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Wahl wirft Schatten voraus

  • Donnerstag, 6. Juli 2017 @ 20:00
Steiermark
Anfang Juli fand die zweite Vollversammlung der steirischen Arbeiterkammer des Jahres 2017 statt. Als Gastredner trat der steirische ÖVP-Landeshauptmann und ehemalige Kammerfunktionär Hermann Schützenhöfer auf.

Im Bild: Arbeiterkammerrat Kurt Luttenberger In seinem ausführlichen Referat blickte Schützenhöfer immer wieder in die Vergangenheit und erwähnte die Errungenschaften der sechziger, siebziger und achtziger Jahre. Freilich war das auch notwendig um nicht von den Verschlechterungen und vom Sozialabbau der letzten beiden Jahrzehnte sprechen zu müssen. Die Feststellung, dass manche Menschen im Land nicht bereit sind zu akzeptieren, dass es uns eigentlich sehr gut geht, trifft bei weitem nicht die sich immer weiter verschlechternde Lebenssituation breiter Teile der Bevölkerung.

Auch zu erkennen, dass es zwar wachsende Unterschiede gibt und eine Minderheit nicht mit ihrem Einkommen auskommen kann, reicht nicht aus. Und so erinnerte GLB-KPÖ Arbeiterkammerrat Kurt Luttenberger den Landeshauptmann in seiner Wortmeldung auch daran, dass von den drei großen Parteien in letzter Zeit regelmäßig an der Schraube gedreht wird, um den Sozialstaat in Grenzen zu halten bzw. zurückzubauen.

Bevor die Diskussion der Anträge begann, stand noch der Neubau der Volkshochschule auf der Tagesordnung. Hier wurde einstimmig der Beschluss zur Errichtung eines neuen Gebäudes, für die unter Platzmangel leidende Volkshochschule beschlossen.

Verwunderung ob der mehrheitlichen Zustimmung zu allen GLB-KPÖ Anträgen kam dann bei GLB-KPÖ AK-Rat Uwe Süss auf. Er merkte in seiner Wortmeldung an, dass in Vorwahlzeiten vernünftige Anträge wohl leichter eine Zustimmung bekommen. Inhaltlich sprach er sich gegen die Einführung einer EU-Dienstleistungskarte aus. Unternehmen könnten diese im Herkunftsland beantragen und so Zugang zum österreichischen Markt bekommen. Selbst bei Verstößen gegen österreichisches Recht wäre ein Entzug durch österreichische Behörden nicht möglich. Lohn- und Sozialdumping wären Tür und Tor geöffnet.

GLB-KPÖ Arbeiterkammerrätin Hilde Tragler meldete sich gegen die Pläne der EU-Kommission zur Einführung einer kilometerabhängigen PKW-Maut zu Wort und kritisierte die massiven finanziellen Belastungen die dadurch drohen. Daneben gab es von der GLB-KPÖ Fraktion noch einen Antrag zur Einführung einer Nahverkehrsabgabe für Unternehmen, nach dem Vorbild der Wiener U-Bahn Steuer, einen gegen die Einführung eines Hartz IV Modells und einen zur Einführung eines Lehrlingsfonds. Alle fünf Anträge fanden die Zustimmung der FSG.

Die Anträge des GLB im Wortlaut:

Antrag 1: Lehrlingsfonds als Maßnahme gegen stetigen Rückgang der Lehrlingszahlen!

Die Lehrlingszahlen in der Steiermark sind stark rückläufig. Aktuell gibt in der Steiermark rund 15.000 Menschen (davon sind rund zwei Drittel männlich und ein Drittel weiblich), die eine Lehre machen. Ein Jahr zuvor lag diese Zahl noch bei 16.000 Steirerinnen und Steirern. Die Regionalstatistik der Arbeiterkammer Steiermark weist einen jährlichen Rückgang von rund 1000 Lehrlingen auf. 2010 gab es noch rund 19.300 Lehrlinge in der Steiermark. Lehrlinge in der Überbetrieblichen Lehrausbildung sind in diesen Zahlen bereits inkludiert, auch hier ist seit 2010 ein Rückgang von rund 500 Lehrlingen zu verzeichnen.

Der stetige und rasante Rückgang der Zahl der Lehrlinge stellt eine alarmierende Entwicklung dar. Immer weniger junge Leute können so den Grundstein für spätere reguläre und gesicherte Arbeitsverhältnisse legen und werden in Hilfsarbeiten oder prekäre Beschäftigung gedrängt. Dabei liegt der Rückgang der Lehrstellen nicht daran, dass weniger junge Menschen Interesse an einer Lehrstelle zeigen. Im Jahr 2015 kamen in Österreich auf eine offene Lehrstelle 1,88 Lehrstellensuchende. In der Steiermark war das Missverhältnis besonders groß, hier belief sich die Anzahl von Lehrstellensuchenden pro offener Lehrstelle auf 2,93.

In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, Maßnahmen zur Initiierung der notwendigen Lehrstellen zu setzen. Eine solche Maßnahme wäre die Einrichtung eines Lehrlingsfonds, durch den die Einrichtung öffentlicher Lehrwerkstätten und eine bessere Ausstattung der Berufsschulen finanziert werden könnten.

Speisen sollte sich der Lehrlingsfonds, indem diejenigen Betriebe einen bestimmten Betrag einzahlen, die selbst keine Lehrlinge ausbilden. Die Einzahlung in diesen Fonds soll sich dabei auf Unternehmen beschränken, die größenmäßig (Umsatz, MitarbeiterInnenzahlen etc.) in der Lage wären, Lehrlinge selbst auszubilden. Eine solche Maßnahme würde einerseits dem Wunsch der Wirtschaft nach mehr FacharbeiterInnen Rechnung tragen und gleichzeitig die Kosten für deren Ausbildung solidarisch auf die Unternehmen verteilen.

Die 10. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark fordert die österreichische Bundesregierung daher dazu auf, ein Konzept zur Einrichtung eines Lehrlingsfonds zu erarbeiten und eine entsprechende Regierungsvorlage dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen.

Antrag 2: Einführung einer Nahverkehrsabgabe zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs

Von Jahr zu Jahr steigen die Preise der öffentlichen Verkehrsmittel in der Steiermark deutlich über der Inflationsrate. Die jährliche Anhebung der Ticketpreise führt zu einer finanziellen Mehrbelastung desjenigen Teiles der steirischen Bevölkerung, der auf die Nutzung des Öffentlichen Verkehrs angewiesen ist oder diesen aus ökologischen Gründen nutzt. Die automatischen Preiserhöhungen im öffentlichen Verkehr müssen daher beendet und Ticketpreise wieder gesenkt werden.

Gleichzeitig gibt es aber die Notwendigkeit den öffentlichen Verkehr auszubauen. Das Bundesland Steiermark weist in Bezug auf den öffentlichen Personennahverkehr vielfältige Defizite auf. Das Feinstaubproblem in einzelnen steirischen Regionen resultiert nicht zuletzt auch aus der mangelnden Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs. Für eine Verbesserung des öffentlichen Verkehrsangebots sowie zur Absicherung des Wirtschaftsstandortes Steiermark ist es aus wirtschaftspolitischer Sicht und in Anbetracht der leeren Kassen der Gebietskörperschaften angezeigt, eine zweckgebundene Nahverkehrsabgabe einzuheben.

Vor über 40 Jahren wurde im Bundesland Wien das Gesetz über die Einhebung der Dienstgeberabgabe, besser bekannt als Wiener U-Bahn-Steuer, beschlossen. Diese ist als Dienstgeberabgabe konzipiert und wird somit von den dort ansässigen Unternehmungen geleistet. Sie hat erheblich zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Wien beigetragen. Sie beträgt zwei Euro pro DienstnehmerIn pro angefangener Arbeitswoche. Alle DienstgeberInnen, die mindestens einen Dienstnehmer/eine Dienstnehmerin in Wien beschäftigen, sind zur Abgabe verpflichtet.

Mit einem Monatsbetrag von 8,67 Euro pro ArbeitnehmerIn würde die steirische Wirtschaft ihre internationale Konkurrenzfähigkeit nicht verlieren. Die einzelnen ArbeitnehmerInnen werden durch eine solche Abgabe nicht zusätzlich belastet. Die Einnahmen aus der Nahverkehrsabgabe könnten zur Finanzierung des Ausbaus der öffentlichen Verkehrsmittel und zu einer Senkung der Ticketpreise herangezogen werden.

Die 10. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark fordert die steirische Landesregierung daher dazu auf, eine Regierungsvorlage zur Einführung einer Nahverkehrsabgabe nach dem Vorbild des Wiener „Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe“ auszuarbeiten, welche von den steirischen Unternehmen eingehoben wird und für Mittel des öffentlichen Personennahverkehrs in der Steiermark zweckgebunden ist, und diese Vorlage dem Landtag zur Beschlussfassung vorzulegen.

Antrag 3: Nein zur Einführung einer kilometerabhängigen PKW Maut

Die EU-Kommission plant eine Novellierung der Wegekostenrichtlinie. Die derzeit in vielen Mitgliedsstaaten gängige Einhebung der Autobahnbenützungsgebühren in Form einer Vignette, soll dabei abgeschafft werden. Auch PKW sollen in Zukunft eine kilometerabhängige Benützungsgebühr für die Autobahnen zu entrichten haben.

Begründet wird der Kommissionsvorschlag damit, dass damit der Fokus auf die Umwelt gelegt werden würde. Eine kilometerabhängige Maut, die nur auf Teile des Straßennetzes nämlich auf Autobahnen und Schnellstraßen Anwendung findet und zudem keinen direkten Bezug zur dabei verbrauchten Kraftstoffmenge aufweist kann jedoch niemals ein Instrument dafür sein, etwa den CO² Ausstoß zu besteuern. Zudem gibt es mit der Mineralölsteuer in Österreich bereits eine Steuer, die sich direkt auf die verbrauchte Kraftstoffmenge bezieht.

In Wahrheit geht es also um eine massive Verteuerung des PKW Verkehrs, vor allem auf dem Rücken vieler Pendler und Pendlerinnen, wie der Blick über Österreichs Grenzen zeigt. In Italien etwa kostet die Maut von der Staatsgrenze am Brenner bis nach Rom für eine Fahrt mehr als 50 Euro. Hin und retour also über 100 Euro. Weit mehr als eine Jahresvignette in Österreich.

Um die Umweltbelastung durch den Straßenverkehr zu vermindern braucht es mehr als eine Verteuerung des Individualverkehrs. Es braucht einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Maßnahmen der Raumplanung und vor allem wohnortnahe Arbeitsplätze. Wer durch das Fehlen von Arbeitsplätzen in seiner Heimat zum Pendeln gezwungen wird, darf dafür nicht auch noch massiv finanziell belastet werden. Die Politik muss auch Alternativen bieten. Ein erzwungener Eingriff in nationale Systeme ist daher abzulehnen. Änderungen bei den Benützungsgebühren für PKWs für Autobahnen müssen nationale Kompetenz bleiben.

Die 10. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark fordert daher die österreichische Bundesregierung dazu auf, sich bei der EU Kommission gegen eine derartige Änderung der Wegekostenrichtlinie, die eine Abschaffung der Gebühreneinhebung aufgrund eines Nutzungszeitraumes vorsieht, einzusetzen.

Antrag 4: Nein zur Einführung der EU-Dienstleistungskarte

Die EU-Kommission plant die Einführung einer sogenannten elektronischen Dienstleistungskarte. Unter dem Deckmantel der Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten für Unternehmensdienstleister und die Bauwirtschaft soll damit durch die Hintertür das Herkunftslandprinzip eingeführt werden.

Die Dienstleistungskarte soll im Herkunftsland für das Aufnahmeland beantragt werden. Auch der Entzug der Dienstleistungskarte erfolgt durch das Herkunftsland. Stellen österreichische Behörden beispielsweise bei einem rumänischen Dienstleister, der in Österreich seine Dienste anbietet, Unregelmäßigkeiten fest, so wären sie auf die rumänischen Behörden angewiesen, um die Dienstleistungskarte und damit den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu entziehen. Es stellt sich jedoch die Frage, welches Interesse, die im Beispiel rumänischen Behörden, haben sollten, die Nichteinhaltung der österreichischen Rechtsvorschriften zu sanktionieren.

Aufgrund der der geografischen Nähe Österreichs zu den neuen EU-Mitgliedsländern und des hohen Lohngefälles drohen dadurch massive Probleme am österreichischen Arbeitsmarkt. Kotrollmöglichkeiten werden eingeschränkt, Sanktionsmöglichkeiten behindert und mit der Möglichkeit Dienstleistungskarten an Einzelpersonen zu vergeben, eine neue Möglichkeit zur Scheinselbstständigkeit geschaffen. Aus genannten Gründen stößt die Initiative zu Einführung einer europäischen Dienstleistungskarte daher auf breite Ablehnung in Österreich.

Die 10. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark fordert daher die österreichische Bundesregierung dazu auf, sich bei der EU Kommission gegen die Einführung der Elektronischen Europäischen Dienstleistungskarte auszusprechen und im Rahmen der EU Institutionen alle ihre Möglichkeiten auszuschöpfen um eine derartige Regelung zu verhindern.

Antrag 5: Gegen Hartz IV – Für einen starken und auszubauenden Sozialstaat in Österreich!

Dass sich künftig die großen politischen Parteien eines verstärkten Neoliberalismus, mit schlankem Sozialstaat, zu Lasten der arbeitenden Menschen verschrieben haben, ist bekanntlich nicht neu. Neu ist aber, wie offen dies z.B. in der ÖVP geschieht. Regelmäßig tauchen dort Pläne zur Kürzung von Sozialleistungen auf. Zuerst war es ein „Innovationsbericht sozial“, in dem Sebastian Kurz, als Leiter der politischen Akademie der ÖVP, das weitere Hinaufsetzen des Pensionsantrittsalters forderte. Dann legte VP-Innenminister Sobotka nach und sprach sich für Arbeitszwang beim Bezug von Sozialleistungen aus. Vor wenigen Wochen wurde medial veröffentlicht, dass Finanzminister Schelling eine, ursprünglich geheime, Studie in Auftrag gab, wie man rd. 1 Milliarde Euro bei Sozialleistungen einsparen kann. Wie dazu Kapital, Großunternehmen, Banken und Spekulanten verstärkt ihren sozialen, solidarischen Beitrag leisten werden bleibt unbekannt bzw. wurde von der Volkspartei nie eingefordert.

Die Auswirkungen dieser „Initiativen“ konkret:
• zwischen 600.000 und 700.000 Menschen wären davon betroffen
• bei längerer Arbeitslosigkeit muss fast ganzes Vermögen verbraucht werden
• auf Eigentumswohnung und Haus wird nach 6 Monaten im Grundbuch zugegriffen
• Bausparvertrag muss gekündigt, Auto muss verkauft werden
• massive Einschnitte bei der Pension (bei Hartz IV kein Erwerb von Pensionsversicherungszeiten).

Die Hartz IV Erfahrungen in Deutschland sind negativ (Stichwörter: „working poor“, Langzeitarbeitslosigkeit gestiegen, Armut gestiegen, sozialer „Fahrstuhleffekt nach unten“, usw.). AK und ÖGB haben in ersten Stellungnahmen diese künftige „Verschröderung“ der Sozialpolitik in Österreich verurteilt. Besorgnis bleibt aber bestehen, gerade nach den kommenden Nationsratswahlen, ist Vorsicht mehr als angebracht.

Die 10. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark fordert die österreichische Bundesregierung daher auf, Pläne des Finanzministeriums, die auf eine Zusammenlegung von Notstandshilfe und Mindestsicherung hinauslaufen, aufzugeben und die Notstandshilfe als Leistung, die unabhängig vom eigenen Vermögen ausbezahlt wird, beizubehalten.