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Plädoyer für Arbeiterkammer und Selbstverwaltung der Sozialversicherungen

  • Donnerstag, 9. November 2017 @ 18:00
Salzburg
AK-Präsident Siegfried Pichler nahm die 9. Vollversammlung der Arbeiterkammer Salzburg am 9. November 2017 vor allem zur Kampfansage von Parteien gegen die Kammern und die Selbstverwaltung der Sozialversicherung Stellung. Die Gewerkschaft sei nicht generell gegen Veränderungen und Reformen, sie sei aber gegen Veränderungen, die sich gegen Arbeitnehmer_innen richten. Die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft komme einer Zerschlagung gleich, das Ausschalten der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen sei eine gefährliche Drohung, die den Versicherten die Möglichkeit der Mitbestimmung entziehe.

Sowohl in der AK als auch in der SV erfolgten Reformen, zu den schwarz-blauen Forderungen gebe es jedoch keine Verhandlungsbereitschaft. Pichler sprach von neoliberaler Parteiendiktatur, die eine Bedrohung für soziale Sicherheit und das soziale Gefüge darstellten. Die von Industriellenvereinigung und privaten Interessensgemeinschaft angestrebte Auflösung der Kammern richte sich auch gegen die WKO und bedeute die Abschaffung des Kollektivvertragssystems. Pichlers Appell richtete sich an die FA-FPÖ, sich das von der eigenen Partei nicht gefallen zu lassen.

FSG-Vorsitzender Gerald Forcher stellte fest, dass die Industrie zwar Geld in Millionenhöhe als Wahlkampfspenden für die ÖVP übrig habe, nicht jedoch für die Mitarbeiter_innen in den Betrieben. Er sprach sich für eine moderne Gewerkschaft aus, die Kampfmaßnahmen setzt.

Herbert Trattnig, FA-FPÖ, wollte „ein für alle Mal klar stellen“, dass die freiheitlichen Arbeitnehmer_innen Salzburg 100prozentig hinter der AK und der Umlage in voller Höhe stehen und gegen die Zusammenlegung der SV sei. Die FA-FPÖ Salzburg werde diesen Standpunkt in die Bundespartei tragen, wo die Entscheidungen fallen. Aus Trattnigs Sicht müsse man der neuen Bundesregierung eine Chance geben.

GLB-Kammerrätin Brigitte Promberger begrüßte die Kampfbereitschaft der Gewerkschaft, für die sich der GLB schon so lange einsetzt. Die Solidarität des GLB gelte den Kolleg_innen der Metallbranche. Der GLB stehe zur Selbstverwaltung der AK und der SV als erkämpfte Errungenschaften der Arbeiterbewegung. Weiters ging Promberger auf die zynische Meinungsmache gegen Missbrauch unseres Sozialsystems ein, bei der einzig Menschen, deren Existenz bedroht ist gemeint seien und nicht diejenigen, die Missbrauch in großem Stil betreiben, mit Steueroasen und organisierter Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe.

An den ÖAAB-FCG und die FA-FPÖ gerichtet, die sämtliche Anträge mit Inhalt Mindestsicherung und/oder Erbschafts- und Vermögenssteuer ablehnten, meinte Promberger, so könne man nur abstimmen, wer entweder zynisch, grob fahrlässig informiert oder Profiteur dieser Politik ist.

Hanni Landauer, AUGE/UG, forderte den ÖAAB-FCG und die FA-FPÖ zu Stellungnahmen zu deren Ablehnung der Anträge zur Mindestsicherung auf, die jedoch nicht erfolgte.

Der GLB stellte zwei Anträge, die einstimmig angenommen wurden:

Antrag 1: Für einen starken Sozialstaat Österreich – gegen Kürzungsmaßnahmen Marke Hartz IV

Mit dem Wahlergebnis zur Nationalratswahl 2017 zeigt sich deutlich die Stärkung des Neoliberalismus in der künftigen österreichischen Politik. Dies beinhaltet einen schlanken Sozialstaat zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung. Pläne zur Kürzung der Sozialleistungen, Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters, Arbeitszwang bei Bezug von Sozialleistungen sowie die Kürzung der Lohnnebenkosten existieren bereits. Budgetsanierungsmaßnahmen in Milliardenhöhe betreffen ausschließlich den Gesundheits- und Sozialbereich. Wie dazu Kapital, Großunternehmen, Banken und Spekulanten verstärkt ihren sozialen, solidarischen Beitrag leisten werden bleibt unbekannt.

Die Auswirkungen dieser „Initiativen“ konkret:
• zwischen 600.000 und 700.000 betroffene Menschen
• bei längerer Arbeitslosigkeit muss fast ganzes Vermögen verbraucht werden
• auf Eigentumswohnung und Haus wird nach 6 Monaten im Grundbuch zugegriffen
• Bausparvertrag muss gekündigt, Auto muss verkauft werden
• massive Einschnitte bei der Pension

Diese Demontage unseres Sozialstaats ist vergleichbar mit Hartz IV in Deutschland, dessen negative Auswirkungen sich deutlich zeigen. Working poor, gestiegene Langzeitarbeitslosigkeit, gestiegene Armut (auch Kinder), sozialer Abstieg breiter Bevölkerungsgruppen, massive Verschlechterung im Gesundheitswesen und elitärer Zugang zu hochwertiger Bildung sind die Folgen.

Die 9. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert die österreichische Bundesregierung und die Salzburger Landesregierung daher auf:
- Als Maßnahme gegen (Langzeit-)Arbeitslosigkeit Modelle der Arbeitszeitverkürzung zu forcieren und am bestehenden Pensionsantrittsalter festzuhalten.
- Pläne, die auf eine Zusammenlegung von Notstandshilfe und Mindestsicherung hinauslaufen, aufzugeben und die Notstandshilfe als Leistung, die unabhängig vom eigenen Vermögen ausbezahlt wird, beizubehalten.
- Verstärkte Investitionen in den Gesundheitsbereich, um eine klassenlose Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
- Von weiteren finanziellen Belastungen der Eltern für Kinderbetreuung in Horten und Kindergärten abzusehen.
- Erhalt des kostenlosen Zugangs zu Bildung und Förderung der Gesamtschule zur Sicherung des Bildungszugangs für alle.

Antrag 2: Nein zur Einführung der EU-Dienstleistungskarte

Die EU-Kommission plant die Einführung einer sogenannten elektronischen Dienstleistungskarte. Unter dem Deckmantel der Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten für Unternehmensdienstleister und die Bauwirtschaft soll damit durch die Hintertür das Herkunftslandprinzip eingeführt werden.

Die Dienstleistungskarte soll im Herkunftsland für das Aufnahmeland beantragt werden. Auch der Entzug der Dienstleistungskarte erfolgt durch das Herkunftsland. Stellen österreichische Behörden beispielsweise bei einem rumänischen Dienstleister, der in Österreich seine Dienste anbietet, Unregelmäßigkeiten fest, so wären sie auf die rumänischen Behörden angewiesen, um die Dienstleistungskarte und damit den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu entziehen. Es stellt sich jedoch die Frage, welches Interesse, die im Beispiel rumänischen Behörden, haben sollten, die Nichteinhaltung der österreichischen Rechtsvorschriften zu sanktionieren.

Aufgrund der geografischen Nähe Österreichs zu den neuen EU-Mitgliedsländern und des hohen Lohngefälles drohen dadurch massive Probleme am österreichischen Arbeitsmarkt. Kontrollmöglichkeiten werden eingeschränkt, Sanktionsmöglichkeiten behindert und mit der Möglichkeit Dienstleistungskarten an Einzelpersonen zu vergeben, eine neue Möglichkeit zur Scheinselbstständigkeit geschaffen. Aus genannten Gründen stößt die Initiative zu Einführung einer europäischen Dienstleistungskarte daher auf breite Ablehnung in Österreich.

Die 9. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert die österreichische Bundesregierung auf, sich bei der EU Kommission gegen die Einführung der Elektronischen Europäischen Dienstleistungskarte auszusprechen und im Rahmen der EU Institutionen alle ihre Möglichkeiten auszuschöpfen um eine derartige Regelung zu verhindern.