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BAGS: Leit– oder Leid-KV?

  • Dienstag, 14. Februar 2012 @ 08:00
GPA Von Karin Antlanger

BAGS, Caritas, Diakonie – diese drei großen Kollektivverträge umfassen mittlerweile weit über 100.000 – in der Mehrheit weibliche – Beschäftigte. Diese Sozial-KVs sind noch relativ jung (BAGS seit 2004 in Kraft) und die ArbeitgeberInnenkurie verhält sich alles andere als sozial: So meinen etliche, ihre mangelnde Erfahrung als KV-VerhandlerInnen durch besondere Dreistigkeit wettmachen zu müssen. Dieselben ArbeitgeberInnen, die nicht willens und/oder in der Lage sind, Aufträge der öffentlichen Hand zurückzuweisen, wenn diese nicht ausreichend finanziert werden, gebärden sich den Gewerkschaften und BetriebsrätInnen gegenüber als Hardliner. Gilt es doch, ein Maximum an Leistung bei unzureichender Entlohnung aus den Beschäftigten herauszupressen.

Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe der „arbeit“ waren die Verhandlungen für BAGS, Caritas und Diakonie unterbrochen. In Wien, Linz, Graz und Klagenfurt hatten eindrucksvolle Protestdemonstrationen stattgefunden, da sich die Beschäftigten in den privaten Sozial-und Gesundheitsbetrieben nicht mit Almosen abspeisen lassen wollten.

Die Krux mit Inflationsrate

Jahresinflation 2011 3,3 Prozent, Mietzinserhöhung 2011 4,0 Prozent, Preissteigerung für Güter des täglichen Bedarfs (vor allem Lebensmittel) 5,5 Prozent, Haushaltsenergiepreiserhöhung 2011 (= Strom, Gas und andere Brennstoffe) 6,4 Prozent, PKW-Kostenerhöhung (ohne Treibstoff) 4,0 Prozent, Preissteigerung bei Benzin und Diesel 2011 13,0 Prozent

Die Angebote der Arbeitgeber bei den Verhandlungen im Jänner waren inakzeptabel, lagen sie doch deutlich unter der offiziellen Inflationsrate für 2011 von 3,3 Prozent! Bei einer Verhandlungsdauer von 13 Stunden bewegten sich die Arbeitgeber um gerade mal 0,1 Prozent. In der Praxis hätte dies einen spürbaren Reallohnverlust für eine Branche bedeutet, die sowieso schon um 20 Prozent niedrigere Löhne und Gehälter bezahlt als der Durchschnitt. Die wie jedes Jahr moderaten Forderungen der Gewerkschaften – 4,1 Prozent plus vier wesentliche Verbesserungen im Rahmenrecht des Kollektivvertrages – wurden von den Arbeitgebern als „unfinanzierbar“ abgetan.

Arbeitgeber blockieren

Auch bei den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen gab es auf Arbeitgeberseite kaum Bewegung: So lehnten sie jegliche Verhandlung über die Streichung der Obergrenze von maximal vier Jahren bei der Anrechnung der nicht-facheinschlägigen Vordienstzeiten für die Einstufung ab. Ebenso gab es nicht einmal die Bereitschaft, über die Einbeziehung von Zulagen und Zuschlägen in die Berechnung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu reden.

Bei der Anrechnung von Karenzzeiten auf die Vorrückungen lagen BAGS und Gewerkschaften noch weit auseinander. Die Arbeitgeber boten die Anrechnung von zehn Monaten für das erste Kind, das im laufenden Dienstverhältnis nach dem 1.1.2012 geboren wird, an. Gewerkschaften und BetriebsrätInnen fordern jedoch mindestens zwölf Monate für jedes Kind.

Die Verankerung des amtlichen Kilometergeldes für Dienstfahrten im KV soll laut Arbeitgebern erst im Juli 2013 erfolgen. So lange sollte etwa die Volkshilfe Salzburg die Heimhelferinnen noch mit 14 Cent statt 42 Cent „abspeisen“ dürfen.

Was sind „gerechte Lohnerhöhungen“?

Auch nach dem heurigen KV-Abschluss werden die im Sozialbereich beschäftigten Frauen wieder ein Stück näher an die künftige Altersarmut gerückt sein. Nämlich dann, wenn gerade für die meist teilzeitbeschäftigten unteren Einkommensgruppen neuerlich ein Reallohnverlust im Sinne der o.a. Teuerungsraten ausverhandelt wird.

Die öffentliche Hand als Kostenträger der privaten Sozial-und Gesundheitsdienste muss dabei ebenso in die Pflicht genommen werden wie die Geschäftsführungen und Vorstände der einzelnen Unternehmen. Immerhin ist es die öffentliche Hand und mit ihr die Politik, die zwar Bankenrettungspakete mit Hunderten Milliarden Euro geschnürt haben und diese dann im Sozial-und Gesundheitswesen wieder „einsparen“ wollen.

Gerecht sind die Löhne und Gehälter im BAGS-KV noch lange nicht. Dazu müssten sie erst mal um mindestens 20 Prozent angehoben werden. Und eine gerechte Lohnerhöhung für 2012 müsste allemal bei sechs Prozent liegen, um die relevante Teuerung von 2011 auszugleichen. Und selbst dann wäre die in den letzten Jahren stattgefundene Leistungsverdichtung (Produktivitätssteigerung) noch lange nicht abgegolten.

Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und BRV von EXIT-sozial Linz