Vom Kollegen zum Spielball des Unternehmens
- Montag, 6. Februar 2012 @ 09:33
Von Karl Haslinger
„Warte mal, Karl“ höre ich hinter mir jemanden rufen, als ich durch die große Werkstätte gehe. Ich bleibe stehen und drehe mich um: vor mir steht ein mittelgroßer Mann mittleren Alters. Ich kenne ihn vom Sehen und er trägt die „Voest-Uniform“.
Er ist also einer von „uns“, keiner der herumstehenden „Leistungszukäufe“, Angehörige von Fremdfirmen, die kurzfristige Jobs erledigen. „Wann werde ich endlich übernommen?“ fragt er mich. „Ich bin jetzt schon länger als zwei Jahre im Betrieb.“ Mir ist sofort alles klar. Vor mir steht wieder ein Opfer der Betriebsvereinbarung vom Juli 2011.
Leiharbeit war in der voestalpine bis zum Börsengang praktisch unbekannt. Nach der Wandlung vom verstaatlichten zum kapitalistischen Betrieb änderte sich auch die Personalpolitik. Das Stammpersonal wurde auf ein Minimum reduziert und immer öfter wurden LeiharbeiterInnen zur Spitzenabdeckung eingesetzt.
Dann ging man einen Schritt weiter. LeiharbeiterInnen sollten permanent eingesetzt werden. Dazu gründete die voestalpine 1998 eine eigene Leasingfirma, die „vaps Personalservice GmbH“ mit derzeit 800 Beschäftigten. Seither sind die VAPS-MitarbeiterInnen dauerhaft in den Betrieben vertreten. Schulter an Schulter arbeiten sie jahrelang neben den StammarbeiterInnen.
Selbstverständlich gibt es Regeln und Vereinbarungen über den Einsatz der LeiharbeiterInnen. Die zwei wichtigsten sind die Einstufung in die Kategorien Integration und Qualifikation. Nach 18 Monaten hat jedeR LeiharbeiterIn das Recht auf Übernahme ins Stammpersonal, wenn er/sie eine der beiden Kriterien erfüllt. Das funktioniert auch so recht und schlecht.
2008/2009 kam die Witschaftskrise und veränderte die Betriebswelt nachhaltig. Die Auftragslage brach innerhalb weniger Tage um 50 Prozent ein und die LeiharbeiterInnen waren über Nacht verschwunden. Die Stammbelegschaft bekam Kurzarbeit und Urlaubsabbau verordnet. Die meisten LeiharbeiterInnen konnten in der Stahlstiftung unterschlüpfen und die Zeit mit Ausbildungsmaßnahmen überbrücken.
Für den Vorstand war die Krise Anlass, Absicherungen für die Zukunft zu planen. Dazu wurde u. A. auch die Leiharbeit neu definiert. Der Vorstand verhandelte mit dem Betriebsrat unter Vorsitz von Hans Karl Schaller eine neue Betriebsvereinbarung aus, die Leiharbeit auf neue Füße stellt. Die wichtigste Veränderung dabei ist die Installation eines 200 Personen starken Pools im Bereich B4, der flexibel Auftragsschwankungen abfedern soll. Bei den Angehörigen des Pools ist NICHT an eine Übernahme gedacht, sie sollen nur Krisen bewältigen helfen.
Ohne Wissen der LeiharbeiterInnen wurden die Verträge mit der VAPS geändert. Alle LeiharbeiterInnen aus den Bereichen der Anlagentechnik wurden stillschweigend an den B4-Pool verliehen und dadurch änderten sich auch deren Übernahmebedingungen. Mein Kollege hat also Pech gehabt. Er arbeitet zwar nach wie vor im Bereich B2, durch die Verleihung an den B4-Pool wurde aber seine vorherige Einstufung „Qualifikation“ gelöscht. Eine Übernahme ins Stammpersonal ist nicht mehr erzwingbar. Dazu kommt die interne Bereichseinteilung des Betriebsrates. Als B2-Betriebsrat habe ich im Bereich B4 keine Einflussmöglichkeiten.
Ich erklärte ihm, mein Kollege Linsmayer und ich hätten die Betriebsvereinbarung im Juli 2011 abgelehnt. Und dass wir heftig mit der Gewerkschaft diskutierten, da das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz nur maximal zehn Prozent LeiharbeiterInnen vorsieht, der Pool aber beinahe 50 Prozent von B4 ausmacht. Alles was mir bleibt, ist ihn an seinen zuständigen B4-Betriebsrat zu verweisen und mit dem B2-Chef über seine Weiterverwendung zu verhandeln. Garantie gibt es aber keine mehr.
Einer hat sich jedenfalls weiter qualifiziert. Der Konzern-Betriebsrat Hans Karl Schaller, der immer noch der Meinung ist, die beste Betriebsvereinbarung unterschrieben zu haben, ist vor ein paar Monaten in den oö Landtag eingezogen. Wirklich motiviert hat das meinen Kollegen aber nicht.
Karl Haslinger ist Arbeiterbetriebsrat der voestalpine Stahl Linz
„Warte mal, Karl“ höre ich hinter mir jemanden rufen, als ich durch die große Werkstätte gehe. Ich bleibe stehen und drehe mich um: vor mir steht ein mittelgroßer Mann mittleren Alters. Ich kenne ihn vom Sehen und er trägt die „Voest-Uniform“.
Er ist also einer von „uns“, keiner der herumstehenden „Leistungszukäufe“, Angehörige von Fremdfirmen, die kurzfristige Jobs erledigen. „Wann werde ich endlich übernommen?“ fragt er mich. „Ich bin jetzt schon länger als zwei Jahre im Betrieb.“ Mir ist sofort alles klar. Vor mir steht wieder ein Opfer der Betriebsvereinbarung vom Juli 2011.
Leiharbeit war in der voestalpine bis zum Börsengang praktisch unbekannt. Nach der Wandlung vom verstaatlichten zum kapitalistischen Betrieb änderte sich auch die Personalpolitik. Das Stammpersonal wurde auf ein Minimum reduziert und immer öfter wurden LeiharbeiterInnen zur Spitzenabdeckung eingesetzt.
Dann ging man einen Schritt weiter. LeiharbeiterInnen sollten permanent eingesetzt werden. Dazu gründete die voestalpine 1998 eine eigene Leasingfirma, die „vaps Personalservice GmbH“ mit derzeit 800 Beschäftigten. Seither sind die VAPS-MitarbeiterInnen dauerhaft in den Betrieben vertreten. Schulter an Schulter arbeiten sie jahrelang neben den StammarbeiterInnen.
Selbstverständlich gibt es Regeln und Vereinbarungen über den Einsatz der LeiharbeiterInnen. Die zwei wichtigsten sind die Einstufung in die Kategorien Integration und Qualifikation. Nach 18 Monaten hat jedeR LeiharbeiterIn das Recht auf Übernahme ins Stammpersonal, wenn er/sie eine der beiden Kriterien erfüllt. Das funktioniert auch so recht und schlecht.
2008/2009 kam die Witschaftskrise und veränderte die Betriebswelt nachhaltig. Die Auftragslage brach innerhalb weniger Tage um 50 Prozent ein und die LeiharbeiterInnen waren über Nacht verschwunden. Die Stammbelegschaft bekam Kurzarbeit und Urlaubsabbau verordnet. Die meisten LeiharbeiterInnen konnten in der Stahlstiftung unterschlüpfen und die Zeit mit Ausbildungsmaßnahmen überbrücken.
Für den Vorstand war die Krise Anlass, Absicherungen für die Zukunft zu planen. Dazu wurde u. A. auch die Leiharbeit neu definiert. Der Vorstand verhandelte mit dem Betriebsrat unter Vorsitz von Hans Karl Schaller eine neue Betriebsvereinbarung aus, die Leiharbeit auf neue Füße stellt. Die wichtigste Veränderung dabei ist die Installation eines 200 Personen starken Pools im Bereich B4, der flexibel Auftragsschwankungen abfedern soll. Bei den Angehörigen des Pools ist NICHT an eine Übernahme gedacht, sie sollen nur Krisen bewältigen helfen.
Ohne Wissen der LeiharbeiterInnen wurden die Verträge mit der VAPS geändert. Alle LeiharbeiterInnen aus den Bereichen der Anlagentechnik wurden stillschweigend an den B4-Pool verliehen und dadurch änderten sich auch deren Übernahmebedingungen. Mein Kollege hat also Pech gehabt. Er arbeitet zwar nach wie vor im Bereich B2, durch die Verleihung an den B4-Pool wurde aber seine vorherige Einstufung „Qualifikation“ gelöscht. Eine Übernahme ins Stammpersonal ist nicht mehr erzwingbar. Dazu kommt die interne Bereichseinteilung des Betriebsrates. Als B2-Betriebsrat habe ich im Bereich B4 keine Einflussmöglichkeiten.
Ich erklärte ihm, mein Kollege Linsmayer und ich hätten die Betriebsvereinbarung im Juli 2011 abgelehnt. Und dass wir heftig mit der Gewerkschaft diskutierten, da das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz nur maximal zehn Prozent LeiharbeiterInnen vorsieht, der Pool aber beinahe 50 Prozent von B4 ausmacht. Alles was mir bleibt, ist ihn an seinen zuständigen B4-Betriebsrat zu verweisen und mit dem B2-Chef über seine Weiterverwendung zu verhandeln. Garantie gibt es aber keine mehr.
Einer hat sich jedenfalls weiter qualifiziert. Der Konzern-Betriebsrat Hans Karl Schaller, der immer noch der Meinung ist, die beste Betriebsvereinbarung unterschrieben zu haben, ist vor ein paar Monaten in den oö Landtag eingezogen. Wirklich motiviert hat das meinen Kollegen aber nicht.
Karl Haslinger ist Arbeiterbetriebsrat der voestalpine Stahl Linz