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Gesetzlicher Mindestlohn kontra Prekarisierung

  • Montag, 27. Februar 2012 @ 10:03
News Statt sich zum Aktionstag Santa Precaria am 29. Februar 2012 über die wachsende Prekarisierung zu beklagen, sollten sich Gewerkschaften und Arbeiterkammern für die sofortige Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von zehn Euro pro Stunde starkmachen, fordert Josef Stingl, Bundesvorsitzender der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB). Wenn rund eine Million Menschen in Österreich armutsgefährdet sind und bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen ein durchschnittlicher Stundenlohn von nur 5,77 Euro Realität gezahlt wird, ist Handlungsbedarf angesagt. Anstatt über die vorzeitige Anhebung des Pensionsalters für Frauen zu schwadronieren und damit die eklatante Ungleichbehandlung im Berufsleben mit Fraueneinkommen, die rund ein Viertel unter jenen der Männer zu verewigen, gilt es Nägel mit Köpfen zu machen.

Eine Erhöhung der Mindesteinkommen ist auch anbetrachts stagnierender Prognosen in Hinblick auf das notwendige Wirtschaftswachstum angesagt. Es wird nämlich bei aller Bedeutung von Bildung und Forschung nicht mit deren Förderung im Interesse der Wirtschaft getan sein, wie WKO-Chef Leitl meint. Es gilt vor allem die seit Jahren zugunsten des Exports zurückbleibende Inlandskaufkraft zu stärken und das geht nur mit höheren Einkommen der Lohnabhängigen, insbesondere der Erhöhung der Mindestlöhne.

„Es ist nämlich keine Errungenschaft, dass 2,7 Millionen ÖsterreicherInnen, durchweg atypisch und prekär Beschäftigte und PensionistInnen keine Lohnsteuer zahlen, sondern ein Armutszeugnis, weil viel zu viele Einkommen viel zu gering sind“, so Stingl. Österreich ist nach Deutschland das Schlusslicht der EU bei der Lohnentwicklung. Laut Arbeiterkammer ist von 1994 bis 2012 die Produktivität um 23,9 Prozent gestiegen, die Bruttolöhne um 5,2 Prozent, während die Nettolöhne um 0,5 Prozent gesunken sind.

Das vorwiegend ausgabenseitig angelegte und die Profite der Banken und Konzerne und die Millionen- und Milliardenvermögen der Superreichen verschonende Belastungspaket der Regierung, das vor allem PensionistInnen und den öffentlichen Dienst massiv betrifft, ist daher eine kontraproduktive Ansage, weil damit die Kaufkraft weiter geschwächt wird. Der GLB fordert daher einmal mehr die GewerkschafterInnen im Nationalrat auf, diesem Paket die Zustimmung zu verweigern.

In einigen Branchen wurde mittlerweile ein Mindestlohn von 1.300 Euro durchgesetzt, wovon netto allerdings nur rund 1.050 Euro bleiben. Und bei dem in den meisten Branchen noch immer geltenden Mindestlohn von tausend Euro bleiben netto sogar nur 850 Euro. Zum Vergleich liegt die amtliche Armutsgefährdungsschwelle – berechnet mit 60 Prozent des gewichteten Median-Pro-Kopf-Einkommens – derzeit bei 994 Euro und die Bedarfsorientierte Mindestsicherung bei nur 753 Euro. Der vom GLB geforderte Mindestlohn würde für eine 40-Stundenwoche 1.760 Euro brutto bzw. nach dem jetzigen Stand zumindest 1.285 Euro netto monatlich bedeuten und sollte steuerfrei sein und jährlich an Inflation und Produktivitätswachstum angepasst werden.

Im Gegensatz zu ÖGB-Chef Erich Foglar befürchtet der GLB durch einen gesetzlichen Mindestlohn keineswegs eine Preisgabe der Kompetenz der Gewerkschaften für die Kollektivvertragsverhandlungen, sondern eine Verstärkung dafür. Das Argument, ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn wäre künftig nur schwer weiter anzuheben trifft nämlich genauso auf die KV-Verhandlungen zu: „Klar ist, dass für die Anpassung eines gesetzlichen Mindestlohnes ebenso wie für allgemeine Lohnerhöhungen ein ständiger Kampf geführt werden muss. Ist doch die Primärverteilung der klassische Konflikt zwischen Lohnarbeit und Kapital und dabei kann sich der ÖGB für die letzten Jahre angesichts einer faktischen Stagnation der Realeinkommen keineswegs mit Lorbeeren schmücken“, so Stingl.