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Frauen zurück an den Herd?

  • Montag, 17. April 2017 @ 13:21
Meinung
Anne Rieger über den Zwölfstunden-Arbeitstag

Ganz oben auf der Forderungsliste der Industriellenvereinigung (IV) stehe weiterhin eine Flexibilisierung der Arbeitszeit – Zwölfstunden-Arbeitstag inclusive – erklärte kürzlich wieder der IV-Generalsekretär Neumayer. Es gehe darum, im Gegenzug für längere Freizeitblöcke Zwölfstundentage zu ermöglichen. Davon profitierten ArbeitnehmerInnen, nämlich „von der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Man könnte sich vor Erstaunen die Augen reiben über diese Unlogik, aber auch Frechheit, wenn frau nicht so wütend wäre.

Eltern, die Vollzeit arbeiten, haben heute schon große Probleme, für eine qualitativ hochwertige pädagogische Betreuung ihrer Kinder für 40 oder 38,5 Stunden zu sorgen: „Viele Mütter arbeiten bereits jetzt wegen der Kinderbetreuung in Teilzeit. Eine Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit würde deren Situation verschärfen“ so Isabella Guzi, ÖGB-Bundesfrauensekretärin.

Auch ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm zeigt sich „skeptisch“. Wenn bei der Arbeitszeitflexibilisierung von einem Zwölfstundentag die Rede ist, halte sie „das für bedenklich im Sinne der Kinderbetreuung. Ich möchte nicht, dass Eltern gezwungen sind, ihre Kinder von 7 bis 19 Uhr in einer Betreuungseinrichtung abzugeben. Das ist nicht Sinn einer flexibleren Arbeitszeit, wo man eigentlich mehr Zeit für die Familie haben möchte.“ Vollerwerbstätige Frauen könnten durch Zwölfstunden-Arbeitstage so in die Teilzeit gedrängt werden, warnt Schittenhelm: „Hier ist eine große Falle drin. Dann sind wir wieder dort, wo wir nicht hinwollen.“ Schon heute arbeiten 48 Prozent der Frauen in Teilzeit.

Aber darauf läuft es hinaus. Kommt die Anforderung, zwölf Stunden zu arbeiten, „weil die Arbeit da ist“, wie Neumayer sagt, werden Eltern solche Arbeitsplätze nicht annehmen können. Denn mit Kindern braucht man besonders Verlässlichkeit im Zeitmanagement. Da kann man nicht plötzlich ein oder zwei Tage zwölf Stunden von daheim wegbleiben. Da Menschen aber arbeiten gehen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wird einer von zwei Elternteilen sich diesem totalen Ausbeutungsstress stellen müssen. Die andere aber wird solche Arbeit nur noch in Teilzeit bewältigen oder gar nicht mehr arbeiten gehen können, ohne dass die Kinder vernachlässigt werden.

Der Soziologe Jörg Flecker glaubt auch nicht so ganz an die viel gerühmte Freiwilligkeit bei längeren Arbeitszeiten. Der Druck und die Sorge um den Arbeitsplatz könnten dazu führen, dass sich ArbeitnehmerInnen längeren Arbeitstagen stellen. Die Flexibilisierung, in der sie selber entscheiden, wann sie arbeiten, sei sehr erwünscht. Wenn aber die Unternehmen die Zeiten vorgeben, dann sei eine fixe Arbeitszeit für die Beschäftigten günstiger

Was wäre die Folge? Frauen zurück an den Herd: Denn immer noch ist es so, dass Frauen bei gleichwertiger Arbeit 21,7 Prozent weniger verdienen als Männer. Also wird der Familienrat beschließen müssen, dass die Frau die Kinderbetreuung übernimmt. Dann sind auch zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen anscheinend nicht mehr nötig. Will die IV – die sich immer den Anspruch gibt, modern und zukunftsorientiert zu sein – zurück in die Verhältnisse des Kaiserreichs? Drei Schritte zurück, an den Herd, in die Abhängigkeit und in die Altersarmut. Denn ein solches Leben führt zu geringsten oder gar keinen Pensionsansprüchen.

Für Alleinerziehende ist eine solche Arbeitszeit völlig undenkbar. Wer kann sein Kind schon 13-14 Stunden alleine lassen, denn die Fahrzeit ist einzurechnen. Mindestsicherung, Altersarmut und Abhängigkeit vom Sozialsystem sind vorprogrammiert. Lebt frau nicht in der Stadt, fragt sie sich, ob es für solch lange Arbeitszeiten einen ausreichenden öffentlichen Verkehr gibt, ein Auto ist bei geringem Einkommen nicht möglich.

Flexizeiten sollen den gesetzlichen Überstundenzuschlag verhindern. Es geht also auch um Lohnkürzung: „Bereits jetzt leisten ArbeitnehmerInnen viel zu viele Überstunden – auch unbezahlt. Vergangenes Jahr waren es 253 Millionen, davon wurden ca. 52 Millionen nicht ausbezahlt. Die müssen abgebaut werden, statt den Arbeitstag auszuweiten“, so die ÖGB-Bundesfrauensekretärin.

Solche überlangen Arbeitstage sind aber nicht gesund, ergab eine Studie der MedUni Wien. Demnach führt ein Zwölfstunden-Dienst zu erheblicher Übermüdung, zu mehr Unfällen, und es dauere drei arbeitsfreie Tage, um wieder vollständig erholt zu sein. Was wird das für Auswirkungen auf das Partnerschafts- und Erziehungsverhalten des „Ernährers“ der amputierten Familie haben.

Lange Überstunden machen auch krank. Das belegen internationalen Studien, berichtete der ORF. Bei der Voest in Linz wurde versuchsweise die Arbeitszeit in einigen Abteilungen herabgesetzt. Aus sozialmedizinischer Sicht sei das Ergebnis eindeutig, sagt der Arzt Johannes Gärtner, Autor der Studie: „Die Arbeitszeit lag bei ca. 35 Stunden. Hier fanden wir sehr positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmer.“

Umgekehrt heißt das, mit Flexizeiten wird Raubbau an der Gesundheit der Beschäftigten betrieben, Frauen an den Herd getrieben und Lohnkürzung durchgesetzt, alles um des erhöhten Profits im Kapitalismus willen.

Anne Rieger ist Vorstandsmitglied des GLB-Steiermark