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Hauptproblem ist Personalmangel

  • Montag, 17. April 2017 @ 14:08
Steiermark
Interview mit Horst Alic, Personalvertreter in der Justizanstalt Graz-Jakomini

Horst Alic ist 48 Jahre alt und arbeitet seit 25 Jahren in der Justizanstalt Graz-Jakomini als Justizwachebeamter. Seit drei Jahren ist er Personalvertreter, hat sein Mandat für den Gewerkschaftlichen Linksblock im ÖGB (GLB) deklariert, und ist stellvertretender Vorsitzender des GLB. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Anne Rieger führte mit ihm ein Gespräch über die Arbeitssituation und seine Arbeit als Personalvertreter.

Rieger: Du arbeitest jetzt schon seit 25 Jahren als Justizwachebeamter. Die wichtigste Frage die sich stellt, wenn man durchschnittlich neun Stunden am Arbeitsplatz ist: Machst Du die Arbeit gerne?

Alic: Ja ich arbeite gerne im Gefängnis. Oberflächlich sieht es so aus, als ob man nur Leute einsperren würde, und so etwas kann man nicht gern machen. Aber da geht es um etwas ganz anderes. Als Justizwachebeamter bist du der erste Ansprechpartner unserer Insassen, noch vor Sozialarbeiter und Psychologe und das rund um die Uhr. Du arbeitest mit Menschen und das mache ich gerne.

Rieger: Was ist Deine konkrete Aufgabe?

Alic: Die Aus- und Vorführungen und Ladungen zu Gerichten, Gutachtern oder Spitälern, diese Termine der Insassen müssen im System angelegt werden. Jede Bewegung muss ja für die Ewigkeit dokumentiert werden. Im Schichtdienst, nachts und am Wochenende, habe ich mit Häftlingen direkt zu tun. Das mache ich sehr gerne. Da mache ich Regiearbeiten, also z. B. Essen ausgeben oder Hofgang. Ich habe also eine Mischung aus Bürojob und Arbeit mit Menschen. Unser Klientel wird ja immer schwieriger, dadurch eskalieren auch Situationen und wir müssen beruhigend eingreifen. Damit kann ich umgehen, einmal weil ich jetzt ja schon lange Jahre Erfahrung gesammelt habe und auch weil ich ein sehr ruhiger Typ bin.

Rieger: Wie viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten bei euch?

Alic: Ca. 200 KollegInnen, Justizbeamte, SozialarbeiterInnen, PädagogInnen, PsychologInnen, Krankenschwestern, Ärzte/innen, Schreibkräfte und Handwerker.

Rieger: Was könnte besser sein?

Alic: Der Schlüssel zwischen Personal und Häftlingen sollte besser sein. Selbst wenn auf dem Papier alle Planstellen besetzt sind, fehlt Personal, denn ein Teil ist noch in Ausbildung und wird erst bei uns in der Anstalt zur Verfügung stehen, wenn die nächsten schon in Pension gehen. Immer mehr Aufgaben lasten daher auf immer weniger Schultern. Ich weiß, dem Staat ist Personal zu teuer, aber Strafvollzug kostet nun einmal Geld. Da kann der Staat nichts verdienen, aber brauchen tut man ihn.

Rieger: Wie wirkt sich das bei euch aus?

Alic: Stell dir vor, für 130 Häftlinge sind manchmal nur drei Beamte zuständig. Da schaffst du gerade den normalen Tagesablauf. Vorführungen zum Arzt oder Psychologen, Essens- und Medikamentenausgabe usw. Da hast du nicht mehr viel Zeit, auf Probleme einzugehen, da fehlt dir sogar die Zeit, jemanden zu fragen, wie es ihm geht, geschweige denn, eine Antwort abzuwarten. Von Betreuung bist du da weit weg und niemand von uns Uniformierten hat etwas gegen Betreuung. Jeder sieht den Zusammenhang zwischen Betreuung und Sicherheit. Aber eines geht nicht, statt sondern eben nur neben dem anderen.

Rieger: Du bist als Personalvertreter von Deinen Kollegen gewählt worden, womit bist du da befasst?

Alic: Ich bin Ansprechpartner für tägliche Probleme. z.B. Ansuchen schreiben, oder bei Unstimmigkeiten untereinander vermittelnd einzugreifen. Große Probleme löst Du als Personalvertreter nicht. Das geht nur gemeinsam. Missstände kannst du aufzeigen. Das Arbeitsklima zu verbessern versuchen. Unter uns Kollegen ist es eh sehr gut, sonst ließen sich die Aufgaben gar nicht lösen. Die soziale Kompetenz mancher Vorgesetzter könnte aber besser sein. Berechtigten Sorgen der Bediensteten wird manches Mal mit Arroganz und von oben herab begegnet. Da sollte man aber nicht zu viel Energie darauf verschwenden, das zu ändern ist Aufgabe der Behörde. Man kann sagen, dass unser Haus deswegen so gut funktioniert, weil die Leute hier so hervorragende Arbeit leisten.

Rieger: Was ist das Hauptproblem?

Alic: Wir haben so wenig Personal, dass wir praktisch keine Zeitsouveränität mehr haben über kurzfristig gewünschte freie Tage. Und das trotz der guten Arbeit der Diensteinteiler. Sie haben kaum Spielraum auf kurzfristige individuelle Wünsche einzugehen. Das ging früher leichter. Das geht zu Lasten der Freude an der Arbeit, wir wurschteln so dahin, leben von einem Tag auf den nächsten. Es belastet die Gesundheit, dadurch mehren sich Krankenstände. Man muss ja bedenken, wir sind hier nicht im Legoland, bei uns passt nicht ein Stein exakt auf den anderen, wir arbeiten mit Menschen und jeder Mensch ist anders. Niemand ist freiwillig da, da es gibt Reibereien unter den Häftlingen. Der dauernde Wirbel belastet die Psyche. Wir brauchen Ruhe bei der Arbeit. Wenn wir entspannt sind, können wir dem entspannt begegnen.

Wir sind immer an der Front, das ist schwer. Zufriedenheit von Bediensteten ist so etwas wie ein betriebswirtschaftlicher Faktor, das erkennt nicht jeder, der den Anspruch erhebt, ein Gefängnis wie ein Unternehmen zu führen.

Rieger: Ich danke Dir für das Gespräch.

Horst Alic ist Justizwachebeamter in Graz und Stv. Bundesvorsitzender des GLB