrei führen. Dem Staat steht ein Aufsichtsrecht durch Aufsichtsbehörden zu.
In Österreich herrscht das Prinzip der Pflichtversicherung. Der Leistungsbedarf eines Jahres wird nahezu vollständig aus dem Beitragsaufkommen des gleichen Jahres bestritten, d.h. angesammeltes Kapital dient im Wesentlichen nur als kurzzeitige Schwankungsreserve (Nachhaltigkeitsrücklage, Generationsvertrag, Finanzierungsprinzip).
In der österreichischen Sozialversicherung waren Ende April 2014 26.403 Personen (Vollzeitäquivalente) beschäftigt, wovon 16.155 in der Verwaltung und Verrechnung (einschließlich Vertrauensärztlicher Dienst und Hauspersonal) und 10.248 in eigenen Einrichtungen (z.B. Spitälern, Ambulatorien etc.) tätig waren. Der Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand aller Sozialversicherungsträger betrug 2014 2,1 Prozent der Gesamteinnahmen.
Im Vergleich dazu betragen die Verwaltungs- und Verrechnungskosten in Deutschland über vier Prozent. Auch in vergleichbaren Ländern wie Niederlande, Belgien und der Schweiz sind die Verwaltungskosten höher. Die durch eine Zusammenlegung der Sozialversicherungen möglichen Einsparungen sehen zwar auf den ersten Blick beachtlich aus, sind es aber gesehen am Gesamtbudget nicht.
Bereits einmal wurde das österreichische Sozialversicherungssystem vereinheitlicht. Im Zuge des Anschlusses an das Dritte Reich wurde die Selbstverwaltung abgeschafft, die Organisation nach NS-Muster in die staatliche Verwaltung übernommen und die Reichsversicherungsordnung (RVO) angewandt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt wenn gerade die FPÖ auf eine Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten drängt.
Natürlich krankt es bei den Sozialversicherungssystemen genauso wie in vielen anderen Bereichen unserer Republik. Tatsächlich kann man nicht von einer zwei oder drei Klassen Medizin, sondern von neunzehn unterschiedlichen Zugängen zu Versicherungsleistungen sprechen.
Leistungen im Spital und bei Medikamenten sind für die Versicherten gleich, beim Zahnarzt, bei nicht ärztlichen Leistungen (z.B. Ergo-, Logo-, Physio- und Psychotherapie), Hilfsmitteln und Heilbehelfen gibt es erhebliche Unterschiede. Diese Leistungsunterschiede sind ungerecht und sollten nach oben – also auf ein möglichst hohes Niveau – ausgebaut und angeglichen werden.
Gravierende Unterschiede gibt es bei den Selbstbehalten, sodass mancher Versicherte aufgrund seines geringen Einkommens notwendige Behandlungen nicht durchführen lässt oder es sich schlichtweg nicht leisten kann. Generelle Selbstbehalte wirken wie Steuer auf Kranke, verhindern ein rechtzeitiges Aufsuchen des Arztes und wirken sich dadurch im Endeffekt auf spätere höhere Behandlungskosten aus.
Aktiv hätte die Politik schon längst werden können indem man die in Österreich bestehenden zehn Krankenanstaltengesetze (neun Landesgesetze und ein Bundesgesetz) in ein gemeinsames Bundesgesetz zusammenfasst. Dies ist jedoch für jede Bundesregierung ein schwieriges Unterfangen, da man sich ja mit den mächtigen Landesfürsten anlegen muss. Hier könnte man eine Koordinierungsstelle für planbare Operationen einrichten, welche auch für die Zuteilung zur Nachbehandlung zuständig wäre.
Unser Gesundheitssystem konzentriert sich zu sehr auf die Behandlung in Spitälern. Dabei wäre es nicht notwendig alle Behandlungen im Spital durchzuführen sondern einerseits die Niederlassung von praktischen Ärzten und Fachärzten zu fördern, anderseits Regionale Gesundheitszentren einzurichten. Auch die Prävention muss (auf die bereits bei manchen Versicherungen großer Wert gelegt wird) ausgebaut werden.
Ein Grund, die Sozialversicherungen zusammenzulegen ist, aufgrund des geringen Einsparungspotentiales in der Verwaltung, nicht gegeben, es sei denn, man will nicht nur Kosten senken. Die Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen würde der Geschichte angehören und bei einigen Sozialversicherungsträgern würden sich für manche Privatisierungsgelüste Tür und Tor öffnen. Und als gelernte/r ÖsterreicherIn weiß man „Die kleinste gemeinsame Leistung ergibt den höchsten gemeinsamen Beitrag“.
Das Sozialversicherungssystem in der derzeitigen Form ist ein Knackpunkt in den laufenden Kollektivverhandlungen. Forderungen der FPÖ nach Zusammenlegung stehen auf der Prioritätenliste ganz oben. Dabei geht es um die Selbstverwaltung und die Entsendung von Organen. Das Sozialversicherungssystem besteht aus der Allgemeinen Unfallversicherung, der Pensionsversicherungsanstalt, der Sozialversicherung der Bauern, der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats, der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau, der Versicherungsanstalt der öffentlichen Bediensteten, den neun Gebietskrankenkassen und fünf Betriebskrankenkassen (Neugründungen von Betriebskrankenkassen sind gesetzlich nicht mehr zulässig). Darüber steht der Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
Die österreichische Sozialversicherung ist in Selbstverwaltung organisiert, indem die gesetzlichen (beruflichen) Interessenvertretungen VertreterInnen in die Organe eines Sozialversicherungsträgers entsenden, welche die Geschäfte der Sozialversicherung weisungsfrei führen. Dem Staat steht ein Aufsichtsrecht durch Aufsichtsbehörden zu.
In Österreich herrscht das Prinzip der Pflichtversicherung. Der Leistungsbedarf eines Jahres wird nahezu vollständig aus dem Beitragsaufkommen des gleichen Jahres bestritten, d.h. angesammeltes Kapital dient im Wesentlichen nur als kurzzeitige Schwankungsreserve (Nachhaltigkeitsrücklage, Generationsvertrag, Finanzierungsprinzip).
In der österreichischen Sozialversicherung waren Ende April 2014 26.403 Personen (Vollzeitäquivalente) beschäftigt, wovon 16.155 in der Verwaltung und Verrechnung (einschließlich Vertrauensärztlicher Dienst und Hauspersonal) und 10.248 in eigenen Einrichtungen (z.B. Spitälern, Ambulatorien etc.) tätig waren. Der Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand aller Sozialversicherungsträger betrug 2014 2,1 Prozent der Gesamteinnahmen.
Im Vergleich dazu betragen die Verwaltungs- und Verrechnungskosten in Deutschland über vier Prozent. Auch in vergleichbaren Ländern wie Niederlande, Belgien und der Schweiz sind die Verwaltungskosten höher. Die durch eine Zusammenlegung der Sozialversicherungen möglichen Einsparungen sehen zwar auf den ersten Blick beachtlich aus, sind es aber gesehen am Gesamtbudget nicht.
Bereits einmal wurde das österreichische Sozialversicherungssystem vereinheitlicht. Im Zuge des Anschlusses an das Dritte Reich wurde die Selbstverwaltung abgeschafft, die Organisation nach NS-Muster in die staatliche Verwaltung übernommen und die Reichsversicherungsordnung (RVO) angewandt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt wenn gerade die FPÖ auf eine Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten drängt.
Natürlich krankt es bei den Sozialversicherungssystemen genauso wie in vielen anderen Bereichen unserer Republik. Tatsächlich kann man nicht von einer zwei oder drei Klassen Medizin, sondern von neunzehn unterschiedlichen Zugängen zu Versicherungsleistungen sprechen.
Leistungen im Spital und bei Medikamenten sind für die Versicherten gleich, beim Zahnarzt, bei nicht ärztlichen Leistungen (z.B. Ergo-, Logo-, Physio- und Psychotherapie), Hilfsmitteln und Heilbehelfen gibt es erhebliche Unterschiede. Diese Leistungsunterschiede sind ungerecht und sollten nach oben – also auf ein möglichst hohes Niveau – ausgebaut und angeglichen werden.
Gravierende Unterschiede gibt es bei den Selbstbehalten, sodass mancher Versicherte aufgrund seines geringen Einkommens notwendige Behandlungen nicht durchführen lässt oder es sich schlichtweg nicht leisten kann. Generelle Selbstbehalte wirken wie Steuer auf Kranke, verhindern ein rechtzeitiges Aufsuchen des Arztes und wirken sich dadurch im Endeffekt auf spätere höhere Behandlungskosten aus.
Aktiv hätte die Politik schon längst werden können indem man die in Österreich bestehenden zehn Krankenanstaltengesetze (neun Landesgesetze und ein Bundesgesetz) in ein gemeinsames Bundesgesetz zusammenfasst. Dies ist jedoch für jede Bundesregierung ein schwieriges Unterfangen, da man sich ja mit den mächtigen Landesfürsten anlegen muss. Hier könnte man eine Koordinierungsstelle für planbare Operationen einrichten, welche auch für die Zuteilung zur Nachbehandlung zuständig wäre.
Unser Gesundheitssystem konzentriert sich zu sehr auf die Behandlung in Spitälern. Dabei wäre es nicht notwendig alle Behandlungen im Spital durchzuführen sondern einerseits die Niederlassung von praktischen Ärzten und Fachärzten zu fördern, anderseits Regionale Gesundheitszentren einzurichten. Auch die Prävention muss (auf die bereits bei manchen Versicherungen großer Wert gelegt wird) ausgebaut werden.
Ein Grund, die Sozialversicherungen zusammenzulegen ist, aufgrund des geringen Einsparungspotentiales in der Verwaltung, nicht gegeben, es sei denn, man will nicht nur Kosten senken. Die Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen würde der Geschichte angehören und bei einigen Sozialversicherungsträgern würden sich für manche Privatisierungsgelüste Tür und Tor öffnen. Und als gelernte/r ÖsterreicherIn weiß man „Die kleinste gemeinsame Leistung ergibt den höchsten gemeinsamen Beitrag“.