Bewegte Gewerkschaftsgeschichte
- Mittwoch, 12. Juli 2017 @ 11:33
Oliver Jonischkeit über den 9. Kongress der LAB
Am 25./26. Mai 2017 fand in Gasteiz, Hauptstadt der Autonomen Region des Baskenlandes, der 9. Kongress des Gewerkschaftsverbandes LAB statt. Die Gewerkschaftsbewegung hat in dem Land mit etwa drei Millionen Einwohner_innen bereits einen langen Weg zurückgelegt.
LAB entstand aus einer basisdemokratischen Fabrikrätebewegung und war eine Antwort auf die offiziellen Gewerkschaften während der Franco-Diktatur. In den 1960er Jahren entstanden überall im spanischen Staat autonome Arbeiterversammlungen, LAB wurde 1974 als Koordination linksnationalistischer Betriebsversammlungen gegründet und drei Jahre später als Gewerkschaft gegründet.
Gasteiz fiel 1936 aufgrund der starken militärischen Präsenz gleich zu Beginn des faschistischen Putsches gegen die demokratische spanische Republik an die franquistische Seite. Die frisch proklamierte baskische Republik versuchte Gasteiz zurückzuerobern, scheiterte jedoch in der Schlacht von Villarreal, der einzigen großen Offensive der baskischen republikanischen Armee. In Vitoria waren zeitweise Kräfte von Hitlers Legion Condor stationiert, die von hier aus zum Luftangriff auf Gernika starteten.
Nach dem Tod des faschistischen Diktators Franco im November 1975 kam es in ganz Spanien zu Massendemonstrationen für die Auflösung der staatlich kontrollierten Gewerkschaften und das Recht, unabhängige zu bilden – für höhere Löhne und eine Amnestie der politischen Gefangenen. Monatelang demonstrierten hunderttausende auf Spaniens Straßen. Am 3. März 1976 kam es dann zum Massaker von Gasteiz, dem „Blutigen Sonntag des Baskenlandes“.
Bereits im Jänner 1976 gab es einen erfolgreichen Kampftag mit vielen Streiks und Demonstrationen, im Februar brachten zwei Generalstreiks die Stadt zum Stillstand. Ein weiterer fand am 3. März statt, wobei es hier bereits in der Früh zu ersten Schüssen der Polizei auf die Teilnehmer_innen und zu ersten Verletzten kam. Um 17 Uhr fand eine Generalversammlung der kämpfenden Arbeiter_innen in der Kirche des Heiligen Franz von Assisi statt – nicht alle der 5.000 Teilnehmer_innen fanden drinnen Platz.
Die Polizei ersuchte den Bischof von Gasteiz um Erlaubnis, die Kirche zu stürmen – dieser enthielt sich und so nahm das Unheil seinen Lauf. Zunächst flogen Kanister mit Tränengas in die Kirche – als die Arbeiter_innen daraufhin ins Freie flüchteten, wurde auf sie geschossen. Über hundert wurden verletzt, drei starben sofort, zwei erlagen kurz darauf ihren schweren Verletzungen. Ermordet wurden: Pedro Martinez Ocio (27), Francesco Aznar (17), Romualdo Barnoso (19), José Castillo (43) und Bienviendo Pareda (32). Beim Begräbnis der ersten Opfer des Massakers nahmen über 50.000 Menschen teil und protestierten stumm gegen die Polizeigewalt.
Während des Kongresses nahmen die internationalen Gäste, darunter aus Cuba, Südafrika, der Westsahara und anderen Ländern, an einer Gedenkveranstaltung an jenem Ort teil, an dem das Blutbad stattgefunden hat. Nach wie vor gibt es politische Gefangene im Baskenland. Gleich bei der Eröffnung des Kongresses wurde an Ex-Generalsekretär Rafa Diaz erinnert, der nach wie vor im Gefängnis sitzt. Unter seiner Führung trat LAB dem Weltgewerkschaftsbund bei. 2009 nahm er an einem Treffen teil, bei dem soziale Bewegungen des Baskenlandes eine friedliche und vor allem sozial gerechte Lösung für das Baskenland suchten.
Das Gebäude, in dem die Sitzung stattfand, wurde – wie auch die Zentrale des Gewerkschaftsverbandes LAB – von der spanischen Polizei gestürmt, die Teilnehmer der Sitzung verhaftet. Rafa Diaz wurde für seinen Versuch, eine friedliche Lösung des Konflikts im Baskenland zu finden, zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Seitdem hat auch der GLB immer wieder seine Freilassung gefordert – heuer sollten sich endlich die Gefängnistore für ihn öffnen. Nach wie vor versucht die spanische Regierung immer wieder, der LAB das Streikrecht abzuerkennen, die sich davon aber nicht abhalten lässt.
LAB versteht sich als baskische, feministische, konfrontative und als politische Gewerkschaft. Das unterscheidet sie von den meisten anderen etablierten Gewerkschaften Spaniens. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist sie kontinuierlich gewachsen und gehört zu den drei größten Gewerkschaften des Baskenlandes. LAB setzt sich auch für die Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit sozialen Bewegungen ein, eines der Probleme auch im Baskenland ist die zunehmende Prekarisierung, von der vor allem Jugendliche und Frauen betroffen sind.
Die Überwindung der kapitalistischen Ausbeutung ist ein langfristiges Ziel. So meinte ein Delegierter des Kongresses: „Wenn Du Dich als Gewerkschafter konsequent auf der Seite von Ausgebeuteten und Unterdrückten siehst, musst Du eine grundsätzlich andere Gesellschaft anstreben“. Eine der wichtigsten Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre war u.a. eine Kampagne gegen Zeitarbeitsfirmen. Beeindruckend war der hohe Anteil an Frauen und jungen Kolleginnen und Kollegen, die am Kongress teilgenommen haben. Infos über LAB: www.lab.eus/eu/hasiera
Oliver Jonischkeit ist Bundessekretär des GLB
Am 25./26. Mai 2017 fand in Gasteiz, Hauptstadt der Autonomen Region des Baskenlandes, der 9. Kongress des Gewerkschaftsverbandes LAB statt. Die Gewerkschaftsbewegung hat in dem Land mit etwa drei Millionen Einwohner_innen bereits einen langen Weg zurückgelegt.
LAB entstand aus einer basisdemokratischen Fabrikrätebewegung und war eine Antwort auf die offiziellen Gewerkschaften während der Franco-Diktatur. In den 1960er Jahren entstanden überall im spanischen Staat autonome Arbeiterversammlungen, LAB wurde 1974 als Koordination linksnationalistischer Betriebsversammlungen gegründet und drei Jahre später als Gewerkschaft gegründet.
Gasteiz fiel 1936 aufgrund der starken militärischen Präsenz gleich zu Beginn des faschistischen Putsches gegen die demokratische spanische Republik an die franquistische Seite. Die frisch proklamierte baskische Republik versuchte Gasteiz zurückzuerobern, scheiterte jedoch in der Schlacht von Villarreal, der einzigen großen Offensive der baskischen republikanischen Armee. In Vitoria waren zeitweise Kräfte von Hitlers Legion Condor stationiert, die von hier aus zum Luftangriff auf Gernika starteten.
Nach dem Tod des faschistischen Diktators Franco im November 1975 kam es in ganz Spanien zu Massendemonstrationen für die Auflösung der staatlich kontrollierten Gewerkschaften und das Recht, unabhängige zu bilden – für höhere Löhne und eine Amnestie der politischen Gefangenen. Monatelang demonstrierten hunderttausende auf Spaniens Straßen. Am 3. März 1976 kam es dann zum Massaker von Gasteiz, dem „Blutigen Sonntag des Baskenlandes“.
Bereits im Jänner 1976 gab es einen erfolgreichen Kampftag mit vielen Streiks und Demonstrationen, im Februar brachten zwei Generalstreiks die Stadt zum Stillstand. Ein weiterer fand am 3. März statt, wobei es hier bereits in der Früh zu ersten Schüssen der Polizei auf die Teilnehmer_innen und zu ersten Verletzten kam. Um 17 Uhr fand eine Generalversammlung der kämpfenden Arbeiter_innen in der Kirche des Heiligen Franz von Assisi statt – nicht alle der 5.000 Teilnehmer_innen fanden drinnen Platz.
Die Polizei ersuchte den Bischof von Gasteiz um Erlaubnis, die Kirche zu stürmen – dieser enthielt sich und so nahm das Unheil seinen Lauf. Zunächst flogen Kanister mit Tränengas in die Kirche – als die Arbeiter_innen daraufhin ins Freie flüchteten, wurde auf sie geschossen. Über hundert wurden verletzt, drei starben sofort, zwei erlagen kurz darauf ihren schweren Verletzungen. Ermordet wurden: Pedro Martinez Ocio (27), Francesco Aznar (17), Romualdo Barnoso (19), José Castillo (43) und Bienviendo Pareda (32). Beim Begräbnis der ersten Opfer des Massakers nahmen über 50.000 Menschen teil und protestierten stumm gegen die Polizeigewalt.
Während des Kongresses nahmen die internationalen Gäste, darunter aus Cuba, Südafrika, der Westsahara und anderen Ländern, an einer Gedenkveranstaltung an jenem Ort teil, an dem das Blutbad stattgefunden hat. Nach wie vor gibt es politische Gefangene im Baskenland. Gleich bei der Eröffnung des Kongresses wurde an Ex-Generalsekretär Rafa Diaz erinnert, der nach wie vor im Gefängnis sitzt. Unter seiner Führung trat LAB dem Weltgewerkschaftsbund bei. 2009 nahm er an einem Treffen teil, bei dem soziale Bewegungen des Baskenlandes eine friedliche und vor allem sozial gerechte Lösung für das Baskenland suchten.
Das Gebäude, in dem die Sitzung stattfand, wurde – wie auch die Zentrale des Gewerkschaftsverbandes LAB – von der spanischen Polizei gestürmt, die Teilnehmer der Sitzung verhaftet. Rafa Diaz wurde für seinen Versuch, eine friedliche Lösung des Konflikts im Baskenland zu finden, zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Seitdem hat auch der GLB immer wieder seine Freilassung gefordert – heuer sollten sich endlich die Gefängnistore für ihn öffnen. Nach wie vor versucht die spanische Regierung immer wieder, der LAB das Streikrecht abzuerkennen, die sich davon aber nicht abhalten lässt.
LAB versteht sich als baskische, feministische, konfrontative und als politische Gewerkschaft. Das unterscheidet sie von den meisten anderen etablierten Gewerkschaften Spaniens. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist sie kontinuierlich gewachsen und gehört zu den drei größten Gewerkschaften des Baskenlandes. LAB setzt sich auch für die Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit sozialen Bewegungen ein, eines der Probleme auch im Baskenland ist die zunehmende Prekarisierung, von der vor allem Jugendliche und Frauen betroffen sind.
Die Überwindung der kapitalistischen Ausbeutung ist ein langfristiges Ziel. So meinte ein Delegierter des Kongresses: „Wenn Du Dich als Gewerkschafter konsequent auf der Seite von Ausgebeuteten und Unterdrückten siehst, musst Du eine grundsätzlich andere Gesellschaft anstreben“. Eine der wichtigsten Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre war u.a. eine Kampagne gegen Zeitarbeitsfirmen. Beeindruckend war der hohe Anteil an Frauen und jungen Kolleginnen und Kollegen, die am Kongress teilgenommen haben. Infos über LAB: www.lab.eus/eu/hasiera
Oliver Jonischkeit ist Bundessekretär des GLB