Kein Grund zur Entwarnung am Arbeitsmarkt
- Donnerstag, 6. Juli 2017 @ 08:28
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Bekanntlich hat die noch amtierende Regierung beim Update des Regierungsprogramms im Jänner 2017 die Kündigung von älteren Beschäftigten erleichtert und versucht jetzt weiszumachen, dass dies mit der Aktion 20.000 kompensiert werden könnte. Fakt ist und bleibt aber, dass Menschen über 50 nach dem Verlust des Arbeitsplatzes kaum mehr Chancen auf einen Job haben und aufgrund ihres Alters diskriminiert und nicht einmal mehr zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.
Es ist bezeichnend für die soziale Kälte des neoliberalen Kapitalismus, dass die Wirtschaft zwar stets großspurig erklärt, der „freie Markt“ würde alle Bedürfnisse zur Zufriedenheit der Gesellschaft regeln, faktisch aber höchst unwillig ist, dies in Bezug auf das Grundbedürfnis für sinnvolle Arbeit mit entsprechend existenzsicherndem Einkommen zu realisieren. Daher verwundert es auch nicht, dass das vielfach verlangte Bonus-Malus-System mit einer verpflichtenden Quote an älteren Arbeitnehmern_innen systematisch boykottiert wird. Die Arbeiterkammer verlangt bekanntlich, dass jeder Betrieb, der diese Quote nicht erfüllt, monatlich 500 Euro pro fehlendem Beschäftigten zahlt.
Alarmierend ist vor allem, dass laut Arbeiterkammer von 2007 bis 2017 die Zahl der älteren Menschen über 50 ohne Beschäftigung um 138 Prozent gestiegen. Während auf der einen Seite das Pensionsalter seit der schwarz-blauen Pensionsreform von 2003 systematisch hinaufgesetzt wird, sind für die Wirtschaft ältere Beschäftigte ein lästiger Kostenfaktor und werden diese zu jahrelanger Arbeitslosigkeit verbunden mit negativen Auswirkungen für Gesundheit und Wohlbefinden verdammt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier auch systematisch Sozialdumping betrieben wird, weil die Betroffenen durch den Verlust von Erwerbsjahren auch weniger Pension erhalten.
Nach Meinung des GLB soll daher der erhöhte Kündigungsschutz für Beschäftigte ab 50 umgehend wieder eingeführt werden. Grundsätzlich braucht es aber auch eine Neuverteilung der Arbeit durch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden als neuen Arbeitszeitstandard mit vollem Lohn- und Personalausgleich. Damit soll der Widerspruch zwischen der enormen Zahl von Überstunden einerseits – 2015: 253 Millionen, davon 52 Millionen unbezahlt – und der wachsenden Prekarisierung – 2016: 48,2 Prozent der Frauen, 11,6 Prozent der Männer in Teilzeit – und der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit – Ende Juni 2017: 374.973 – auf der anderen Seite geschlossen werden.
Einmal mehr gilt es dabei auch zu betonen, dass die Wirtschaft den Menschen dienen soll und nicht umgekehrt die Lohnabhängigen als möglichst billige und nach dem Prinzip „Hire and Fire“ zu handhabende Manövriermasse zur Erzielung möglichst hoher Profite für die Eigentümer der Produktionsmittel. Völlig daneben sind aus der Sicht des GLB die Rezepte der Kapitalseite, wie Druck auf die Lohnkosten, Senkung von Lohnnebenkosten, noch flexiblere Arbeitszeiten, noch mehr Prekarisierung und Hinaufsetzung des Pensionsalters: „Diese Bestrebungen sind sehr durchsichtig und laufen darauf hinaus, dass sich Kapitaleigner und Vermögende den Produktivitätszuwachs krallen, während immer mehr Menschen in die Armutsfalle abgedrängt werden“, so Stingl.