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Im neoliberalen Sumpf

  • Donnerstag, 13. Juli 2017 @ 11:20
Meinung
Leo Furtlehner über die Wirtschaftspolitik von ÖVP und SPÖ

„Themen-Häppchen bis zur Wahl“ plant ÖVP-Chef Sebastian Kurz, die „Krone“ (28.5.2017) lobte den „schlauen Plan“. Wie überall hält sich der türkise Messias bedeckt um als Strahlemann gegenüber Kanzler Kern und FPÖ-Chef Strache zu punkten. Je weniger über Kurz´ Absichten bekannt ist, umso mehr kann sich die „neue Volkspartei“ von der seit 30 Jahren regierenden „alten“ ÖVP abheben. Auch wenn ein Programm erst im September kommt – was bisher bekannt ist reicht für eine Charakterisierung.

Etwa die Ansage von Finanzminister Schelling, dass es mit der ÖVP keine Vermögens-, Erbschaftssteuer und Wertschöpfungsabgabe geben werde. Da trifft man sich kongenial mit der FPÖ, beide Parteien deklarieren sich als Handlager von Reichtum und Kapital. Ähnlich bei der Dogmatisierung des Eigentums, der Senkung der Abgabenquote oder der Lohnnebenkosten.

In der „Presse“ (2.6.2017) sang Gerhard Hofer wieder das hohe Lied auf den Kapitalismus, der trotz Versagen der Politik für den zaghaften Aufschwung gesorgt habe. Als ob weiterhin rund 400.000 Arbeitslose ein Beweis dafür wären, dass die „freie Marktwirtschaft“ gesellschaftliche Probleme zu lösen imstande wäre.

Führende Wirtschaftsvertreter jammern die Wirtschaft krank. WKO-Chef Leitl meinte gar, Österreich sei „abgesandelt“. Der Widerspruch, dass namhafte Unternehmen neue Rekordgewinne melden und der ATX Höchstwerte erreicht fällt kaum auf, weil das „krankjammern“ medial verstärkt wird uns einzureden, wir hätten über die Verhältnisse gelebt, müssten jetzt Opfer bringen und uns verstärkt auf Eigenleistung einlassen.

Die Sprachrohre des Realkapitalismus sehen Unternehmer als Leistungsträger und zeigen damit, dass die von ÖGB und AK immer noch beschworene Sozialpartnerschaft sehr einseitig ist. Der für tot erklärte Klassenkampf feiert fröhliche Urständ, wird allerdings von oben geführt. Verdrängt wird, dass die Lohnabhängigen mit ihrer Arbeit den Reichtum schaffen und daher die wirklichen Leistungsträger sind.

Im Gleichklang mit der FPÖ attackiert auch Kurz das zu teure Sozialsystem ohne Alternativen aufzuzeigen. Was vermuten lässt, dass Selbstbehalte, Eigenleistungen und Privatisierungen die wirklichen Absichten sind. Das wird auch durch die Absicht Steuern – etwa die Körperschaftssteuer von 25 auf 20 Prozent – und Abgaben – etwa Lohnnebenkosten – zu senken sowie Förderungen zu kürzen deutlich, was eine große Lücke in den öffentlichen Budgets bedeutet.

Ein Rückblick zeigt, dass nicht nur ÖVP wie SPÖ in der Asyl- und Sicherheitspolitik Positionen der FPÖ übernommen haben, sondern auch, dass sich die SPÖ wirtschafts- und sozialpolitisch der ÖVP angenähert hat. So wurde etwa die von der SPÖ stark kritisierte schwarz-blaue Pensionsreform von 2003 nach dem Wiedereintritt in die Regierung 2006 nicht mehr in Frage gestellt. Die Zerschlagung und Privatisierung der Verstaatlichten wurde gemeinsam von ÖVP und SPÖ durchgezogen. Und auch die Abschaffung von Vermögens- und Erbschaftssteuer und Einrichtung von Privatstiftungen waren ein rot-schwarzes Gemeinschaftswert.

Daher sind die vom Kanzler im „Plan A“ präsentierten Positionen alles andere als links. Angefangen damit, dass Kern die durchwegs scheinselbständigen EPU als „Ziegelarbeiter von heute“ und als neue Zielgruppe der SPÖ sieht und einer Start-Up-Euphorie verfallen ist. Klassische Lohnarbeiter_innen sind offenbar passé.

Die im Mai 2016 noch lautstark propagierte Maschinensteuer ist kein Thema mehr, ebenso eine Vermögenssteuer. Zum „Ausgleich“ plädiert Kern für den Einstieg privater Investoren bei Wohnungsgesellschaften und legt die Axt an die Gemeinnützigkeit. Auch mit Ansagen für die Senkung von Lohnnebenkosten, den Zwölfstunden-Tag, eine Startup-Milliarde und den als „Bürokratieabbau“ verkauften Abbau beim Arbeits- und Sozialrecht schwenkte die SPÖ auf die verschärfte neoliberale Linie ein. Hingegen sind angesichts von Industrie 4.0 dringend notwendige Maßnahmen wie eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche, ein gesetzlicher Mindestlohn von 1.700 Euro für Vollzeitarbeit und eine Wertschöpfungsabgabe kein Thema mehr.

Wie tief die die SPÖ im neoliberalen Sumpf watet wurde beim Koalitionspakt Neu vom Jänner 2017 deutlich, der freilich die Koalition auch nicht mehr retten konnte. Während sich die ÖVP freuen konnte, dass im Kapitel Wirtschaft viele Forderungen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung verankert wurden, war die rote Handschrift nicht einmal in Spurenelementen vorhanden.

Für Lohnabhängige, Prekarisierte oder Pensionist_innen gab es da nur Brosamen. Zwar wurde die Förderung älterer Arbeitnehmer_innen betont – zuvor aber der Kündigungsschutz für die Altersgruppe 50plus gelockert. Beschworen wurde die Studienplatzfinanzierung – zuvor aber der freie Hochschulzugang eingeschränkt. Angekündigt wurde eine Beschäftigungsoffensive – finanziert durch Senkung von Lohnnebenkosten und damit Ausdünnung des Sozialstaates. Die „heißen Eisen“ 12-Stundentag ohne Überstundenzuschläge und 1.500 Euro Mindestlohn für Vollzeitarbeit wurden den Sozialpartnern zugeschoben. Die Ergebnisse beim Mindestlohn sind mager und bis 2020 prolongiert.

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“