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Angst vor dem Abstieg

  • Mittwoch, 19. April 2017 @ 14:05
Steiermark
Georg Erkinger über den Niedriglohnsektor

Rund die Hälfte aller Frauen arbeitet bereits in Teilzeit. Viele von diesen Stellen sind zusätzlich in Niedriglohnbranchen angesiedelt. Für die betroffenen Frauen besteht keine Chance mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen. Wenn ich es nicht wüsste, es würde nichts darauf hindeuten, weder Kleidung noch Auftreten. Mir gegenüber sitzt Martina S., die zu einem Dumpinglohn als Floristin arbeiten muss. Speziell für Alleinerzieherinnen sind Jobs, die mit den Kindern vereinbar sind, rar. Noch schwieriger wird es in einer strukturschwachen Region aus der Martina stammt.

Und so verwundert es nicht, dass es Unternehmen gelingt, Löhne wie diesen durchzusetzen. 6,71 Euro brutto pro Stunde sind Anfang 2017 laut Kollektivvertrag vorgesehen. Eine dem Beruf der Floristin verwandte Ausbildung wird Martina laut Kollektivvertrag nicht anerkannt.

Rechtlich mag ihre Einstufung als Hilfsarbeiterin korrekt sein, selbst bei Vollzeit kann man von 6,71 Euro Stundenlohn jedoch nicht über die Runden kommen. In Martinas Fall beträgt das Grundgehalt ihrer Teilzeitanstellung etwas mehr als 520 Euro. Um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, benötigt sie einen PKW. Öffentliche Verkehrsmittel sind an ihrem Wohnort nicht vorhanden.

Ein eigenständiges Leben wird damit unmöglich. Die Alimente des Ex-Mannes für die Kinder und die Familienbeihilfe machen ein Überleben gerade so möglich. Doch was passiert, wenn etwas passiert? Dann geht es sich nicht mehr aus. Würde ihr Ex-Mann seine Arbeit verlieren, so kommt Martina mit ihren Kindern sicher nicht mehr über die Runden. Gleiches droht ihr, wenn sie selbst die Arbeit verliert und sie gemessen am jetzigen Verdienst magere 300 Euro monatlichen Arbeitslosengeldanspruch hätte.

Als wir darauf zu sprechen kommen, meint Martina „Ich möchte nicht in die Mindestsicherung, nicht abhängig vom Staat werden und mir diese Behördengänge sparen.“ Und noch ein Problem tut sich auf: „Was ist, wenn die Kinder groß sind und die Alimente wegfallen, mit diesem Lohn komme ich nicht über die Runden.“

Ihre Antwort zur Frage nach einer gerechten Bezahlung fällt sehr bescheiden aus: 8,50 Euro würde sie als Mindestlohn bereits als gerecht empfinden. Erst auf Nachfrage stimmt sie zu, dass eigentlich zehn Euro pro Stunde gerecht wären.

1.700 Euro Mindestlohn!

KPÖ und GLB fordern daher einen gesetzlichen Mindestlohn von 1.700 Euro, 14-mal jährlich, brutto bei Vollzeit. Dies entspricht in etwa zehn Euro pro Stunde. Mit der gesetzlichen Regelung soll sichergestellt werden, dass der Mindestlohn in allen Branchen gilt. Inflation und Produktivitätszuwächse müssen als Grundlage für zukünftige Lohnerhöhungen herangezogen werden.

Im Gegensatz dazu sieht der Stufenplan der Bundesregierung nur 1.500 Euro brutto vor. Nach den Wünschen der Wirtschaft mit mehrjährigen Übergangsfristen und mit der Streichung von Überstundenzuschlägen bei einer Einführung eines 12-Stundenarbeitstages verknüpft. Auch ist nicht geklärt, ob und wie ein solcher Mindestlohn wertgesichert und ob es zwölf oder 14 Monatsbezüge geben soll.

Übrigens ist der bereits 2007 vorgesehene Mindestlohn von tausend Euro brutto bis heute nicht in allen Branchen umgesetzt. Wobei der Betrag aufgrund der Inflation ohnehin kein menschenwürdiges Leben mehr ermöglicht.

Georg Erkinger ist Landessekretär des GLB-Steiermark