Mobile Berufe: Allzeit bereit?
- Mittwoch, 4. Juli 2012 @ 12:38
Von Oliver Jonischkeit
Mehr als 300.000 Kolleginnen und Kollegen sind im Außendienst und in den mobilen Diensten beschäftigt – dazu gehören z.B. mobile Pflegedienste ebenso wie ServicetechnikerInnen oder KundenberaterInnen von Versicherungen.
Gerade diese sehen es bei Aufnahme ihrer Tätigkeit als Vorteil, sich einen Großteil der Arbeitszeit frei einteilen zu können. Meist erweist sich das in der Praxis rasch als Nachteil. „Von den Arbeitnehmern wird verlangt, sich flexibel zu verhalten, offen für kurzfristige Veränderungen zu sein, ständig Risiken einzugehen und weniger abhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren zu werden“ - so beschreibt Richard Sennet bereits 1998 in seinem Buch „Der flexible Mensch“ diese Arbeitssituation von Beschäftigten.
Zielvereinbarungen, „leistungsbezogene“ Entgeltsysteme, die permanente Erreichbarkeit per Handy, Internet, Laptop usw. fördern zusätzlich die Flexibilisierung der Arbeit: „Wo Arbeitszeitgesetz und ArbeitnehmerInnenschutz unter dem Deckmantel einer neuen Freiheit im Beruf ausgehebelt werden, leiden Gesundheit, Privat- und Familienleben darunter …“, so GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian im Vorwort zur Broschüre „Allzeit bereit!“.
So verschieden die mobilen Berufe sind, so unterschiedlich sind die damit verbundenen Probleme – es gibt aber auch viele gemeinsame. Dazu gehört auch die permanente Zunahme des Arbeitsdrucks, der über kurz oder lang krank macht. Das Beispiel von zwei Berufen zeigt, warum es kaum möglich ist, gesund in Pension zu gehen.
Zunächst einmal zu den KundenberaterInnen von Versicherungen, deren Gehalt besonders provisionsabhängig ist. Mit den BeraterInnen werden „Zielvereinbarungen“ in der Regel in Form einer Befehlsausgabe getroffen, die kaum zu schaffen sind. Klar ist in dieser Branche: Überstunden werden gemacht, bezahlt werden sie jedoch nicht – da sich die KollegInnen die Zeit meist frei einteilen können und verpflichtet sind, die gesetzliche Arbeitszeit einzuhalten.
Mit eigenem PKW unterwegs, aber natürlich ohne das amtliche Kilometergeld zu erhalten, müssen sie froh sein, überhaupt einen kleinen Ersatz für die Fahrten zu den KundInnen zu bekommen. Bei der „Wiener Städtischen“ geht´s romantisch zu – für die verschiedenen vereinbarten Ziele werden „Tulpen“ vergeben. Je mehr Ziele erreicht sind, umso mehr „Tulpen“ gibt es – und dann auch ein paar Brosamen an Fahrtgeld.
Auch die Freude über den vom Betrieb zur Verfügung gestellten Laptop erweist sich als trügerisch: Die meisten Versicherungen sind dazu übergegangen, Tätigkeiten vom Innendienst in den Außendienst zu verlegen – und so dürfen mittels Laptops die BeraterInnen nun neben dem Verkauf auch kleinere Schäden gleich vor Ort selbst erledigen. Bessere Bezahlung gibt es dafür natürlich keine.
Nun zu den mobilen Pflegeberufen: Viele der KollegInnen arbeiten zwar laut Vertrag Teilzeit, in Wirklichkeit jedoch meistens deutlich mehr. So flexibel sind sie für die Betriebe natürlich günstiger als Vollzeitarbeitskräfte. Einige bekommen neben einem mobilen GPS-fähigen Gerät, welches u.a. zur laufenden Leistungserfassung verwendet wird, sogar einen kleinen Dienstwagen, viele sind auch hier mit ihrem eigenen PKW unterwegs.
Apropos Leistungserfassung: Minutiös aufgelistet ist z.B. in NÖ, wie lange etwas dauern darf. So sind für das Vollbad eines Pflegebedürftigen sagenhafte zwölf Minuten vorgesehen. Mit solchen Zeitvorgaben ist es für die KollegInnen kaum möglich, die tägliche Arbeit rechtzeitig zu beenden.
In mobilen Berufen ist das Auto längst zum Arbeitsplatz geworden. Daten werden in Laptops und GPS-Geräte eingegeben, Rückrufe während der Fahrt erledigt, Termine vereinbart. Dieser ständige Leistungsdruck macht auf Dauer krank, Stress wird immer mehr zum größten Gesundheitsproblem.
In der IG „work@external“ der GPA-djp setzen sich KollegInnen verschiedener mobiler Berufe für die gemeinsamen Interessen ein – zu finden unter www.gpa-djp/external. Dort gibt es u.a. einen „Airbag für die Arbeit außerhalb des Betriebes“ oder einen Vorschlag für einen Zusatzkollektivvertrag „Dienstreise/Außendienst/Mobildienst“, der auch als Anregung für Betriebsvereinbarungen dienen kann.
Oliver Jonischkeit ist GLB-Bundessekretär im ÖGB und Mitglied des Bundesausschusses „work external“ der GPA-djp
Mehr als 300.000 Kolleginnen und Kollegen sind im Außendienst und in den mobilen Diensten beschäftigt – dazu gehören z.B. mobile Pflegedienste ebenso wie ServicetechnikerInnen oder KundenberaterInnen von Versicherungen.
Gerade diese sehen es bei Aufnahme ihrer Tätigkeit als Vorteil, sich einen Großteil der Arbeitszeit frei einteilen zu können. Meist erweist sich das in der Praxis rasch als Nachteil. „Von den Arbeitnehmern wird verlangt, sich flexibel zu verhalten, offen für kurzfristige Veränderungen zu sein, ständig Risiken einzugehen und weniger abhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren zu werden“ - so beschreibt Richard Sennet bereits 1998 in seinem Buch „Der flexible Mensch“ diese Arbeitssituation von Beschäftigten.
Zielvereinbarungen, „leistungsbezogene“ Entgeltsysteme, die permanente Erreichbarkeit per Handy, Internet, Laptop usw. fördern zusätzlich die Flexibilisierung der Arbeit: „Wo Arbeitszeitgesetz und ArbeitnehmerInnenschutz unter dem Deckmantel einer neuen Freiheit im Beruf ausgehebelt werden, leiden Gesundheit, Privat- und Familienleben darunter …“, so GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian im Vorwort zur Broschüre „Allzeit bereit!“.
So verschieden die mobilen Berufe sind, so unterschiedlich sind die damit verbundenen Probleme – es gibt aber auch viele gemeinsame. Dazu gehört auch die permanente Zunahme des Arbeitsdrucks, der über kurz oder lang krank macht. Das Beispiel von zwei Berufen zeigt, warum es kaum möglich ist, gesund in Pension zu gehen.
Zunächst einmal zu den KundenberaterInnen von Versicherungen, deren Gehalt besonders provisionsabhängig ist. Mit den BeraterInnen werden „Zielvereinbarungen“ in der Regel in Form einer Befehlsausgabe getroffen, die kaum zu schaffen sind. Klar ist in dieser Branche: Überstunden werden gemacht, bezahlt werden sie jedoch nicht – da sich die KollegInnen die Zeit meist frei einteilen können und verpflichtet sind, die gesetzliche Arbeitszeit einzuhalten.
Mit eigenem PKW unterwegs, aber natürlich ohne das amtliche Kilometergeld zu erhalten, müssen sie froh sein, überhaupt einen kleinen Ersatz für die Fahrten zu den KundInnen zu bekommen. Bei der „Wiener Städtischen“ geht´s romantisch zu – für die verschiedenen vereinbarten Ziele werden „Tulpen“ vergeben. Je mehr Ziele erreicht sind, umso mehr „Tulpen“ gibt es – und dann auch ein paar Brosamen an Fahrtgeld.
Auch die Freude über den vom Betrieb zur Verfügung gestellten Laptop erweist sich als trügerisch: Die meisten Versicherungen sind dazu übergegangen, Tätigkeiten vom Innendienst in den Außendienst zu verlegen – und so dürfen mittels Laptops die BeraterInnen nun neben dem Verkauf auch kleinere Schäden gleich vor Ort selbst erledigen. Bessere Bezahlung gibt es dafür natürlich keine.
Nun zu den mobilen Pflegeberufen: Viele der KollegInnen arbeiten zwar laut Vertrag Teilzeit, in Wirklichkeit jedoch meistens deutlich mehr. So flexibel sind sie für die Betriebe natürlich günstiger als Vollzeitarbeitskräfte. Einige bekommen neben einem mobilen GPS-fähigen Gerät, welches u.a. zur laufenden Leistungserfassung verwendet wird, sogar einen kleinen Dienstwagen, viele sind auch hier mit ihrem eigenen PKW unterwegs.
Apropos Leistungserfassung: Minutiös aufgelistet ist z.B. in NÖ, wie lange etwas dauern darf. So sind für das Vollbad eines Pflegebedürftigen sagenhafte zwölf Minuten vorgesehen. Mit solchen Zeitvorgaben ist es für die KollegInnen kaum möglich, die tägliche Arbeit rechtzeitig zu beenden.
In mobilen Berufen ist das Auto längst zum Arbeitsplatz geworden. Daten werden in Laptops und GPS-Geräte eingegeben, Rückrufe während der Fahrt erledigt, Termine vereinbart. Dieser ständige Leistungsdruck macht auf Dauer krank, Stress wird immer mehr zum größten Gesundheitsproblem.
In der IG „work@external“ der GPA-djp setzen sich KollegInnen verschiedener mobiler Berufe für die gemeinsamen Interessen ein – zu finden unter www.gpa-djp/external. Dort gibt es u.a. einen „Airbag für die Arbeit außerhalb des Betriebes“ oder einen Vorschlag für einen Zusatzkollektivvertrag „Dienstreise/Außendienst/Mobildienst“, der auch als Anregung für Betriebsvereinbarungen dienen kann.
Oliver Jonischkeit ist GLB-Bundessekretär im ÖGB und Mitglied des Bundesausschusses „work external“ der GPA-djp