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Über Schulden und Schuld

  • Donnerstag, 9. Februar 2012 @ 09:15
Meinung Von Bärbel Mende-Danneberg

Leserbrief von Bärbel Mende-Danneberg an die „Salzburger Nachrichten“

Sie, Herr Unterberger, schreiben von wachsenden Schulden und unfinanzierbarem Pensionssystem. Aber das waren doch die Ideen Ihrer politisch Gleichgesinnten, abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse (mit gesicherten Einzahlungen in ein Pensions-Umlagesystem) zunehmend in ungeschützte prekäre oder „Ich-AGs“ zu verwandeln (mit ungewissen Pensionseinzahlungen). Wer hat denn mit (Zusatz-)Pensionen und gemeinnützigen Dienstleistungen am Finanzmarkt spekuliert? Und nun, wo das ganze Werkel Ihres neoliberal-konservativen Finanzdesasters zusammenkracht, sollen jene das Budgetdefizit begleichen, die das Schuldenloch nicht verursacht haben? Statt die bösen Feministinnen zu beschimpfen, sollte Sie einmal Umschau halten, wo und wie sich Reichtum anhäuft und Armut ausbreitet.

Als wohlsituierter Chefschreiber entdecken Sie nun plötzlich das Gleichheitsprinzip, das ihnen bislang kein Anliegen war. Frauen würden durch früheres Pensionsantrittsalter für die wachsende Lücke in den Kassen der Pensionsversicherung verantwortlich sein? Frauen würden durch längeres Arbeiten im Alter zu höheren Pensionen kommen? Wo leben Sie denn, Herr Unterberger!

Wie viel Ignoranz ist denn notwendig, die weibliche Realität in unserem Land derart zynisch zu ignorieren! Bei der Einkommensbenachteiligung liegen Österreichs Frauen an vorletzter schlechter Stelle im EU-Schnitt. Durch mangelhafte Kinderbetreuungsmöglichkeiten werden sie aus dem Erwerbsprozess streckenweise „ausgelagert“ oder abgeschoben in prekäre Arbeitsverhältnisse; ab einem bestimmten Lebensalter, das sich immer weiter nach unten verschiebt, sind Frauen sowieso nicht mehr vermittelbar und werden „ausgelagert“ in die Arbeitslose, Notstandshilfe, Frühpension eventuell mit Ausgleichzulage, von der sich nicht leben lässt – nicht wegen ihres früheren Pensionsantritts (Frauen gehen im Schnitt mit 57 Jahren, Männer mit 58,7 Jahren in den Ruhestand), sondern weil sie zeitlebens schlechter bezahlt werden oder in atypische Beschäftigungsverhältnisse abgeschoben werden?

Die weibliche Armutsperspektive ist vorprogrammiert. Und dann im Alter: Pflegedienste an Angehörige, also Care-Arbeit für die Gesellschaft, leisten zu 80 Prozent Frauen - umsonst, unbedankt.

Redakteur Andreas Unterberger antwortet:

Wen auch immer Sie mit "politisch Gleichgesinnten" meinen, Sie müssen mich verwechseln: Ich habe mich nämlich seit Jahrzehnten kontinuierlich gegen die ständig wachsenden Staatsschulden und ebenso gegen das unfinanzierbar gewordene Pensionssystem ausgesprochen. Beide sind auch ganz ohne Zusammenhang mit "Spekulationen" in eine schwere Krise geraten.

Diese von einigen Medien und Parteipolitikern so getauften Spekulationen wurden übrigens von Finanzverantwortlichen aus allen Parteien veranlasst, insbesondere von sozialdemokratischen. Dabei wurden nach vielen Gewinnen auch etliche Verluste erzielt - aber beides sind in der Größenordnung nur Marginalien der Schulden- und Pensionskrise.

Dazu die Reaktion von Bärbel Mende-Danneberg:

Mit „politisch Gleichgesinnten“ meine ich all jene Menschen (in Institutionen, Parteien, Medien, Verbänden aller Couleurs und an Stammtischen…), die marktreligiös den Neoliberalismus verteidigen: Ausverkauf und Privatisierung staatlichen Eigentums, Abbau sozialer Standards, Umbau von Normalbeschäftigungsverhältnissen in prekäre, Einkommenskürzungen usw.

Und die andererseits gemeinnütziges Eigentum privatisieren und verspekulieren (Cross-Border-Leasing), die sich auf Kosten der Mehrheit bereichern, ihren Reichtum in Steueroasen oder Stiftungen parken und die jetzt, wo der Casino-Kapitalismus mit seinen geldgierigen Finanzspekulationen zusammenkracht, erwarten, dass die Allgemeinheit die Lasten trägt, z.B. die PensionistInnen.

Das sind keine Marginalien, wenn man sich die Konzentration von Reichtum im Vergleich zu steigender Armut anschaut, von der zunehmend auch der Mittelstand erfasst wird. Das ist eine demokratiegefährdende Zeitbombe, die politische Demagogen zu zünden wissen.

Unterberger bekräftigt, was er vom Sozialstaat hält:

Vielen Dank, aber Sie irren in etlichen Punkten. Die zwei wichtigsten:

- Das System kracht nicht wegen irgendwelcher Spekulationen, sondern weil sich fast alle europäischen Staaten zum Zweck der populistischen Wählerbestechung in einem historisch noch nie dagewesenen Ausmaß verschuldet haben.
- Die Pensionisten tragen keine Lasten, sondern die meisten werden massiv subventioniert. Denn nach den klaren Regeln der Versicherungsmathematik müssten die allermeisten Pensionen viel niedriger sein - oder erst ab einem deutlich höheren Lebensalter bezahlt werden.