Rechtsunsicherheit im freien Dienstvertrag
- Dienstag, 3. April 2012 @ 13:43
Von Marco Fegerl
In den letzten Jahrzehnten wurden Angestellte und Arbeiter zunehmend durch freie Dienstnehmer ersetzt. Arbeitnehmern ihre bestehenden Rechte aus Betriebsvereinbarungen und Kollektivvertrag zu entziehen, hat System.
Welche Art von Dienstverhältnis vorliegt, kann meist nur vermutet werden. Das Problem ist, dass nicht die Bezeichnung eines Vertrages dessen Inhalt bestimmt.
Vielmehr kommt es auf das Vorliegen folgender Merkmale an: Persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, Bereitstellung der Arbeitsmittel durch den Arbeitgeber, örtliche Gebundenheit, festgelegte Arbeitszeit, Kontrolle durch den Arbeitgeber. Diese Merkmale müssen nicht alle voll gegeben sein. Ein Überwiegen in Richtung freier Dienstvertrag oder normaler Dienstvertrag gibt den Ausschlag.
Ein Beispiel: Herr Huber arbeitet als Telefonist in einer Telefonvermittlung. Sein Dienstvertrag trägt die Überschrift „freier Dienstvertrag“. Der Arbeitgeber verweigert ihm daher Urlaub, bezahlten Krankenstand, Weihnachts- und Urlaubsgeld und vieles mehr. Außerdem vereinbart er mit der Abteilungsleiterin regelmäßig die Dienstzeiten für den kommenden Monat. Manchmal tauscht er auch spontan Dienstzeiten für einzelne Tage mit Arbeitskollegen.
Grundsätzliches: Wie bereits erwähnt, ist die Bezeichnung des Vertrages nur von geringer Bedeutung. Wirklich ausschlaggebend ist die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses im wahren Leben. Da sich Herr Huber an keine festen Arbeitszeiten halten muss und sich auch an einzelnen Tagen von Kollegen vertreten lässt, ist nicht mehr klar feststellbar, welches Vertragsverhältnis vorliegt.
Konsequenzen: Klagt Herr Huber nun seinen Dienstgeber am Arbeitsgericht auf Feststellung eines normalen Dienstvertrages, so hat dies folgende Konsequenzen:
1. Huber trifft die rechtliche Unsicherheit über den Ausgang des Verfahrens, da das Gericht auch eher einen freien Dienstvertrag verwirklicht sehen könnte.
2. Verliert Huber das Verfahren, so kann der Arbeitgeber das Dienstverhältnis entweder sofort oder binnen 14 Tagen beenden.
3. Huber hat bei Obsiegen den Anspruch auf Nachzahlung aller noch nicht verjährten Forderungsrechte gegen den Arbeitgeber hat.
4. Verliert der Arbeitgeber das Verfahren, so kann dieser Herrn Huber in der Folge kündigen, falls er sich die dadurch entstandene finanzielle Mehrbelastung durch den normalen Dienstvertrag nicht leisten kann.
Berücksichtigt man nun die rechtliche Unsicherheit über den Ausgang des Verfahrens und die drohenden negativen Konsequenzen, so erkennt man schnell die schwache Rechtsstellung des Arbeitnehmers.
Eben Erwähntes verleitet Arbeitgeber dazu, das Unwissen der Arbeitnehmer und die unsichere Rechtslage auszunutzen. Kündigt ein Angestellter, so nimmt man den nächsten Mitarbeiter nur noch mit einem „freien Dienstvertrag“ auf. Wenn dieser dann regelmäßig neue Arbeitszeiten bekommt und Dienste mit Kollegen tauscht, dann ist das Dienstverhältnis nicht mehr klar zuzuordnen. Die oben erwähnten Risiken der Rechtsdurchsetzung treffen den Arbeitnehmer natürlich mit voller Härte.
Diese Unsicherheit für Dienstnehmer ließe sich durch eine Zweifelsregel zugunsten der Arbeitnehmer deutlich abschwächen. Eine echte Lösung für das Problem liegt jedoch jedenfalls nur in der Aufwertung der freien Dienstverträge auf die Ebene des klassischen Dienstvertrages. Auch für „freie Dienstnehmer“ müssen der klassische Branchenkollektivvertrag und die Betriebsvereinbarungen, sowie Gesetze für Arbeiter und Angestellte zur Anwendung kommen.
Aktuell kann eines jedenfalls empfohlen werden: Endet ein „freies Dienstverhältnis“, so sollten Arbeitnehmer ihr Vertragsverhältnis prüfen lassen. Wenn Gewerkschaft oder Arbeiterkammer feststellen, dass eher ein klassisches Dienstverhältnis vorliegt, dann können diese alle noch nicht verjährten Ansprüche einklagen. Für den ehemaligen freien Dienstnehmer kann dadurch eine Nachzahlung des rückwirkend höheren Lohns, Weihnachts- und Urlaubsgeld und einiges mehr erreicht werden!
Marco Fegerl ist GLB-Aktivist in Niederösterreich
In den letzten Jahrzehnten wurden Angestellte und Arbeiter zunehmend durch freie Dienstnehmer ersetzt. Arbeitnehmern ihre bestehenden Rechte aus Betriebsvereinbarungen und Kollektivvertrag zu entziehen, hat System.
Welche Art von Dienstverhältnis vorliegt, kann meist nur vermutet werden. Das Problem ist, dass nicht die Bezeichnung eines Vertrages dessen Inhalt bestimmt.
Vielmehr kommt es auf das Vorliegen folgender Merkmale an: Persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, Bereitstellung der Arbeitsmittel durch den Arbeitgeber, örtliche Gebundenheit, festgelegte Arbeitszeit, Kontrolle durch den Arbeitgeber. Diese Merkmale müssen nicht alle voll gegeben sein. Ein Überwiegen in Richtung freier Dienstvertrag oder normaler Dienstvertrag gibt den Ausschlag.
Ein Beispiel: Herr Huber arbeitet als Telefonist in einer Telefonvermittlung. Sein Dienstvertrag trägt die Überschrift „freier Dienstvertrag“. Der Arbeitgeber verweigert ihm daher Urlaub, bezahlten Krankenstand, Weihnachts- und Urlaubsgeld und vieles mehr. Außerdem vereinbart er mit der Abteilungsleiterin regelmäßig die Dienstzeiten für den kommenden Monat. Manchmal tauscht er auch spontan Dienstzeiten für einzelne Tage mit Arbeitskollegen.
Grundsätzliches: Wie bereits erwähnt, ist die Bezeichnung des Vertrages nur von geringer Bedeutung. Wirklich ausschlaggebend ist die Ausgestaltung des Dienstverhältnisses im wahren Leben. Da sich Herr Huber an keine festen Arbeitszeiten halten muss und sich auch an einzelnen Tagen von Kollegen vertreten lässt, ist nicht mehr klar feststellbar, welches Vertragsverhältnis vorliegt.
Konsequenzen: Klagt Herr Huber nun seinen Dienstgeber am Arbeitsgericht auf Feststellung eines normalen Dienstvertrages, so hat dies folgende Konsequenzen:
1. Huber trifft die rechtliche Unsicherheit über den Ausgang des Verfahrens, da das Gericht auch eher einen freien Dienstvertrag verwirklicht sehen könnte.
2. Verliert Huber das Verfahren, so kann der Arbeitgeber das Dienstverhältnis entweder sofort oder binnen 14 Tagen beenden.
3. Huber hat bei Obsiegen den Anspruch auf Nachzahlung aller noch nicht verjährten Forderungsrechte gegen den Arbeitgeber hat.
4. Verliert der Arbeitgeber das Verfahren, so kann dieser Herrn Huber in der Folge kündigen, falls er sich die dadurch entstandene finanzielle Mehrbelastung durch den normalen Dienstvertrag nicht leisten kann.
Berücksichtigt man nun die rechtliche Unsicherheit über den Ausgang des Verfahrens und die drohenden negativen Konsequenzen, so erkennt man schnell die schwache Rechtsstellung des Arbeitnehmers.
Eben Erwähntes verleitet Arbeitgeber dazu, das Unwissen der Arbeitnehmer und die unsichere Rechtslage auszunutzen. Kündigt ein Angestellter, so nimmt man den nächsten Mitarbeiter nur noch mit einem „freien Dienstvertrag“ auf. Wenn dieser dann regelmäßig neue Arbeitszeiten bekommt und Dienste mit Kollegen tauscht, dann ist das Dienstverhältnis nicht mehr klar zuzuordnen. Die oben erwähnten Risiken der Rechtsdurchsetzung treffen den Arbeitnehmer natürlich mit voller Härte.
Diese Unsicherheit für Dienstnehmer ließe sich durch eine Zweifelsregel zugunsten der Arbeitnehmer deutlich abschwächen. Eine echte Lösung für das Problem liegt jedoch jedenfalls nur in der Aufwertung der freien Dienstverträge auf die Ebene des klassischen Dienstvertrages. Auch für „freie Dienstnehmer“ müssen der klassische Branchenkollektivvertrag und die Betriebsvereinbarungen, sowie Gesetze für Arbeiter und Angestellte zur Anwendung kommen.
Aktuell kann eines jedenfalls empfohlen werden: Endet ein „freies Dienstverhältnis“, so sollten Arbeitnehmer ihr Vertragsverhältnis prüfen lassen. Wenn Gewerkschaft oder Arbeiterkammer feststellen, dass eher ein klassisches Dienstverhältnis vorliegt, dann können diese alle noch nicht verjährten Ansprüche einklagen. Für den ehemaligen freien Dienstnehmer kann dadurch eine Nachzahlung des rückwirkend höheren Lohns, Weihnachts- und Urlaubsgeld und einiges mehr erreicht werden!
Marco Fegerl ist GLB-Aktivist in Niederösterreich