Westsahara: Don’t Occupy
- Dienstag, 26. Juni 2012 @ 10:24
Von Gundi Dick
Bild: Solidaritätsaktion am 14.4.2012 vor der französischen Botschaft in Wien
Ghalia Djimi, eine sahaurische Menschenrechtsaktivistin antwortet auf meine Frage, wie sie sich die Zukunft vorstellt: „Ich sehe unsere Zukunft friedlich, wir werden mit unseren NachbarInnen gut auskommen: wir sind ein kleines Volk, wir sind tolerant und wir sind nicht besonders egoistisch.“
Ghalia ist Vize-Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation ASVHD (Saharauische Vereinigung der Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen), die gegen die Besetzung durch Marokko und für die Respektierung der Menschenrechte kämpft. Sie lebt mit ihrem Mann und fünf Kindern in El Ayun, der Hauptstadt der besetzten Westsahara.
Seit 1975 leben etwa 400.000 Sahauris aufgeteilt in den besetzten bzw. den befreiten Gebieten der Westsahara, in Flüchtlingslagern in Algerien und in der Diaspora. Wo immer die Sahauris leben, das Recht auf Selbstbestimmung bleibt ihre zentrale Forderung. Doch wer hört ihre Forderung und wer bemerkt ihren Kampf?
Im vergessenen Konflikt im Norden Afrikas, mit den Konfliktparteien Polisario – die politische Vertretung der Sahauris – und Marokko, geht es um das Recht auf Selbstbestimmung. Die UNO hat dieses Recht als Menschenrecht festgeschrieben: „(1) Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“
Fehlende internationale Öffentlichkeit
In den 1970er und 1980er Jahren war die Polisario der europäischen Öffentlichkeit einigermaßen bekannt. Der linksgerichteten Widerstandsbewegung wurde von einer international interessierten Community Aufmerksamkeit geschenkt. Man/frau wusste, dass die Westsahara nach dem Rückzug der Kolonialmacht Spanien im Jahr 1975 von Marokko und Mauretanien besetzt wurde und dass eine schlecht bewaffnete sahaurische Guerillabewegung einem starken Marokko entschlossenen Widerstand leistete.
1991 wurde, nach einem 16-jährigen Krieg, der Waffenstillstand unter der Vermittlung der UNO beschlossen. Zentraler Bestandteil des Waffenstillstandsabkommens war das in Aussicht gestellte Referendum und die Etablierung einer UN-Mission auf westsahaurischem Gebiet. Die Sahauris sollten im Referendum über ihren Status entscheiden: will das sahaurische Volk als eigenständiger Staat Westsahara leben oder will es Teil Marokkos sein? Dieses Referendum fand bis heute nicht statt. Stattdessen findet Marokko immer wieder neue Ausflüchte, um es zu verschieben.
Rohstoffreiche Westsahara
Befänden sich in der Westsahara nicht die größten Phosphatvorkommen der Welt und hätten die Gewässer vor Küste nicht überreichen Fischbestand, stünden die Chancen auf Frieden für die Sahauris besser. Doch so macht Marokko, konkret der marokkanische König Mohamed VI., gute Geschäfte mit diesen Rohstoffen und handelt mit Ländern in der EU, mit den USA, Australien u.a.
Die marokkanische Bevölkerung liegt im Armutsranking an 126. Stelle von 177 Staaten, jedoch der König ist der siebtreichste Monarch mit einem Privatvermögen, das mit 2.500 Millionen US-Dollar bewertet wird. Der König ist der größte Banker, er betreibt Versicherungen, Bauunternehmen, besitzt Agrarexportkonzerne; das marokkanische Königshaus kostet 60 Mal mehr als das französische Élysée. Anfang des Jahres veröffentlichen die französischen JournalistInnen Catherine Graciet und Eric Laurent ihr Buch Le Roi prédateur (Der Raubtier König), in dem die Geschäftspraktiken des Königshauses auf Kosten einer verarmten, schlecht gebildeten, mit Repression konfrontierten marokkanischen und sahaurischen Bevölkerung beschrieben werden.
Ghalia Djimi, die in den 1980er Jahren einmal eineinhalb Jahre und einmal drei Jahre und sieben Monate im Gefängnis saß - davon drei Jahre lang mit verbundenen Augen, der Chemikalien über den Kopf geschüttet wurde, die keine Haare mehr hat, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt war, die mit Strom gefoltert wurde, ist eine von vielen, wie sie betont. „Die Gewalt, der ich ausgesetzt war, ist nichts im Vergleich mit jener, die politische Gefangene erleiden, die zehn Jahre im Gefängnis sitzen.“ Ghalia Djimi kämpft nach wie vor für Menschenrechte und Selbstbestimmung in der Westsahara und sagt: „Was mir hilft ist Geduld, Toleranz und die Liebe zum Leben.“
Gundi Dick ist frauen- und entwicklungspolitisch aktiv. Sie ist seit vielen Jahren mit dem Thema Westsahara befasst und bereiste die sahaurischen Flüchtlingslager in Algerien mehrere Male. Sie verfasst im Rahmen ihres Studiums im Rosa-Mayreder-College eine Master Thesis zu „Westsahara, Frauen und Handlungsmacht“.
Bild: Solidaritätsaktion am 14.4.2012 vor der französischen Botschaft in Wien
Ghalia Djimi, eine sahaurische Menschenrechtsaktivistin antwortet auf meine Frage, wie sie sich die Zukunft vorstellt: „Ich sehe unsere Zukunft friedlich, wir werden mit unseren NachbarInnen gut auskommen: wir sind ein kleines Volk, wir sind tolerant und wir sind nicht besonders egoistisch.“
Ghalia ist Vize-Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation ASVHD (Saharauische Vereinigung der Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen), die gegen die Besetzung durch Marokko und für die Respektierung der Menschenrechte kämpft. Sie lebt mit ihrem Mann und fünf Kindern in El Ayun, der Hauptstadt der besetzten Westsahara.
Seit 1975 leben etwa 400.000 Sahauris aufgeteilt in den besetzten bzw. den befreiten Gebieten der Westsahara, in Flüchtlingslagern in Algerien und in der Diaspora. Wo immer die Sahauris leben, das Recht auf Selbstbestimmung bleibt ihre zentrale Forderung. Doch wer hört ihre Forderung und wer bemerkt ihren Kampf?
Im vergessenen Konflikt im Norden Afrikas, mit den Konfliktparteien Polisario – die politische Vertretung der Sahauris – und Marokko, geht es um das Recht auf Selbstbestimmung. Die UNO hat dieses Recht als Menschenrecht festgeschrieben: „(1) Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“
Fehlende internationale Öffentlichkeit
In den 1970er und 1980er Jahren war die Polisario der europäischen Öffentlichkeit einigermaßen bekannt. Der linksgerichteten Widerstandsbewegung wurde von einer international interessierten Community Aufmerksamkeit geschenkt. Man/frau wusste, dass die Westsahara nach dem Rückzug der Kolonialmacht Spanien im Jahr 1975 von Marokko und Mauretanien besetzt wurde und dass eine schlecht bewaffnete sahaurische Guerillabewegung einem starken Marokko entschlossenen Widerstand leistete.
1991 wurde, nach einem 16-jährigen Krieg, der Waffenstillstand unter der Vermittlung der UNO beschlossen. Zentraler Bestandteil des Waffenstillstandsabkommens war das in Aussicht gestellte Referendum und die Etablierung einer UN-Mission auf westsahaurischem Gebiet. Die Sahauris sollten im Referendum über ihren Status entscheiden: will das sahaurische Volk als eigenständiger Staat Westsahara leben oder will es Teil Marokkos sein? Dieses Referendum fand bis heute nicht statt. Stattdessen findet Marokko immer wieder neue Ausflüchte, um es zu verschieben.
Rohstoffreiche Westsahara
Befänden sich in der Westsahara nicht die größten Phosphatvorkommen der Welt und hätten die Gewässer vor Küste nicht überreichen Fischbestand, stünden die Chancen auf Frieden für die Sahauris besser. Doch so macht Marokko, konkret der marokkanische König Mohamed VI., gute Geschäfte mit diesen Rohstoffen und handelt mit Ländern in der EU, mit den USA, Australien u.a.
Die marokkanische Bevölkerung liegt im Armutsranking an 126. Stelle von 177 Staaten, jedoch der König ist der siebtreichste Monarch mit einem Privatvermögen, das mit 2.500 Millionen US-Dollar bewertet wird. Der König ist der größte Banker, er betreibt Versicherungen, Bauunternehmen, besitzt Agrarexportkonzerne; das marokkanische Königshaus kostet 60 Mal mehr als das französische Élysée. Anfang des Jahres veröffentlichen die französischen JournalistInnen Catherine Graciet und Eric Laurent ihr Buch Le Roi prédateur (Der Raubtier König), in dem die Geschäftspraktiken des Königshauses auf Kosten einer verarmten, schlecht gebildeten, mit Repression konfrontierten marokkanischen und sahaurischen Bevölkerung beschrieben werden.
Ghalia Djimi, die in den 1980er Jahren einmal eineinhalb Jahre und einmal drei Jahre und sieben Monate im Gefängnis saß - davon drei Jahre lang mit verbundenen Augen, der Chemikalien über den Kopf geschüttet wurde, die keine Haare mehr hat, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt war, die mit Strom gefoltert wurde, ist eine von vielen, wie sie betont. „Die Gewalt, der ich ausgesetzt war, ist nichts im Vergleich mit jener, die politische Gefangene erleiden, die zehn Jahre im Gefängnis sitzen.“ Ghalia Djimi kämpft nach wie vor für Menschenrechte und Selbstbestimmung in der Westsahara und sagt: „Was mir hilft ist Geduld, Toleranz und die Liebe zum Leben.“
Gundi Dick ist frauen- und entwicklungspolitisch aktiv. Sie ist seit vielen Jahren mit dem Thema Westsahara befasst und bereiste die sahaurischen Flüchtlingslager in Algerien mehrere Male. Sie verfasst im Rahmen ihres Studiums im Rosa-Mayreder-College eine Master Thesis zu „Westsahara, Frauen und Handlungsmacht“.