Weiter Umverteilung nach oben
- Mittwoch, 28. März 2012 @ 16:27
Von Lutz Holzinger
Mittlerweile ist es eine Binsenweisheit, dass Reich und Arm in den entwickelten Gesellschaften immer weiter auseinanderdriften. Das gilt auch für Österreich ebenso wie die Tatsache, dass die Krisen auf den Finanzmärkten auf der Überakkumulation von Kapital beruhen.
Unter allen Experten, die nicht dem neoliberalen Wahn verfallen sind, herrscht Einigkeit darüber, dass in erster Linie die Spekulation mit Währungen, Krediten, Aktien und Rohstoffen aller Art sowie davon abgeleiteten „Derivaten“ (Termingeschäfte) eingedämmt werden müsse, um die Realwirtschaft zu stabilisieren. Dazu sind entschlossene Maßnahmen zur Regulierung erforderlich – etwa durch die effektive Besteuerung derartiger Transaktionen (Stichwort: Tobinsteuer). Obwohl die Banken und ihre Großkunden mit derartigen Manövern im internationalen Maßstab riesige Gewinne machen, die wiederum in den Finanzcasinos angelegt werden, laufen diese Geschäfte ohne jede unmittelbare Besteuerung ab.
Analysiert man vor diesem Hintergrund das 27 Milliarden schwere Belastungspaket, das die Regierung Faymann/Spindelegger geschnürt hat, ist auf den ersten Blick erkennbar, dass von sozialer Ausgewogenheit – wie von der ÖGB-Spitze behauptet – keine Rede sein kann. Kurz nachdem auf Einnahmen aus einer Finanztransaktionsteuer gesetzt wurde, verlautete aus Berlin, dass der EU Dominator Deutschland dabei nicht mitmachen will. Ebenso wenig aussichtsreich erscheint der Versuch, im Alleingang ein Abkommen mit der Schweiz durchzusetzen, um von österreichischen Fluchtgeldern zu profitieren, die bisher an der heimischen Finanz vorbei in die Eidgenossenschaft verschoben wurden und werden.
Fälliger Kassensturz
Die Letzten beißen die Hunde. Bei Michael Graber, wirtschaftspolitischer Sprecher der KPÖ, liest sich das so: „Die Regierung beteiligt sich durch die vorgestellten Massenbelastungen an dem europaweit koordinierten Krisenprozess.“ Diese Massenbelastungen ergeben sich demnach in erster Linie durch die zusätzliche Belastung der PensionistInnen, dem öffentlichen Dienst und der Bundesländer. Letztere werden die Einsparungen an die Bevölkerung weitergeben, wie das bereits in der Steiermark praktiziert wird. Garber zieht den Schluss, „dass die Umverteilungsmaschine nach oben unter dem Titel der Budgetsanierung beschleunigt weiterläuft.“
Angesichts dieser Entwicklung ist es unverständlich, dass die Führung des ÖGB nicht nach einem Kassensturz verlangt bzw. Bilanz darüber zieht, wie weit die Schere zwischen Lohn- und Kapitaleinkommen seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auseinandergegangen ist. Deutliches Zeichen ist nicht nur die Reduktion der Lohnquote um rund 10 Prozent in den letzten zehn Jahren, sondern auch das stürmische Wachstum der Reichen und Superreichen, die sich in einer rasch steigenden Zahl von Millionären und Multimillionären ausdrückt. Dass Letztere ernsthaft zur Budgetsanierung herangezogen werden, ist eine Illusion, die der Regierung längst niemand mehr abkauft.
Auf den Busch klopfen
Garber weist darauf hin, dass Pensionen und Gehälter im öffentlichen Dienst auf Jahre unter der Inflationsrate gehalten werden, um dauerhafte Einkommensverluste zu zementieren. Im Gegensatz dazu ist der so genante Solidarbeitrag für Jahreseinkommen über 185.000 Euro auf vier Jahre begrenzt. Eine radikale Beschneidung der Spitzeneinkommen von Firmenvorständen mit staatlichter Beteiligung, die wie im Fall der OMV bis zu 7,5 Millionen Euro pro Jahr (!) an Land ziehen, wird am Ballhausplatz offenkundig für denkunmöglich gehalten.
Da weiterhin keine Vermögenssteuer, keine Erbschaftssteuer und keine Erhöhung der Körperschaftssteuer geplant ist, wird die Steuerungerechtigkeit mit dem Sparpaket auf die Spitze getrieben. Vor dem Hintergrund ist zu unterstreichen, dass die realen Steuerleistungen der Unternehmen überdies weit unter den offiziellen Tarifen liegen. Laut Arbeiterkammer führten die heimischen Betriebe im Jahr 2010 lediglich 17 Prozent ihrer Gewinne ans Finanzamt ab, während für die Sparbuchzinsen 25 Prozent fällig sind und knapp überdurchschnittliche Lohnempfänger bis zu 50 Prozent ans Finanzamt abführen müssen.
Angesichts dieser Fakten fragt man sich, wo die Proteste und Aktionen der Gewerkschaften und des ÖGB bleiben? – Eine symbolische Beteiligung an Demonstrationen des Europäischen Gewerkschaftsbundes in Brüssel sind zu wenig. Versagt die Gewerkschaftsbewegung in dieser heiklen Situation, in der die Umverteilungsweichen in die falsche Richtung gestellt werden, öffnet sie dem kleinbürgerlichen Radikalismus – in rechter und religiöser Gestalt – Tür und Tor. Stattdessen sollte die Organisation, die für die Interessenvertretung der Lohnabhängigen erfunden wurde, selbst vehement auf den Busch klopfen.
Lutz Holzinger ist Journalist und lebt in Wien
Mittlerweile ist es eine Binsenweisheit, dass Reich und Arm in den entwickelten Gesellschaften immer weiter auseinanderdriften. Das gilt auch für Österreich ebenso wie die Tatsache, dass die Krisen auf den Finanzmärkten auf der Überakkumulation von Kapital beruhen.
Unter allen Experten, die nicht dem neoliberalen Wahn verfallen sind, herrscht Einigkeit darüber, dass in erster Linie die Spekulation mit Währungen, Krediten, Aktien und Rohstoffen aller Art sowie davon abgeleiteten „Derivaten“ (Termingeschäfte) eingedämmt werden müsse, um die Realwirtschaft zu stabilisieren. Dazu sind entschlossene Maßnahmen zur Regulierung erforderlich – etwa durch die effektive Besteuerung derartiger Transaktionen (Stichwort: Tobinsteuer). Obwohl die Banken und ihre Großkunden mit derartigen Manövern im internationalen Maßstab riesige Gewinne machen, die wiederum in den Finanzcasinos angelegt werden, laufen diese Geschäfte ohne jede unmittelbare Besteuerung ab.
Analysiert man vor diesem Hintergrund das 27 Milliarden schwere Belastungspaket, das die Regierung Faymann/Spindelegger geschnürt hat, ist auf den ersten Blick erkennbar, dass von sozialer Ausgewogenheit – wie von der ÖGB-Spitze behauptet – keine Rede sein kann. Kurz nachdem auf Einnahmen aus einer Finanztransaktionsteuer gesetzt wurde, verlautete aus Berlin, dass der EU Dominator Deutschland dabei nicht mitmachen will. Ebenso wenig aussichtsreich erscheint der Versuch, im Alleingang ein Abkommen mit der Schweiz durchzusetzen, um von österreichischen Fluchtgeldern zu profitieren, die bisher an der heimischen Finanz vorbei in die Eidgenossenschaft verschoben wurden und werden.
Fälliger Kassensturz
Die Letzten beißen die Hunde. Bei Michael Graber, wirtschaftspolitischer Sprecher der KPÖ, liest sich das so: „Die Regierung beteiligt sich durch die vorgestellten Massenbelastungen an dem europaweit koordinierten Krisenprozess.“ Diese Massenbelastungen ergeben sich demnach in erster Linie durch die zusätzliche Belastung der PensionistInnen, dem öffentlichen Dienst und der Bundesländer. Letztere werden die Einsparungen an die Bevölkerung weitergeben, wie das bereits in der Steiermark praktiziert wird. Garber zieht den Schluss, „dass die Umverteilungsmaschine nach oben unter dem Titel der Budgetsanierung beschleunigt weiterläuft.“
Angesichts dieser Entwicklung ist es unverständlich, dass die Führung des ÖGB nicht nach einem Kassensturz verlangt bzw. Bilanz darüber zieht, wie weit die Schere zwischen Lohn- und Kapitaleinkommen seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auseinandergegangen ist. Deutliches Zeichen ist nicht nur die Reduktion der Lohnquote um rund 10 Prozent in den letzten zehn Jahren, sondern auch das stürmische Wachstum der Reichen und Superreichen, die sich in einer rasch steigenden Zahl von Millionären und Multimillionären ausdrückt. Dass Letztere ernsthaft zur Budgetsanierung herangezogen werden, ist eine Illusion, die der Regierung längst niemand mehr abkauft.
Auf den Busch klopfen
Garber weist darauf hin, dass Pensionen und Gehälter im öffentlichen Dienst auf Jahre unter der Inflationsrate gehalten werden, um dauerhafte Einkommensverluste zu zementieren. Im Gegensatz dazu ist der so genante Solidarbeitrag für Jahreseinkommen über 185.000 Euro auf vier Jahre begrenzt. Eine radikale Beschneidung der Spitzeneinkommen von Firmenvorständen mit staatlichter Beteiligung, die wie im Fall der OMV bis zu 7,5 Millionen Euro pro Jahr (!) an Land ziehen, wird am Ballhausplatz offenkundig für denkunmöglich gehalten.
Da weiterhin keine Vermögenssteuer, keine Erbschaftssteuer und keine Erhöhung der Körperschaftssteuer geplant ist, wird die Steuerungerechtigkeit mit dem Sparpaket auf die Spitze getrieben. Vor dem Hintergrund ist zu unterstreichen, dass die realen Steuerleistungen der Unternehmen überdies weit unter den offiziellen Tarifen liegen. Laut Arbeiterkammer führten die heimischen Betriebe im Jahr 2010 lediglich 17 Prozent ihrer Gewinne ans Finanzamt ab, während für die Sparbuchzinsen 25 Prozent fällig sind und knapp überdurchschnittliche Lohnempfänger bis zu 50 Prozent ans Finanzamt abführen müssen.
Angesichts dieser Fakten fragt man sich, wo die Proteste und Aktionen der Gewerkschaften und des ÖGB bleiben? – Eine symbolische Beteiligung an Demonstrationen des Europäischen Gewerkschaftsbundes in Brüssel sind zu wenig. Versagt die Gewerkschaftsbewegung in dieser heiklen Situation, in der die Umverteilungsweichen in die falsche Richtung gestellt werden, öffnet sie dem kleinbürgerlichen Radikalismus – in rechter und religiöser Gestalt – Tür und Tor. Stattdessen sollte die Organisation, die für die Interessenvertretung der Lohnabhängigen erfunden wurde, selbst vehement auf den Busch klopfen.
Lutz Holzinger ist Journalist und lebt in Wien